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[ 03. Mar 2009 ]

Stoppt die Gewalt in Ungarn!

Demonstration in Solidarität mit den ermordeten ungarischen Roma. Donnerstag, 05.03.2009, 17 Uhr, Start vor dem Parlament, 1010 Wien, Demonstration über OSZE zur ungarischen Botschaft. Schwarze Kleidung und Kerzen erwünscht. - In den vergangenen zwei Jahren gab es 54 Angriffe auf die Volksgruppe der Roma in Ungarn, dabei wurden sieben Menschen getötet.

 

In Ungarn sind in der Ortschaft Tatarszentgyörgy in der Nacht auf Montag, 23.02.2009, erneut zwei Angehörige der Volksgruppe der Roma ermordet worden. Ein Mann und sein kleiner Sohn wurden erschossen, als sie aus ihrem brennenden Haus flüchteten. Das Attentat steht in einer Reihe mit mehreren tödlichen Übergriffen gegen Angehörige der Minderheit, die sich seit der Gründung der "Ungarischen Garde" gehäuft haben.

Der 27-Jährige und sein fünfjähriger Sohn hatten keine Chance. Ihr Haus brannte, sie retteten sich ins Freie und liefen ins Visier von Unbekannten, die sofort zu schiessen begannen. Vater und Sohn waren tot, zwei Kinder, die offenbar im brennenden Haus geblieben waren, wurden verletzt. So dürr sind die Informationen, die über den Mordanschlag verfügbar sind. Die Polizei schliesst nicht aus, dass ein technisches Gebrechen das Feuer ausgelöst hat. VertreterInnen der Roma, die etwa ein Viertel der Bevölkerung der Kleinstadt südöstlich von Budapest stellen, sprechen von Brandstiftung. Angesichts der jüngsten Gewaltakte gegen Roma in Ungarn erscheint diese Theorie nicht unberechtigt. Seit Anfang 2008 sind sechs Roma Opfer von rassistischen Übergriffen geworden, die Opfer von Tatarszentgyoergy eingerechnet. Die Grausamkeit, ein Haus anzuzuenden, um die Bewohner erschiessen zu können, wenn sie sich retten wollen, trauen nicht nur Roma-VertreterInnen den ungarischen Rechtsextremisten zu. Im November warfen vermutlich Rechtsextremisten eine Handgranate in ein Haus, das von einer Roma-Familie bewohnt wurde. Die Splitter zerfetzten einen 38-jährigen Mann und seine 31-jährige Frau. Die Kinder überlebten. Sie schliefen im Nebenzimmer. Die Mörder sind bis heute nicht ausgeforscht worden. Auch beim jüngsten Mordanschlag ist laut vorliegenden Informationen keine Rede von Verdächtigen.

Gewalttätige Attacken gegen Angehörige der Roma-Minderheit mit etwa 600.000 Mitgliedern in Ungarn gehören seit beinahe zwei Jahren zum Alltag. Die rassistischen Übergriffe haben sich gehäuft, seitdem die so genannte "Ungarische Garde" gegründet wurde, der paramilitärische Fluegel der Jobbik-Partei. Diese bestreitet freilich, dass die "Garde" mit ihren Uniformen, die denen der faschistischen Pfeilkreuzler nachempfunden sind, etwas anderes sei als eine Paradeformation mit angeschlossenen sportlichen Übungen. Die Mitglieder der "Garde" provozieren regelmaessig Roma und schüchtern sie ein. Mehrfach sind sie durch Roma-Viertel marschiert, im Dezember 2007 auch durch Tatarszentgyoergy. Alles Zufall, glaubt man der Jobbik-Partei. Siever weist viel lieber auf Akte von "Zigeuner-Gewalt", wie es im Jargon der Rechtsradikalen heisst. Seit 12 Tagen kampagnisieren die ungarischen Rechten gegen mehrere Roma, die einen Handballspieler in Veszprem in Westungarn getötet haben sollen. Laut Medienberichten dürfte eine Wirtshausschlägerei ausser Kontrolle geraten sein. Die Verdächtigen sollen den Handballspieler erstochen und einem Teamkollegen schwere Stichverletzungen zugefügt haben. Seitdem bekannt wurde, dass die Verdächtigen Roma mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität sein sollen, dominiert der Zwischenfall die Chronik-Berichterstattung ungarischer Zeitungen, die der Rechten nahestehen - und hasserfüllte Internetblogs. Indirekt wird der Eindruck erweckt, der Tod des Handballspielers sei die Legitimation für den Doppelmord von Tatarszentgyoergy.

Dass die "Garde" mittlerweile von einem Gericht verboten wurde, stört die Parteiführung nicht. Ihre Paramilitärs marschieren weiter. Erst vor kurzem verhinderte die Formation eine Homosexuellen-Parade in Budapest. Weitgehend ungehindert von den Behörden. Diese scheinen teilweise überfordert zu sein, teilweise, so vermuten BeobachterInnen, sympathisierten sie mit der "Garde".

Auch abseits der Politik tun sich "Garde"-Mitglieder mit Gewalttätigkeiten und offenen Drohungen hervor. Einige Mitglieder arbeiten für einen privaten Sicherheitsdienst, der der "Jobbik" nahestehen soll. Gegen mehrere Mitarbeiter, die auch bei der "Garde" sind, wird wegen Körperverletzung ermittelt.

Die Gewalt gegen Roma hat andere Minderheiten auf den Plan gerufen. Jüdische Organisationen fordern ein Gesetz zum Schutz vor Rassismus. Das gibt es in Ungarn offenbar nicht. Stattdessen kündigte der sozialistische Premierminister Ferenc Gyurcsany an, mehr PolizistenInnen ausbilden zu lassen. Als Reaktion auf den Mord von Veszprem. Davon, dass die ungarischen Roma offenkundig eines besseren Schutzes bedürfen, war nicht die Rede.

Der Text erschien zuerst am 01.03.2009 auf at.indymedia.org, bearbeitet von no-racism.net