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[ 02. Nov 2006 ]

Pogrom gegen Roma in Slowenien

Beschmierte Ortstafel

Am Samstag, den 28. Oktober starteten die BewohnerInnen der slowenischen Dörfer Ambrus und Kriska Vas ein Pogrom gegen die in der Nähe lebenden etwa 30 Roma.

 

Ein aufgebrachter Mob versuchte die Roma-Siedlung zu stürmen, wurde aber von Polizei-Spezialeinhaiten davon abgehalten. Im Laufe der folgenden Tage wurde sogar ein Wohnhaus eines Roma abgebrannt. Mittlerweile sind die Roma in einer ehemaligen, baufälligen Kaserne in der Nähe von Sloweniens einzigem Abschiebelager in Postojna untergebracht. Die rassistische Dorfgemeinschaft von Ambrus freut sich unterdessen über ihren "Sieg".

Den Anfang machte eine heftige Schlägerei zwischen einem vormals Obdachlosen Nicht-Roma und einem Bewohner von Ambrus am 22. Oktober, wobei der Ambruser lebensgefährliche Verletzungen davontrug. Der Obdachlose selber saß bis vor kurzem 7 Monate im Gefängniss. Nach seiner Entlassung wohnte er in dem Dorf Struge, die Polizei verjagte ihn jedoch auf Drängen der BewohnerInnen, sodass er in der Roma-Siedlung sesshaft wurde.

Die AmbruserInnen gaben den Roma die Schuld an dem Vorfall und die "Ambruser Ortsgemeinschaft" ("Ambruška krajevna skupnost") organisierte am Montag, dem 23. Oktober eine Dorfversammlung an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten. Vom Staat wurde gefordert, das "Romaproblem" schnellstmöglich zu lösen, am Samstag, dem 27. Oktober war um 10:00 Uhr früh wieder eine "Dorfversammlung" anberaumt, an der sich aber keinE PolitikerIn beteiligte, was die AmbruserInnen als Affront verstanden und geschlossen zur Romasiedlung zogen.

In Krka Vas sammelten sich die BewohnerInnen derweil vor dem Kulturhaus und zogen auch zur Roma-Siedlung. Dort anwesend war schon Presse und Polizei, letztere sogar mit berittenen Spezialeinheiten, welche den rassistischen Mob erstmal aufhalten konnte. Die Roma versteckten sich im nahegelegenen Wald.

Am frühen Abend wurden Lagerfeuer angezündet, auch der Alkoholspiegel stieg immer weiter an, bis um 19.00 Uhr dann der slowenische Innenminister Dragutin Mate ankam und vor laufender Nachrichtenkamera (live!) sagte, dass die Roma über Nacht in ihrer Siedlung bleiben könnten, worauf er von der aufgebrachten Menge mit Steinen und Münzen beschmissen wurde. Diese Zerstreute sich danach jedoch, die Polizei griff nicht ein.

Die Regierung war ratlos, was sie mit "den Roma" nun machen soll, kurzzeitig wurde auch überlegt sie in Sloweniens einziges Abschiebelager in Veliki Otok bei Postojna zu internieren. Den Roma blieb nichts anderes übrig als in den nahegelegenen Wäldern zu bleiben, die Polizei unternahm nichts, um ihnen die Rückkehr zu ihrem Hab und Gut zu gewährleisten. So wurden am Montag, dem 30. Oktober das Auto des erwähnten Obdachlosen und ein Holzhaus eines Roma abgefackelt. Die Polizei forderte die Roma daraufhin auf wegzugehen, mit der Zusage sie könnten auch ihre eigenen, grösstenteils unregistrierten Autos benutzen. In der Realität sah das dann so aus, dass sie nach einigen hundert Metern von Polizisten aufgehalten wurden und für jedes einzelne Autos Strafen zahlen mussten. Die Reise führte die Menschen in eine aufgelassene Kaserne in Postojna, wo seit 1992 ein Flüchtlingslager besteht, in dem jedoch die hygienischen Zustände grauenvoll sind: Es gibt keine Heizung, der Strom fällt regelmässig aus, die sanitären Anlagen sind veraltet und es stinkt. Zwar wurde den Roma versichert, dass sie in den nächsten Tagen eine Heizung bekommen, die einzige materielle Hilfe, die sie bisher bekamen war jedoch eine Lieferung Nahrung und Kleider des Roten Kreuzes und des slowenischen Bundes der Roma.

