Infotext zum Zusammenhang Migration und restriktiven Maßnamen wie Schubhaft samt Schubhaft abschaffen! Faltblatt als pdf, erstellt anlässlich der Demonstration zum transnationalen Migrations Aktionstag am 7. Oktober 2006 in Wien, Treffpunkt: 14:30 vor dem Schubhaftgefängnis Hernalser Gürtel 8-12.
MIGRATIONS AKTIONS TAG
Samstag, 7. Oktober 2006
transnational und dezentral
Oft sind die Gefahren für das eigene Leben oder das der Kinder und FreundInnen die Motivation, alles zurückzulassen und in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Die Gründe sind dabei wohl so zahlreich wie die Menschen, die unterwegs sind. Viele Menschen erreichen nie ihr Ziel, immer mehr finden den Tod.
Abschottungswälle, wie sie in Europa gleich einer Festung gegen Osten und Süden oder in den USA an der Grenze zu Mexico errichtet werden, fordern klar kalkulierte Opfer: Jene, die es nicht schaffen, die Grenze lebend zu überqueren oder die den Auswirkungen der rassistischen Politik der jeweiligen Länder zum Opfer fallen. Doch nicht alle können aufgehalten werden. Brachen sie oft noch im Glauben auf, in einem demokratischen Land anzukommen, in dem Menschenrechte eingehalten werden, wird ihnen spätestens dort klar, dass dem für sie nicht gilt.
Ein Ort, an dem dies sichbar wird, ist die Schubhaft. Dort werden Menschen allein aufgrund ihrer Existenz - weil sie über keine oder die falschen Papiere verfügen - bis zu 10 Monaten eingesperrt und entrechtet. Zur Unterstützung ihres Widerstandes wird am MigrationsAktionstag eine Demonstration stattfinden:
Samstag, 7. Oktober 2006 in Wien
Treffpunkt: 14:30 Uhr vor dem Schubhaft-Gefängnis Hernalser Gürtel 8-12 (U6 Josefstädter Straße)
Abschlusskundgebung vor dem Schubhaftgefängnis Rossauer Lände 7-9
Lärm[instrumente] mitbringen!
Schubhaft abschaffen!
Schubhaft, eine Form der Internierung
Schubhaft ist eine Maßnahme, von der lediglich Menschen, die die österreichische StaatsbürgerInnenschaft nicht besitzen, sich aber trotzdem im Bundesgebiet aufhalten, betroffen sind. Für Menschen mit österreichischem Pass gibt es diese Form des Freiheitsentzugs nicht. Die Schubhaft gilt nicht als Strafhaft, sondern als Sicherungsmaßnahme. Der Haftverhängung liegen keine strafbaren Handlungen zu Grunde.
Schubhäftlinge werden in der Praxis oft gar nicht oder in keiner ihnen verständlichen Sprache über den Grund ihrer Festnahme informiert. Diese Unwissenheit über die Dauer der Anhaltung und die prekären Zustände in den Polizeianhaltezentren (PAZ) führen zu einer hohen psychischen Belastung. Durch die Ausweglosigkeit der Situation stehen Selbstverstümmelungen, Verschlucken gefährlicher Gegenstände, Hungerstreiks und Suizidversuche an der Tagesordnung.
Hungerstreik: Widerstand gegen Internierung
Hungerstreik ist für viele neben anderen Formen der Selbstverletzung (wie aufschneiden der Pulsadern, das Schlucken diverser Gegenstände usw.) die einzige Möglichkeit, aus der Schubhaft entlassen zu werden. Wenn die Leute einen "entsprechenden" Gewichtsverlust vorweisen können, werden sie wegen Haftuntauglichkeit entlassen (dies kann länger als drei Wochen dauern!). Die Zahlen sind extrem hoch. Unterschiedlichen Informationen zufolge gehen mindestens 1.000 Leute pro Jahr (zum Teil ist von wesentlich mehr Personen die Rede) in Hungerstreik.
Jährlich sind ca. 10.000 oder mehr Menschen in Schubhaft. Im Jahr 2004 waren offiziellen Angaben zufolge seit Jahren erstmals weniger als 10.000 Leute in Schubhaft, doch seit 1. Jänner 2006 ist die Zahl der Schubhaftverhängungen stark im Steigen.
