Am 5. Dezember wurde das Haus des Gumpoldskirchner Gemeinderats Matthis Podgorski von Verfassungsschützern durchsucht. Wir führten ein E-Mail Interview mit dem Betroffenen.
Am 21. Oktober 2006 fand in Gumpoldskirchen eine antifaschistische Demonstration statt, die von Matthis Podgorski - stellvertretend für die Gumpoldskirchner Grünen - angemeldet wurde. Wenige Wochen später gab es einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl gegen den Gemeinderat und behördliche "Vorerhebungen" wegen angeblicher Sachbeschädigung.
no-racism.net: Was ist am 5. Dezember in deinem Haus in Gumpoldskirchen passiert?
Matthis Podgorski: Am 05.12.06 fand bei mir zu Hause eine Hausdurchsuchung statt. Sechs Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Abteilung Terrorismus und Extremismus, suchten nach Spraydosen und dem "Fluchtfahrad". Ich werde beschuldigt, in der Nacht nach der Kundgebung "linksextreme Parolen" an die Hauswände gesprüht zu haben. Sie seien auf mich gekommen, weil ich "als Anmelder der Kundgebung ein starkes Motiv gehabt" hätte, ich mit der auf einem Überwachungsvideo abgebildeten Person (unscharfe, völlig vermummte Gestalt!) starke Ähnlichkeit aufweisen würde und mit dem Fahrrad fahren würde.
no-racism.net: Ist auf dem in der Nacht aufgenommen Video überhaupt etwas erkennbar?
Matthis Podgorski: Auf dem Fahndungsfoto ist eine Person zu erkennen, die mit Kapuze und Tuch vor dem Mund absolut nicht zu identifizieren ist. Trotzdem hat das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine "grosse Ähnlichkeit" zu meiner Person festgestellt. Woher bloß?
Obwohl ich alle Möglichkeiten einer politischen Partei zur Verfügung hatte und auch nutzte (Versammlungsfreiheit, Presse etc.), wird mir unterstellt, "ein starkes Motiv" gehabt zu haben, mich dann nächtens aus dem Haus zu schleichen und, wie sie sagen, "linksextreme Parolen" auf Hauswände von, zum Teil völlig unbeteiligten Bürgern (zufällige Namensgleichheit), zu sprayen. Und das, obwohl die "linksextreme Parole" Nie wieder Faschismus! auf unserem Transparent von etlichen Medien prominent kolportiert wurde (ORF NÖ, Österreich, Niederösterreichische Nachrichten, Badener Zeitung u.a.).
no-racism.net: Wie lief die Hausdurchsuchung ab? Wurden auch private Bereiche durchsucht?
Matthis Podgorski: Es wurden sämtliche Räume unseres Hauses durchsucht, inklusive Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad, WC etc. Die Beamten haben sich aber sehr korrekt benommen und weder Aufsehen erregt noch Verwüstungen begangen.
no-racism.net: Konnten die Verfassungsschützer im Zuge ihrer Hausdurchsuchung "Belastendes" finden?
Matthis Podgorski: Das "Fluchtfahrrad" wurde nicht bei mir gefunden. Es wurden aber drei Spraydosen meines Sohnes konfisziert (erhältlich in jedem Baumarkt), die jetzt kriminaltechnisch untersucht werden (C.S.I. lässt grüssen. Die Kosten will ich gar nicht wissen...). Nach der Vermummungskleidung wurde interessanterweise nicht gesucht. Offenbar glaubt man, ich hätte ein Fahrrrad und meine Winterkleidung geopfert, um dann die Spraydosen gleich neben dem Eingang stehen zu lassen.
no-racism.net: Was ist der momentane Stand im Verfahren gegen dich?
Matthis Podgorski: Offiziell sind "Vorerhebungen" im Gange. Der Anwalt meint, dass es höchstwahrscheinlich noch gar keinen wirklichen Akt zur Einsichtnahme gibt, bzw. dieser noch bei den Ermittlungsbehörden liege.