Am Nachmittag des 30. Oktober tagte die slowenische Regierungskommission zu Romafragen. Dieser Kommission gehört neben Roma-Vertretern auch Milan Zver, der slowenische Bildungsminister an. Die Ergebnisse dieser Tagung sind, dass die Roma noch 2-3 Wochen in im Flüchtlingslager bleiben dürfen, bis dahin soll die Regierung neue Unterkünfte gefunden haben.

Die AmbruserInnen feiern unterdessen ihren "Sieg" und sind nicht bereit, jemals wieder Roma ins Dorf zu lassen. So verläuft in etwa 2 Wochen in Slowenien der zweite Wahlgang der Kommunalwahlen, diesen wollen sie boykottieren "bis die Regierung eine Lösung des Roma-Problems" beschlossen habe.

Nach den besagten Wahlen wollen die BewohnerInnen von Bučna Vas, wo es ebenfalls eine Roma-Siedlung gibt, eine großangelegte Demonstration gegen die Roma durchführen. Pogromstimmung ist garantiert...

Die Roma von Ambrus. Oberwart lässt grüssen.


Schon seit etwa 30-40 Jahren ist das Grundstück, auf dem die Roma wohnten, in Privatbesitz eines der ihrigen. Seit einigen Jahren leben hier etwa 20 Menschen, davon hauptsächlich Kinder. Vor 2 Jahren explodierte hier eine Bombe, die gegen die Roma gerichtet war. Die Täter konnten letztes Jahr ausgeforscht werden und wurden dieses Jahr zu hohen Haftstrafen verurteilt. Zwar wurde bei dem Anschlag auf die Ambruser Roma-Siedlung niemensch verletzt (die ganz genau genommen ja im Dörfchen Dečja Vas liegt), zwei Monate zuvor wurde jedoch (jeweils am ersten Freitag des Monats) in Novo Mesto eine weibliche Roma verletzt, einen Monat später starben eine romische Mutter und ihre Tochter bei der Bombenexplosion.

Alle mit dabei?


Widerstand gegen die rassistischen Pogrome gab es bisher kaum. Am 30. Oktober brachte eine einzige Bürgerin Postojnas Blumen und Geschenke zu den Roma ins Flüchtlingslager und verteilte auch Flyer auf denen gegen die anhaltende Diskriminierung von Roma aufgerufen wurde. Der slowenische Menschenrechtsbeirat fand nur verhaltene Worte, so erklärte er, dass das Vorgehen der Ambruser BürgerInnen "das Ende des Rechtsstaats" bedeute. Das Wort "Rassismus" wurde nicht in den Mund genommen.

Rassistische und faschistische Tendenzen werden in der slowenischen Mainstream-Gesellschaft meistens nur als Probleme von aussen wahrgenommen. Schließlich ist es unter anderem der antifaschistische PartisanInennkampf der Kitt, der das nationale Kollektiv zusammenhält, schließlich wurde, um ganz Plump möglichst viel Menschen auf die eigene Seite zu bekommen, von "nationalem Freiheitskampf" schwadroniert. Eine Reflexion darüber, ob solch ein Vorgehen nicht neue Nationalismen entfacht, gibt es in der slowenischen Medienlandschaft, geschweige in der Linken, so gut wie garnicht. So bezieht sich auch die rassistische "slowenische Nationale Partei" positiv auf den PartisanInnenkampf. Nazis können demnach nur "die Deutschen" oder "die Italiener" sein.

Quellen:
:: rtvslo.si/id=123967
:: rtvslo.si/id=123950
:: rtvslo.si/id=123893
:: rtvslo.si/id=123718
:: delo.si/167887
:: delo.si/103245

Ein riesig-großes Dankeschön an dieser Stelle an Ksenija Hahonja von der slowenischen linken Wochenzeitschrift "Mladina" (www.mladina.si)!