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[ 27. Mar 2007 ]

Flüchtlingshilfsorganisation entsetzt über Wortwahl der Berliner Erklärung

In der Berliner Erklärung, mit der sich das offizielle Europa feiert, wird Terrorismus, organisierte Kriminialität und "illegale Migration" gleichgesetzt!

 

"Wer sich der Bekämpfung der illegalen Migration verschreibt, bekämpft Menschen. Dieser Kampf wird mehr vom selben bedeuten: mehr Stacheldraht, mehr Zurückweisungen auf hoher See, mehr Tote. Der Satz ist somit menschenverachtend. Das müsste den UnterzeichnerInnen, unter ihnen auch Bundeskanzler Gusenbauer, klar gewesen sein" sagt Daniel Bernhart von der Flüchtlingsberatungsstelle Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien.


Gleichsetzung von MigrantInnen mit Kriminellen


Die Beratungsstelle kritisiert, dass in der Berliner Erklärung durch die gemeinsame Nennung mit Terrorismus und organisierter Kriminialität im selben Satz die Gleichsetzung von "illegaler" Migration mit schweren Verbrechen suggeriert. "Eine bessere Legitimation für Fremdenfeindlichkeit kann man sich nicht wünschen", so Bernhart. Dieser allerdings wird in der Berliner Erklärung einen Absatz darunter eine klare Absage erteilt.


Offenlegung der EU-weiten migrationspolitischen Ratlosigkeit


Aus Sicht der Beratungsstelle verweist die Negativformulierung auf migrationspolitische Ratlosigkeit und das Fehlen jeglicher konstruktiver Ansätze, die etwa in der Außenpolitik der EU und der Entwicklungszusammenarbeit angedacht werden könnten. "Die EU setzt also weiterhin auf das Pferd Kriminalisierung. An der Migration und ihren Ursachen wird Kriminalisierung der MigrantInnen auch in Zukunft nichts ändern."


Restriktive Einwanderungsgesetze erzeugen mehr Illegalisierte


Wer heute noch legal aufhältig ist, kann durch einen Bescheid morgen schon illegalisiert sein. Auch Flüchtlinge, die später Asyl bekommen, sind zunächst, bis sie Gelegenheit haben, einen Asylantrag zu stellen "illegale Einwanderer". Bernhart verweist auf die lange Reihe der einst "illegal" eingereisten KlientInnen, die heute österreichische Staatsbürger sind. Und betont, dass illegale Migration ein "hausgemachtes Problem" sei, da es praktisch keine legale Einreisemöglichkeiten mehr gäbe.

Als alltagstauglichen Beitrag zu einem konstruktiveren Diskurs empfiehlt die Beratungsstelle daher eine Änderung der Wortwahl auch in den Medien: anstatt von "illegalen Einwanderern" oder "Illegalen" zu sprechen schlägt Bernhart den Begriff "illegalisiert" vor. Dieser betone die Relativität des illegalen oder legalen Aufenthaltsstatus, der sich - je nach Gesetzeslage - jederzeit ändern kann.


Zur Deserteurs- und Flüchtlingsberatung


Die Beratungsstelle wurde in den 90er Jahre ursprünglich ausschließlich für Kriegsdienstverweigerer aus dem ehemaligen Jugoslawien gegründet, daher der Name. Heute finden wöchentlich rund 40 Beratungen statt, mit Flüchtlingen vor allem aus afrikanischen Ländern. 1999 wurde der Beratungsstelle aus einem EU-Fonds (!) die Durchführung einer Kampagne für die Anerkennung der Menschenrechte Illegalisierter bezahlt (Kampagne "Kein Mensch ist illegal")