Die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln, bisher oft angewandte Polizeimethode in Deutschland, darf laut einem Urteil vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht mehr praktiziert werden.
Brechmittel-Einsatz verstößt gegen Folterverbot
Deutschland ist am 11. Juli 2006 wegen des zwangsweisen Einsatzes eines Brechmittels bei einem Drogenkurier vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg verurteilt worden. Der Einsatz des Brechmittels sei ein Verstoß gegen das Verbot von Folter und menschenunwürdiger Behandlung. Dem Kläger, einem 41 Jahre alten Mann aus Sierra Leone, sprach das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu.
In der Urteilsbegründun heißt es weiters, dass der Einsatz des Brechmittels nicht "zwingend erforderlich" gewesen sei. Im verhandelten Fall hätte laut Ansicht des Gerichtes auf die "natürliche Ausscheidung" der Droge gewartet werden können.
In einigen Bundesländern in der BRD war das Eintrichtern von Brechmitteln bislang eine erlaubte und oftmals angewendete Praxis. In den vergangenen Jahren wurden Brechmittel vor allem in Bremen und Hamburg, aber auch in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen eingesetzt. Seit ihrer Anwendung gibt es dagegen Proteste, doch die deutschen Gerichte und Behörden rangen sich immer nur dann zu einem vorübergehenden Stopp dieser nun auch höchstgerichtlich als Folterneten Polizeimethode durch, wenn es in deren Folge zu Todesfällen kam, wie in Hamburg und Bremen. Siehe dazu die Kampagnen Seiten :: Dead by Law aus Hamburg und :: Schluss mit der Brechmittelvergabe! vom Antirassismusbüro Bremen.
Tödlicher Brechmitteleinsatz
Wie so ein Brechmitteleinsatz mit tödlichem Ausgang vor sich ging, beschreibt folgendes Beispiel:
Hauptakteurin in Hamburg war Prof. Dr. Ute Lockemann (Jg. ca. 1964), Deutschlands jüngste Professorin für Gerichtsmedizin und Lehrstuhlinhaberin auf dem Gebiet der Rechtsmedizin. Mittlerweile Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE).
Der Vorgang: Am 9. Dezember 2001 wurde ein junger Afrikaner, der sich Achidi John nannte, nach seiner Festnahme wegen des Verdachts des Drogenhandels in das Institut für Rechtsmedizin des Universitätskrankenhauses Eppendorf in Hamburg gebracht. Dort sollten ihm "zum Zweck der Beweissicherung" Brechmittel verabreicht werden. Achidi John brach schon beim Anblick des Behandlungsraums das erste Mal zusammen. Nachdem er in den Raum hineingeschleift worden war, wehrte er sich panisch gegen den Brechmitteleinsatz, fiel zu Boden und schrie: "I will die, I will die!".
Die verantwortliche Ärztin, Prof. Dr. Ute Lockemann, verzichtete auf "eingehende Untersuchungen", entschied, ihm das Brechmittel dennoch einzuflößen und orderte Polizeiverstärkung. Mehrere Polizisten hielten den jungen Mann, der während der gesamten Tortur gefesselt war, schließlich auf dem Boden des Untersuchungsraumes fest. Zweimal schlug der Versuch, ihm eine Magensonde einzuführen, fehl. Beim dritten Mal gelang es der Ärztin, die Sonde durch die Nase einzuführen, und 30 ml des Brechmittels Ipecacuanha sowie 800 ml Wasser einzuflößen. Noch währenddessen verkrampfte sich der Körper von Achidi John, er nässte ein und blieb danach reglos liegen. Die Ärztin deutet dies als "Simulation". Es dauerte noch mehrere Minuten bevor zunächst eine Studentin, dann die Ärztin Rettungsmaßnahmen einleiteten. Prof. Dr. Lockemann brach diese Maßnahmen nach kurzer Zeit ab und ließ den Sterbenden mit der Studentin und den Polizeibeamten allein, um selbst das Rettungsteam des UKE zu informieren. Erst den herbeigerufenen Notärzten gelang es, Achidi Johns Herztätigkeit zu aktivieren. Sein Herz schlug, bis sein Tod am 12. Dezember 2001 festgestellt und die intensivmedizinischen Geräte abgestellt wurden.
Trotz zahlreicher Strafanzeigen weigerte sich die Staatsanwaltschaft Hamburg, ein Ermittlungsverfahren gegen die verantwortliche Ärztin und die beteiligten Polizeibeamten einzuleiten, die an dem Brechmitteleinsatz gegen Achidi John beteiligt waren.
Prof. Dr. Lockemann hätte die Arbeit verweigern können, denn nach einem :: Beschluss der Ärztekammer vom 29. Oktober 2001 dürfen Ärztinnen und Ärzte "nicht gezwungen werden" (vgl. :: Berliner Tagesspiegel vom 27. Dezember 2001). Psychiater Klaus E. Weber macht eine einfache Rechnung auf: Wenn es bei den 1000 bislang in Deutschland durchgeführten Brechmitteleinsätzen einen Todesfall gegeben hat, dann ist das ein Prozentsatz von einem Promille. Und das sei viel zu hoch, als dass dieser Einsatz "als medizinischer Routineeingriff" gelten könne.
Quellen: Dieser Beitrag erschien zuerst am 11. Jul 2006 auf :: de.indymedia.org und wurde von no-racism.net um einige Informationen aus einem Bericht vom 12. Juli 2006 auf welt.de erweitert.