Mindestens 10 vor allem sehr junge Menschen in Haft +++ Lange Ingewahrsam- nahmen rechtswidrig +++ massive Übergriffe durch Polizei, auch gegen AnwältInnen +++ Gerangel um Kompetenzen zwischen Kavala und Einsatzleitungen
Seit Samstag, 2. Juni 2007 hat es insgesamt mind 322 Ingewahrsamnahmen gegeben: am 2. Juni 182, am 3. Juni 96, davon sind noch zehn Menschen in Haft. Von diesen zehn werden neun in Schnellverfahren noch diese Woche vor dem Landgericht verurteilt werden (Di. u. Mi.). Einer bleibt dauerhaft in Gewahrsam. Sechs von den zehn sind Nicht-Deutsche, die meisten sind sehr jung, um die 20 Jahre alt. Heute, am 4. Juni sind mind. 54 Menschen in Gewahrsam genommen worden. Der Mehrzahl wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen.
Zur Dauer der Ingewahrsamnahmen stellte das Landgericht Rostock gestern in einer Entscheidung fest, dass es sich bei einer Ingewahrsamnahme, die 7,5 Stunden gedauert hatte, schon nach 2:20 Std. um rechtswidrige Freiheitsberaubung gehandelt hatte. Hierzu gibt es auch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der besagt, dass bei Ingewahrsamnahmen umgehend einE RichterIn entscheiden muss und dass möglich sein muss, eineN AnwältIn zu sprechen. In beiden Gefangenensammelstellen (GeSas) in Rostock, in der Ulmen- und in der Industriestraße sind ständig AnwältInnen anwesend, so dass Betroffene eigentlich die Möglichkeit haben müssten, AnwältInnen zu sehen.
Nach dieser Entscheidung vom Sonntag konnte festgestellt werden, dass die die Ingewahrsamnahmen gestern weniger lange dauerten, heute allerdings wieder länger bis teilweise acht Stunden.
In der gesamten Stadt Rostock, vor allem am Hbf., finden Personenkontrollen statt und werden Personen in Gewahrsam genommen, etwa weil sie Taschenmesser mit sich führen. Bei Ingewahrsamnahmen finden massiv Übergriffe der Polizei statt. Verletzten wird die medizinische Versorgung verweigert, stattdessen werden sie direkt in die GeSas gebracht. In einem Fall ist eine Einheit in eine an der Haltestelle stehende Straßenbahn gestürmt, hat alle verprügelt, die schwarze Kleidungsstücke trugen und hat die Bahn sofort wieder verlassen.
Zur Situation am 4.6. in Rostock
Aus Perspektive des Legal Teams stellt sich dar, dass die Polizei die Situation in Rostock aktiv eskaliert. So wurden bspw. vor der AusländerInnenbehörde heute morgen mehrfach RechtsanwältInnen bedroht ("Halt's Maul", oder "Du kriegst was in die Fresse") und in Lichtenhagen geschlagen, mit Festnahmen bedroht und mit Platzverweisen belegt (die wieder zurück genommen werden mussten). Auch AnwältInnen sind körperlich misshandelt worden, eine Anwältin ist gestürzt und hat sich am Arm verletzt. Es werden Festnahmen und Platzverweise angedroht. In einem Fall wurde sowohl AnwältInnen- als auch Personalausweis für 10 Min. einbehalten. Ein belgischer Anwalt befand sich zwei Stunden in einem Kessel. Der RAV führt dies auch darauf zurück, dass ein angebotenes Erörterungsgespräch von der Kavala abgeblockt worden war.
An den Aktionen beteiligte AktivistInnen wurden massiv bedroht. So wurde während der Demonstration nachmittags wörtlich gesagt "Wir werden uns für Samstag rächen, wenn Ihr hier weiter demonstriert" und "Wollt Ihr sterben?" Besonders aggressiv fielen die 23. Einsatzhundertschaft aus Berlin und das USK aus Bayern auf.
Die Demonstration wurde auf Anordnung der Kavala nicht auf der angemeldeten Route in die Innenstadt gelassen, weil die Demonstration nur für 2.000 Personen angemeldet worden und nun viel zu groß sei. Tatsächlich steht in der Anmeldung ca. 5.000 erwartete Personen. Der örtliche Einsatzleiter schätzte die Demonstration als nicht gewalttätig ein und konnte keine Vermummung erkennen. Die Polizei meldete frühzeitig 8.000 Demo-TeilnehmerInnen, Agenturen sogar 10.000, während Demo-TeilnehmerInnen durchgehend von 'mehreren Tausend' oder 'etwa 5.000' sprachen.
Die Versammlungsbehörde hatte der Einsatzleitung vor Ort die Anweisung gegeben, die Demo an der Kreuzung Park-/Dethardingstraße nicht weitergehen zu lassen. Nach längeren Verhandlungen zwischen Demoleitung und Einsatzleitung darüber, ob die Demo auf der geplanten Route weitergehen kann, fand eine spontane Pressekonferenz statt. Hier "remonstrierte" der Einsatzleiter, d.h. er erklärte den Befehl, die Demo nicht weiterlaufen zu lassen für seines Erachtens rechtswidrig und führte ihn nur aus, weil er per Befehl dazu gezwungen war.
Die Demonstrationsleitung löste die Demonstration daraufhin auf und forderte die TeilnehmerInnen auf, in kleinen Gruppen zur Abschlusskundgebung im Stadthafen zu gehen. Die Polizei kündigte an, keine Spontan-Demos zuzulassen. Es bildeten sich schnell größere Gruppen, die alle in derselben Richtung unterwegs waren.
Nele Hirsch (MdB, Die Linke) meldete daraufhin eine Demonstration an, die ruhig Richtung Stadthafen lief.
Es zeichnet sich ab, dass die Kavala sich mit ihren Einschätzungen durchsetzt, auch in Fällen, die von den Einsatzleitungen anders eingeschätzt werden. Hier gibt es ein eindeutiges Kompetenzgerangel. Eine Anwältin dazu: "Die Kavala ist ein Staat im Staate".
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