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[ 12. Dec 2008 ]

Dessau-Roßlau: Freispruch für Polizisten

Gegen Polizeigewalt und staatlichen Rassismus, Foto von Björn Kietzmann

Fast drei Jahre nachdem Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Sachsen-Anhalt verbrannte, sind die beiden angeklagten Polizisten am 08. Dez 2008 freigesprochen worden. Ihnen sei keine Mitschuld am Tod des Mannes aus Sierra Leone im Januar 2005 nachzuweisen, urteilte das Landgericht Dessau-Roßlau heute, daraufhin kam es zu Tumulten im Gerichtssaal.

 


Seltsame Entwicklungen kurz vor Schluss


Zwei Prozesstage wurden ohne Begründung abgesagt, hinter vorgehaltener Hand war :: von einem bevorstehenden Deal die Rede, das Verfahren wird nach nahezu 60 Verhandlungstagen eingestellt. Dass Prozess, der März 2007, gut zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod bagann, ist nur dem immensen öffentlichen Druck zu verdanken, den Freunde des Opfers und Menschenrechtsgruppen ausübten. In ganz Deutschland gab es Solidaritätsinformationsveranstaltungen um Aufklärung zu schaffen. Kritiker bezweifelten stets die offizielle Polizeiversion, dass sich der 36-Jährige in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 2005 in einer Ausnüchterungszelle selbst verbrannt habe. Pro Asyl spricht von institutionellem Rassismus bei deutschen Ordnungshütern (:: siehe TAZ-Bericht).


Tumulte und Proteste vor und im Gerichtssaal


In der Urteilsbegründung nach rund einstündiger Unterbrechung sagte der Richter, das Gesamtgeschehen habe nicht ausreichend erhellt werden können. Zeugenaussagen seien teils widersprüchlich gewesen. Nach der Verkündung des Urteils brach im Gerichtssaal ein Tumult aus. Wütende Zuhörer stürmten auf den Vorsitzenden Richter Manfred Steinhoff zu und beschimpften ihn als Lügner. (Eine andere Darstellung zum Entstehen der Tumulte im Gerichtssaal findet sich im Bericht :: Systematisch: Keine Aufklärung des Todes von Oury Jalloh.) Die Polizei griff ein und verwies die empörten Menschen aus dem Saal. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Mitglieder einer Initiative zum Gedenken an den Toten und skandierten Rufe wie "Dieses Urteil ist eine Schande" und "Menschenrechte gelten nichts mehr in Deutschland." Richter Steinhoff trat geschützt von Polizisten vor das Gericht, um die Menge zu beruhigen, was ihm jedoch zunächst nicht gelang.


...sich selbst angezündet, obwohl gefesselt


Oury Jalloh starb im Januar 2005 bei einem Brand in der Zelle. Todesursache war laut Gutachtern ein Hitzeschock. Der 23-jährige Mann soll das Feuer selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben, obwohl er gefesselt war. Der Fall sorgte im In- und Ausland für Aufsehen sowie für heftige Kritik von Menschenrechtlern. Der Prozess gegen die beiden Polizisten im Alter von heute 46 und 48 Jahren dauerte 22 Monate. Der Tod Jallohs hatte in Deutschland und auch international für großes Aufsehen gesorgt und Proteste ausgelöst. Der Asylbewerber war am 7. Januar 2005 festgenommen worden, weil sich zwei Frauen von dem alkoholisierten Mann belästigt fühlten. Weil Jalloh sich den Beamten nach deren Angaben widersetzte, wurde er an die Pritsche in der Gewahrsamzelle gefesselt.


Sachverhalt nicht mehr aufklärbar?


Oberstaatsanwalt Christian Preissner forderte in seinem Plädoyer am Montag für den damaligen Dienstgruppenführer der Polizei eine Geldstrafe von 4800 Euro wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Jalloh könne möglicherweise noch leben, wenn der Beamte richtig auf den Rauchalarm reagiert und einen Feuerlöscher zur Zelle mitgenommen hätte. Für den zweiten Polizisten, der laut der ursprünglichen Anklage bei der Durchsuchung Jallohs ein Feuerzeug übersehen haben soll, forderte Preissner Freispruch aus Mangel an Beweisen. Die Verteidigung plädierte für beide Angeklagten auf Freispruch. Die Nebenkläger kritisierten in ihren Plädoyers die Ermittlungsbehörden scharf. "Es wurde hier so viel vertuscht, soviel verpfuscht, dass sich der Sachverhalt nicht mehr aufklären lässt, obwohl ein Mensch zu Tode kam", sagte Rechtsanwältin Regina Götz, welche die Mutter des Opfers vertritt. In der Urteilsbegründung nach rund einstündiger Unterbrechung sagte der Richter, das Gesamtgeschehen habe nicht ausreichend erhellt werden können. Zeugenaussagen seien teils widersprüchlich gewesen. MDR erstellte ein :: Feature zu dem Prozess mit einigen O-Tonaufnahmen.


Film erhält Deutschen Menschenrechts-Filmpreis


Erst am 06.12.08 hatte Filmemacher Simon Jaikiriuma Paetau den Deutschen Menschenrechts-Filmpreis bekommen. Er hatte diesen Fall in seinem Film "Oury Jalloh" verarbeitet. Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte wurde er dafür ausgezeichnet (:: siehe zeit.de). Im Anschluss dieses Artikels folgt ein Telefoninterview von Radiocorax, das mit einem Mitglied der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh sprach, welches sich gerade vor Ort bei der Gerichtsverhandlung gegen zwei beteiligte Polizisten befand.

Link zum Interview: http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=25333

Quelle :: de.indymedia.org vom 08.12.2008