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[ 12. Feb 2010 ]

Flüchtlinge schützen, Asylrecht verteidigen

16. Wiener Flüchtlingsball am 12. Februar 2010 im Rathaus

Am 12. Feb 2010 ist der 16. Wiener Flüchtlings- ball. Im Rahmen einer Presse- konferenz am Tag davor wurde auf den "ersten Hintergrund" hingewiesen. Der Auftanz zum Ball findet heuer vor dem Innenministerium statt. Aussendung vom Integrationshaus.

 

Nach jahrelanger Diskreditierung von Flüchtlingen scheint jede Hemmschwelle beim Einsperren von AsylwerberInnen gefallen. Der Schutzgedanke, der eigentlich Grundgedanke eines jeden Asylsystems ist, wird verdrängt. Der Rechtsschutz wurde schon durch die vergangenen Novellierungen ausgehöhlt und die höchstgerichtliche Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Einzelverfahren ausgeschaltet. Seit Jahresbeginn kann bereits geringfügiges Fehlverhalten wie das Versäumen eines polizeilichen Meldetermins oder die Anwesenheit außerhalb des Bezirks im Zulassungsverfahren mit Schubhaft sanktioniert werden. Die von der Innenministerin selbstinszenierte Stimmung in Eberau nimmt sie nun zum Anlass, um einen weiteren verfassungswidrigen Gesetzesvorschlag zur "Anwesenheitspflicht" für AsylwerberInnen vorzulegen.

Willi Resetarits, Initiator und Ehrenobmann des Integrationshauses fordert: "Der gesamte Integrations- und Flüchtlingsbereich muss raus aus dem Innenministerium. Er gehört in ein eigenes Staatssekretariat im Bundeskanzleramt und nicht zu einer Innenministerin, die alle Schutzsuchenden allein auf Grund der Tatsache, dass sie einen Asylantrag gestellt haben, einsperren möchte."

Als Vorsitzende von SOS-Mitmensch erwartet sich die Asyl- und Menschenrechtsanwältin Nadja Lorenz eine ebenso hohe Präsenz wie am Ball gegen die in der Öffentlichkeit immer härter zur Schau gestellte Ablehnung von Flüchtlingen, überhaupt alles Fremden, durch maßgebliche PolitikerInnen. "Die letzten Jahre erscheinen als atemloser Wettlauf um die WählerInnnengunst auf Kosten einer zusehends rechtloseren Minderheit. Im Asylbereich erleben wir nunmehr bereits im Jahresrhythmus umfassende Novellierungen, immer und immer wieder, um dem angeblich allgegenwärtigen Missbrauch des Asylrechts Einhalt zu gebieten sowie die angeblich ansteigende Kriminalitätsrate unter Asylsuchenden einzudämmen. Regelmäßig bleibt die Innenministerin auf Anfragen das Zahlenmaterial, welches die "gefühlten" Entwicklungen belegen könnte, schuldig. Es reicht, zu behaupten."

Tatsache ist, dass der öffentliche Diskurs (s.o.) die Hemmschwelle immer stärker herabgesenkt hat. Klar verfassungswidrige Gesetzesvorhaben werden breit diskutiert. Worüber nicht geredet wird, ist, was aus Sicht der Rechtsanwältin wirklich im Argen liegt. Die Asylverfahren dauern dauern dauern. Nicht Monate, sondern Jahre.

"Wir brauchen keine Sonderbestimmungen, Sondergerichte und Sonderbehandlung von Flüchtlingen, sondern rechtsstaatliche faire Verfahren in angemessener Zeit. Dafür wird von den jeweilig zuständigen InnenministerInnen seit vielen Jahren nichts getan" stellt Nadja Lorenz abschließend fest.

