no-racism.net logo
 
 

[ 31. Oct 2008 ]

Erklärung von Montreuil

Im Rahmen der zweiten regierungsunabhängigen Europa-Afrika Konferenz zu den Themen Migration und Entwicklung am 17. Oktober 2008 in Montreuil, einem Pariser Vorort, trafen sich AktivistInnen und Delegierten von 300 Initiativen und NGOs. Dokumentation der Abschlusserklärung.

 


Communiqué
Montreuil, 17. Oktobre 2008

Des ponts, pas des murs - Brücken, keine Mauern

Wir, AkteurInnen der Zivilgesellschaften aus dem Süden und dem Norden, versammelt in Montreuil in der Folge der ersten Konferenz der euroafrikanischen Nichtregierungsorganisationen 2006 in Rabat, nehmen die folgende Erklärung an:

Für den Respekt des Universalrechts der freien Bewegung (Artikel 13 der allgemeinen Menschenrechtserkärung).

Wir lehnen die Einteilung der Menschheit ab zwischen denen welchen eine freie Bewegung auf dem Planeten erlaubt ist und den andern denen sie untersagt ist. Die Wanderungen sind seit jeher eine menschliche Erscheinung und stellen einen unermesslichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beitrag dar, sowohl für die Länder des Nordens als für die des Südens. Dieser Beitrag, welcher historisch belegt ist, wird in den Schatten gestellt von Sicherheits- und Wirtschaftsimperativen, welche Ausdruck eines generellen Misstrauens und Argwohns gegenüber dem "Fremden" sind, wie es die kürzlich vom Europaparlament angenommene Richtlinie zur Rückkehr belegt.

Die Regierungen des Nordens, mit dem Einverständnis der Regierenden des Südens, tragen eine schwere Verantwortung für die Unordnung der Welt. Die ökologische, wirtschaftliche und finanzielle Weltkrise und ihre logische Konsequenz, die Ernährungskrise, zeigen das Versagen des jetzigen Weltsystems, welches Armut erzeugt und das Ungleichgewicht Nord - Süd verschärft. Es ist wahnwitzig, dass militarisierte Grenzen und Abschiebelager die einzige Antworten sind die man den Migranten bietet.

Diese Radikalisierung und Verkrampfung auf Sicherheitsaspekte sind das Gegenteil der Grundwerten der europäischen Union: Demokratie, Respekt der Menschenrechte und freie Bewegung. Diese können nicht vorenthalten werden unter dem einzigen Vorwand von nicht vorhandenen Dokumenten.

Unser aller persönlichen und kollektiven Freiheiten sind bedroht, wenn die zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der AusländerInnen eingeschränkt werden.

Wanderung und Entwicklung müssen auf den gegenseitigen Interessen der MigrantInnen und der Gesellschaften aus dem Norden und dem Süden beruhen.

Das Recht auf Mobilität ist ein Faktor der Entwicklung und der Reduzierung der Ungleichheiten sowie der Armut sowohl im Süden als auch im Norden. Entwicklungspolitiken sollen also nicht umgemünzt werden zur Beschneidung der freien Bewegung der Personen.

Die Wanderungen schlagen Brücken zwischen den Gesellschaften. Es ist höchste Zeit die Fragen der Migration und der Entwicklung im Lichte der gegenseitigen Interesse zu stellen, denjenigen der MigrantInnen an erster Stelle, der Herkunftsländer, der Transitländer, dann der Ankunftsländern und dies im Einklang mit den internationalen Instrumenten des Schutzes der Menschenrechte.

Wir dürfen die Fragen der Migration nicht allein den Staaten überlassen, in erster Linie den Staaten des Nordens, in einem Kontext wo Wirtschafts- und Finanzkrise die Armut noch zu vergrössern droht und riskiert Fremdenfeindlichkeit sowie Gewalt in den Ankunfts- und Transitländern der MigrantInnen zu nähren.

Wir wollen kein Europa, das als Antwort sich in eine Festung verwandelt und andern seinen "Einwanderungs- und Asylpakt" aufdrängt ohne Absprache weder mit den Ländern des Südens noch mit den jeweiligen Zivilgesellschaften.

Es obliegt uns, Zivilgesellschaften des Nordens und des Südens, gemeinsam andere Migrationspolitiken zu entwickeln und zu verlangen, dass sie auf Gerechtigkeit, Respekt des Rechts und der menschlichen Würde aufgebaut sind.

Wir wollen Brücken, keine Mauern!


Wir fordern:
  • die Anwendung des Artikels 13 der allgemeine Menschenrechtserkärung(1) und einen Schlussstrich unter die Bestrafung der "illegalen" Grenzüberschreitung, die Ratifizierung der internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller MigrantInnen und ihrer Familien in den Herkunfts-, Transit- und Ankunftsländern,
  • den Zugang aller MigrantInnen zu vollen BürgerInnenrechten und sämtliche Bestimmungen welche MigrantInnen betreffen auf die gleichen Rechte aller BürgerInnen zu gründen. Unmittelbar fordern wir eine Gleichstellung mit den EU-BürgerInnen, insbesondere das Wahlrecht für alle EinwohnerInnen,
  • die Absage an die Koppelung von Aufenthalts- und Arbeitsrecht, den Respekt des Rechts auf Privat- und Familienleben und ein autonomes Statut für den jeweiligen PartnerInnen,
  • die Umsetzung des Rechts auf Entwicklung wie es die Erklärung der Vereinten Nationen von 1986 festlegt und die sofortige Annullierung der Schulden der Länder des Südens, welche ohnehin die Milleniumsziele der Entwicklung unerreichbar machen,
  • die Regierungen des Südens auf bi- oder multilaterale Abkommen zu verweigern welche ihre Integrität und Würde verletzen sowie Bedingungen wie insbesonders Wiederzulassungklauseln enthalten,
  • den Stopp der Militarisierung der afrikanischen Grenzen durch die Europäische Union,
  • die Freiheit der Wahl und des Zugangs eines Landes für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge (Ablehnung der "Dublín"-Bestimmungen und der Liste der sicheren Länder) und den Verzicht auf die Externalisierung der Asylprozeduren,
  • eine extensive Auslegung des Begriffs des Flüchtlings, worin die Opfer der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Rechte einbegriffen sind, als auch die kollektiven Verfolgungen,
  • bis zur Schliessung aller Abschiebelager, das Verbot AsylbewerberInnen einzusperren sowie unabhängige Instanzen zur Kontrolle dieser Einrichtungen,
  • den Schutz der Frauen welche Opfer irgendeiner Gewalt sind,
  • eine echte Sichtbarkeit der Aktionen der MigrantInnen in den Herkunfts-, Transit- und Ankunftsländern in den nationalen und internationalen Gremien,
  • ein bedingungsloser Schutz der minderjährigen MigrantInnen insbesondere Verbot sie einzusperren oder auszuweisen, der Respekt und das Recht auf Ausbildung und Erziehung sowie die Regularisierung der jungen Grossjährigen.






Anmerkung:
(1) Artikel 13 der allgemeinen Menschenrechtserklärung:
1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.