Mit so genannten sozialarbeiterInischen Maßnahmen konnte in den letzten Jahren aus offizieller Sicht keine Lösung des "Problems" Hungerstreik erzielt werden. Deshalb wurde mit dem Fremdenrechtspaket 2005 die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Zwangsernährung von Hungerstreikenden in Schubhaft geschaffen. Dabei beriefen sich die HardlinerInnen rassistischer Politik zur Legitimierung ihrer repressiven Maßnahmen auf die Zustimmung der (Mehrheits?) Bevölkerung. Eine Umfrage für die ORF-Sendung Report von Ende Mai 2005 zufolge waren 51 Prozent der Meinung, dass dieses Mittel angemessen sei, lediglich 39 Prozent würden Zwangsernährung generell ablehnen. Dabei stellt die Zwangsernährung einen massiven Eingriff in den Körper dar. Schon allein Hungerstreiks ziehen sehr oft massive gesundheitliche Probleme nach sich. Werden Leute zwangsernährt, was ja dann gegen ihren Willen geht, sind die Gefahren wohl noch massiver. Denn ohne Ausübung entsprechender und massiver Gewalt bzw. das Fesseln an ein Bett wird es wohl nicht möglich sein, Leute an der Verweigerung von Nahrungsaufnahme zu hindern. (siehe: http://no-racism.net/article/1653)
Nein zur Zwangsernährung!
Laut Aussagen eines Wachebeamten vom PAZ Hernalser Gürtel in Wien greift die drohende Zwangsernährung nicht. Von Jahresbeginn bis Mitte April 2006 seien acht Menschen, die sich in Hungerstreik befanden, in die Krankenabteilung der Justizanstalt Josefstadt überstellt worden. Zwangsernährt wurde angeblich noch keiner, jedoch wurde sie laut Aussagen von Menschen die in Hungerstreik waren des Öfteren angedroht, um die Leute zur Aufgabe der Widerstandshandlung zu bewegen. Die Hungerstreikenden selbst werden immer öfter und länger in Haft gehalten.
Hungerstreiks stehen vor allem in den zwei PAZ in Wien, die für die Anhaltung in Schubhaft verwendet werden, auf der Tagesordnung. Die Leute in Hungerstreik werden meist in einem eigenen Trakt in Einzelhaft überstellt und es gibt verschiedene Sanktionsmöglichkeiten. Doch dies hindert die Leute nicht, eine der letzten Möglichkeiten, aus der Haft entlassen zu werden, wahrzunehmen. Da viele Leute mehrmals in Schubhaft genommen werden, ist es durchaus möglich, dass einzelne mehrmals mit Hungerstreik versuchen, aus der Haft entlassen zu werden. Was eine zusätzliche Belastung für den Körper darstellt.
Die einzige Alternative ist nach unserer Ansicht, die Schubhaft abzuschaffen. Sie stellt zwar eine gesetzlich legitimierte Haft dar, ist jedoch weder eine richterlich angeordnete Haft, noch Folge einer sog. strafbaren Handlung, sehen wir mal von der alleinigen Anwesenheit im Land ab, die selbst illegalisiert und kriminalisiert wird. Dazu sei weiters angemerkt, dass es in Österreich in den letzten Jahren zu mehreren Toten in Schubhaft kam. Offiziell liegen mehrere Fälle von Selbstmord vor, über die jedoch keine (zumindest keine offiziell zugängige) Statistik geführt wird.
Ein Vorfall vom 22. Feb. 2005 warf dabei viele Fragen auf. Ben Habra Saharaoui wurde tot in einer Einzelzelle im Polizeigefangenenhaus Hernalser Gürtel in Wien aufgefunden. Er soll bei seiner Festnahme schwer verprügelt worden sein, was von den Behörden jedoch abgestritten wird und nichts mit seinem Tod zu tun haben soll (siehe: http://no-racism.net/racismkills).
Ein weiterer Vorfall ist der Tod von Yankuba Ceesay. Er starb am 4. Oktober 2005 im PAZ Linz - offiziellen Angaben zufolge an einer "Verkettung unglücklicher Umstände". Die Schubhaft war rechtswidrig verhängt worden. Obwohl zahlreiche belastende Sachverhalte vorliegen und es offensichtlich ist, dass es zu Misshandlungen kam, verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage. (Siehe http://no-racism.net/rubrik/280)