Seit 1. Jänner 2006 ist ein neues Niederlassungs- und Aufenthalts- Gesetz (NAG) in Kraft. Die Novellierungen und Regelungen treffen unter anderem binationale Paare, deren gemeinsames Familienleben hier in Österreich mehr als unsicher ist.
"Sehr geehrte Frau Ministerin Prokop!" So beginnt jede der vielen Fragen, die Angela Magenheimer, Mitbegründerin der Initiative "Ehe ohne Grenzen", seit Februar vor dem Innenministerium in Wien stellt. Mittwochs ab 17.00 gehört eine Hälfte der Herrengasse dieser Initiative, die sich Anfang des Jahres zusammengefunden hat. Denn seit das neue "Fremdenpaket" geschnürt wurde, hat sich vieles verändert. Die Eheschließung mit einem/einer ÖsterreicherIn war früher gleichbedeutend mit einer Aufenthaltsbewilligung und Arbeitserlaubnis. Mit dem neuen Gesetz hat die Ehe diese Schutzfunktion verloren. Nach altem Gesetz war es üblich, Asylanträge nach der Eheschließung zurückzuziehen, um als Verheiratete einen neuen Niederlassungsantrag stellen zu können. Angehörige von Drittstaaten, die dies jetzt tun, sind laut neuer Rechtslage "Illegale", die den Erstantrag nur aus dem eigenen Herkunftsland stellen dürfen. Die zuständigen Behörden haben im Jahr 2005 begonnen, rund 7.000 Anträge "liegenzulassen" und ihre Bearbeitung somit eingestellt. Dadurch sind auch Ehepaare, deren Hochzeit bereits voriges Jahr stattfand, von den neuen Regelungen betroffen.
Aus all diesen Novellierungen und Vorkommnissen ergeben sich Angela Magenheimers Fragen. Fragen, die seit mehr als drei Monaten nicht beantwortet werden, da "ohnehin alles in Einzelfällen genau geprüft wird und Frau Prokop keinen Anlass zu einem Gespräch sieht", wie ein Mitarbeiter des Innenministeriums in einem Brief an "Ehe ohne Grenzen" erklärte.
Bei den Betroffenen besteht hingegen großes Interesse und genügend Anlass, ein Gespräch zu führen: "Es geht uns nicht darum, einmal mit ihr Kaffee zu trinken, primär ist, dass sich etwas an der Rechtslage ändert", meint Magenheimer.
"Verliebt, verlobt, abgeschoben...?" steht in großen Buchstaben auf ein Schild geschrieben. Keine Ironie, sondern bittere Realität. Die Ungewissheit, was die gemeinsame Existenz betrifft, beschäftigt die EhepartnerInnen jeden Tag. So auch Vera. Sie ist zwanzig, Studentin und seit einem halben Jahr mit John aus Nigeria verheiratet. Ihre Geschichte ähnelt der Geschichte vieler.
Fehlinformation. Am Tag nach der Hochzeit im Dezember 2005 war sie bei der Polizei gewesen, um sich über die weiteren Schritte zum Asylbewilligungsantrag für ihren Mann zu informieren. "Ja, das war eine ziemlich lange Liste", erinnert sich Vera. "Damals sind die Anträge ja noch alle von der Fremdenpolizei bearbeitet worden. Wir haben schon gewusst, dass sich am Gesetz etwas ändern wird, aber nicht, was genau. Die Zuständige dort hat noch gesagt, dass wir den Asylantrag zurückziehen sollen, denn das sei das Allerwichtigste." Das war die normale Vorgehensweise nach dem alten Gesetz. Aber nicht nach dem neuen: "Ich habe dann noch gefragt, was ich beim neuen Gesetz beachten muss und was sich danach ändern wird und habe erfahren, dass sich nichts ändert, außer, dass die Zuständigkeit von der Fremdenpolizei auf die MA 20, also die Einwanderungsbehörde, übertragen wird."
Vera ist kein Einzelfall. In ganz Österreich wurden Anträge auf Niederlassung von Verheirateten auf diese Weise behandelt. "Im Dezember haben sie bereits gesagt: 'Wir nehmen keine Anträge mehr an.'", erbost sich Vera. "Die haben genau gewusst, dass die Anträge im Jänner dann schon unter das neue Gesetz fallen. Das war geplant. Die haben dort einfach Arbeit verweigert." Über die Novellierungen wurde das Paar nicht informiert.
"Wir waren dann im Jänner am Magistrat und dort wurde uns gesagt: 'Nein, Sie können den Antrag nicht hier stellen, Ihr Mann muss nach Nigeria zurück. Er hält sich im Moment illegal im Land auf.' Wir haben echt nicht mehr weiter gewusst. Du kannst doch nicht einen politischen Flüchtling in ein Land schicken, in dem er verfolgt wird!"
Rechtsberatung. So ähnlich sehen das auch die RechtsexpertInnen Nike Sehorst und Alexander Senk von der Initiative "helping hands", die Betroffenen kostenlose Rechtsberatung anbietet: "Laut der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist diese Vorgehensweise eine Verletzung des Menschenrechts auf persönliche Unversehrtheit. Wenn ein Mensch in ein Land, in dem ihm Gefahr droht, ausgewiesen wird, ist dieses Recht nicht mehr gegeben", erklären die beiden.