Der Assistent des Landesgeschäftsführers der Grünen NÖ hat mich am Morgen der Kundgebung mit den Worten begrüßt: "Die Herren vom Verfassungsschutz sind auch schon da... PKW mit Kameras etc.", d.h. ich wusste von Anfang an Bescheid, dass das fragliche Gebäude (und natürlich unsere Kundgebung) observiert wurde. Trotzdem werde ich offenbar für so blöd gehalten, dass ich mich mit Spraydose in der Hand wissentlich filmen lasse.
no-racism.net: Die besagte Spray-Aktion fand laut Verfassungsschutz gegen 3 Uhr Nachts - also mehr als 15 Stunden nach der von dir angemeldeten Kundgebung statt. Müssten der Logik der ErmittlerInnen folgend nicht auch alle anderen Protest-TeilnehmerInnen verdächtig sein oder geht es deiner Meinung nach eher darum ein politisches Exempel zu statuieren um antifaschistische Proteste in Zukunft hintanzuhalten?
Matthis Podgorski: Ich denke schon, dass es sich um eine Drohgebärde und einen massiven Einschüchterungsversuch handelt. Andererseits muss ich sogar davon ausgehen, dass man mich in meiner Existenz vernichten will. Wenn schon so lausige Hinweise reichen, um eine Hausdurchsuchung zu veranlassen, muss man mit allem rechnen.
Natürlich hoffe ich, dass sich die Leute dadurch nicht abhalten lassen, auch weiterhin Protestkundgebungen gegen Wiederbetätigung und Rassismus anzumelden und dagegen Stellung zu beziehen.
Allerdings finde ich solche Sprayaktionen völlig kontraproduktiv. Die
machen mir jetzt nur Scherereien und geben den Sympathisanten der rechten Szene ein willkommenes Fressen. Aus genau diesem Grund habe ich die Kundgebung initiiert. Um solche Aktionen zu vermeiden, die sich nicht im rechtstaatlichen Rahmen bewegen und nur dem (irgendwie verständlichen) Ausdruck von ohnmächtiger Wut dienen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Sprayer unsere Kundgebung unterstützen, statt sich zu solch unüberlegten Handlungen hinreissen zu lassen. Solange wir das Recht auf freie Meinungsäusserung und Demonstrationen haben, sind illegale Aktionen nicht zu tolerieren.
no-racism.net: Was sagst du dazu, dass das Landesamt für Verfassungsschutz antifaschistische Proteste bzw. Slogans wie "Nie wieder Faschismus" als "linksextrem" einstuft? Wird damit von behördlicher Seite versucht, die Aktivitäten der Neonazis zu verharmlosen und mit jenen ihrer GegnerInnen gleichzusetzen?
Matthis Podgorski: Das ist absolut unverständlich. Offenbar haben die Millionen Opfer des Nationalsozialismus noch immer keine Aufarbeitung der Geschichte in Österreich bewirkt. Ich würde meinen, dass jeder/jede, der/die den Aufruf "Nie wieder Faschismus!" NICHT unterschreibt, ein Fall für den Verfassungsschutz wäre. Da sieht man, wie weit es nach 7 Jahren schwarz/blau/orange/(braun?) in unserem Land gekommen ist. So etwas wäre in den 70ern oder 80ern nicht passiert.
no-racism.net: Gab es Reaktionen/Unterstützung der anderen Partein auf Gemeinde- oder Bezirksebene auf diesen Versuch der Kriminalisierung?
Matthis Podgorski: Mit dem Vizebürgermeister (SPÖ), der mit der SJ an der Kundgebung teilgenommen hatte, habe ich kurz darauf telefoniert und ihn informiert, da in Gumpoldskirchen auch Gerüchte kursieren, er selbst sei mit Farbe in den Händen in fraglicher Nacht bei Sprayaktionen gesehen worden. Ausserdem ist er auch ein passionierter Fahrradfahrer. Er war natürlich entsetzt und dankbar für die Warnung, aber weitere Reaktionen hat es bislang noch nicht gegeben.
Die regierende ÖVP hat sofort nach den Vorfällen versucht, uns für die Sprayaktionen verantwortlich zu machen, sogar in einer Gemeinderatssitzung. Und der Bürgermeister (ÖVP) faxt begierig den Artikel aus "Österreich" an die Regionalpresse, nach dem Motto: er hat's ja immer schon gewusst. Offenbar kapiert er nicht, dass die Aussendung an die Presse von uns ausgegangen ist.