Überhaupt gäbe es von juristischer Seite viele Bedenken. Das neue NAG ist nämlich weder formal noch inhaltlich gut strukturiert, Klagen beim Verfassungsgerichtshof sind abzusehen. Einige der im Gesetz aufgeführten neuen Bestimmungen verletzen den Artikel 8 der EMRK, in dem das ungeteilte Recht auf Privatsphäre und Familienleben definiert wird. Ein weiterer Kritikpunkt wären die unpräzisen Formulierungen. "Das neue Gesetz erlaubt enorm viel Interpretationsspielraum und zeigt kaum klare Richtlinien", meint Alexander Senk dazu. Seine Kollegin Sehorst und er versuchen, Betroffene so gut wie möglich zu beraten, was aufgrund der formalen Schwächen im neuen NAG nicht immer einfach ist. Senk und Sehorst dazu: "Einen wirklich guten Rat gibt es nicht. Am einfachsten ist die Ausreise, sofern diese gefahrlos möglich ist, und die Antragstellung im Heimatland. Ein weiterer Rat ist vielleicht, dass die PartnerInnen, die aus einem Drittstaat stammen, dem/der EhepartnerIn die Vollmacht übertragen, damit die weiteren rechtlichen Schritte im Falle einer Schubhaft nicht den Behörden obliegen." Einzelne Fälle von Schubhaft und Ausweisung sind bereits bekannt. "Die Dunkelziffer ist aber bestimmt höher", sind die ExpertInnen überzeugt.
Ein weiteres Problem, mit dem binationale Paare zur Beratung bei "helping hands" kommen, ist das Mindesteinkommen, das laut neuem Gesetzestext rund 1.056,- Euro netto betragen muss. Da der/die nicht-österreichische EhepartnerIn keinen Aufenthaltstitel und somit auch keine Arbeitserlaubnis erhält, wenn dieses Einkommen nicht nachgewiesen werden kann, muss der/die ÖsterreicherIn alleine für den Unterhalt aufkommen, was vor allem für viele Frauen, gerade wenn sie Teilzeit arbeiten, nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Auch Vera sieht diese Entwicklung problematisch: "Das ist reine Schikane für binationale Paare. Das ist nicht mehr 'nur' Rassismus, das ist bereits InländerInnendiskriminierung!"
Vernetzung. Diese Diskriminierungen waren auch Thema bei dem bereits im Februar stattgefundenen Vernetzungstreffen im Café Landtmann. Herbert Langthaler von der Asylkoordination, Gerti Schmutzer vom Verein FIBEL (FrauenInitiativeBikulturelleEhenundLebensgemeinschaften), Peter Marhold von "helping hands" und auch Angela Magenheimer waren damals anwesend. Aufgezeigt wurden die Verschärfungen im neuen Fremdenpaket und die negativen Entwicklungen, welche Maßnahmen erfordern. So vernetzten sich Vereine und Institutionen mit Betroffenen, um den Problemen entgegenzuwirken und eine Plattform für die Ehepaare zu schaffen.
"Wichtig ist, dass die Ehepaare, vor allem die Frauen, wissen, dass sie nicht alleine sind und dass in einer Gemeinschaft mehr erreicht werden kann", meint Gerti Schmutzer, Mitbegründerin vom bereits seit zwölf Jahren bestehenden Verein FIBEL. "Anfang des Jahres verständigte uns die Asylkoordination, weil sie dermaßen viele verzweifelte Anrufe erhielten, dass sie überfordert waren. Wir haben dann eben dieses Treffen im Februar abgehalten, um die Medien auf die Problematiken, die sich aus dem neuen Gesetz ergeben, hinzuweisen."
Seitdem sich eine gewisse Resonanz auf dieses Thema gezeigt hat, organisiert FIBEL regelmäßig Vernetzungstreffen und Vollversammlungen. "Zum einen, um über neue rechtliche Entwicklungen, Reaktionen der Behörden und Aktionen zu informieren und zum anderen, um den Betroffenen gegenseitigen Austausch und psychologische Hilfe anzubieten", erklärt Gerti Schmutzer. Von solchen Treffen weiß Vera nur Gutes zu berichten: "Es ist eine große Hilfe für mich, dass sich diese Vereine so engagieren. Ich habe die Gewissheit, dass sie mich wirklich unterstützen. Im Gegensatz zum Staat Österreich: Nach allem, was mir bis jetzt passiert ist, fühle ich mich von ihm total verlassen."
Anmerkung / update: Bei einem Gespräch im Juni 2006 mit Beamten des Innenministeriums wurde der Initiative Ehe ohne Grenzen ein "unmoralisches Angebot" unterbreitet. Dieses sieht vor, dass manche EhepartnerInnen von österreichischen StaatsbürgerInnen von fremdenpolizeilichen Maßnahmen ausgenommen werden. Siehe dazu den Berichte :: Fremdenrecht 2005: Aufatmen für binationale Paare? (22. Jun 2006), sowie :: Aufatmen vieler betroffener binationaler Paare und die :: Informationen zur Pressekonferenz am 22. Juni 2006 bei der Initiative Ehe ohne Grenzen.
Dieser Artikel von Nadja Vladar und Eva Steinheimer erschien zuerst in :: an.schläge. Das Feminististische Magazin, Juni 2006