Andrea Eraslan-Weninger, die Geschäftsführerin des Integrationshauses, berichtet, dass im Integrationshaus tagtäglich viele hunderte AsylwerberInnen und Flüchtlinge betreut werden. Mehr als 70 professionelle MitarbeiterInnen, die 40 verschiedene Sprachen sprechen, bieten Rechtsberatung, psychosoziale und psychologische Beratung, Betreuung und verschiedene Bildungsmaßnahmen an. Pro Jahr werden an die 3000 Menschen in den Projekten unterstützt. Die Arbeit im Integrationshaus funktioniert gut, da sie sich an den Bedürfnissen der Flüchtlinge orientiert und mehrsprachige, rechtliche Beratung, Information und Betreuung anbietet. Ein offenes Haus mit einer breiten Unterstützung der Zivilbevölkerung. Im Integrationshaus kommt es so gut wie nie vor, dass AsylwerberInnen plötzlich untertauchen, da es in der Regel ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen AsylwerberInnen und BetreuerInnen gibt.

Der von Innenministerin Fekter an die SPÖ übergebene Begutachtungsentwurf, der vorsieht, AsylwerberInnen in der Erstaufnahmestelle einzusperren, um ein sogenanntes "Untertauchen" zu verhindern, ist weder mit der Verfassung noch mit der Menschenrechtskonvention vereinbar. "Betroffen davon sind AsylwerberInnen aller Altersstufen vom Kleinkind bis zur alten Oma, die nichts anderes verbrochen haben, als einen Asylantrag zu stellen. Schutzsuchende hätten in dieser Zeit keine Möglichkeit mehr, die soziale und rechtliche Beratung von unabhängigen NGOs aufzusuchen oder psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ohne Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung können AsylwerberInnen aber auch negative Entscheidungen im Asylverfahren nicht mehr bekämpfen. Dieser Isolation von AsylwerberInnen muss entschieden entgegengetreten werden", so Andrea Eraslan-Weninger.

Andrea Eraslan-Weninger sieht keinen Bedarf für ein 3. Erstaufnahmezentrum, sondern fordert mehr Humanität bei der Zulassung des Asylverfahrens und eine raschere Zuweisung von der Erstaufnahmestelle in die Landesbetreuung bzw. in weitere Bundesbetreuungsstellen. "Schutzsuchende brauchen faire und menschenwürdige Aufnahmebedingungen. Dazu braucht es ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren, unabhängige Rechtsberatung, eine Erhöhung der Tag- und Richtsätze in der Grundversorgung, um ausreichende Versorgung und ein differenziertes Beratungs- und Betreuungssystem sicher zu stellen. Es wäre auch wichtig, AsylwerberInnen endlich einen Arbeitsmarktzugang zu ermöglichen und ausreichende Förderungen für integrative Maßnahmen zur Verfügung zu stellen."

Der Kabarettist Thomas Maurer zum Thema "Ausländerproblematik": "Verfolgt man die allmähliche Erosion der ehemaligen Großparteien seit 1986 und setzt man dazu in Beziehung, wie sich diese seither sowohl die "Ausländerproblematik" als Hauptthema auf's Aug drücken als auch den atmosphärischen Umgang damit diktieren haben lassen, dann muss man festhalten: Aus Schaden wird man offenbar dumm. Zweieinhalb Jahrzehnte des patscherten Versuches, noch grausigere Asyl- und Fremdenpolitik zu machen, als sich Boulevard und FPÖ dies zunächst überhaupt hätten träumen lassen, waren eben auch zweieinhalb Jahrzehnte des Davonbröckelns der Wählerbasis und des Verlusts jeder moralischen Autorität. Und so steht man jetzt halt deppert da, als ehemalige Großpartei. Und macht stur genau so weiter. Weil Konsequenz ist eine Tugend. Und Hirn offenbar nicht."

Lotte Tobisch, Präsidentin des Vereins "Künstler helfen Künstlern" und langjährige Ehrenschützerin des Flüchtlingsballs: "Bei allen Kulturvölkern unserer Erde und in allen Religionen ist es eine heilige Pflicht, Flüchtlingen Obdach und Hilfe zu gewähren, damit sie wieder Fuß fassen und Kraft schöpfen können für ihr weiteres Leben. Jeder anständige Mensch hat das seine zur Lösung dieser Problematik beizutragen. Das ist nicht nur eine Frage des Anstands, sondern ein Gebot der Menschlichkeit!"

Am 12. Februar findet nun bereits zum 16. Mal der Wiener Flüchtlingsball, veranstaltet vom Integrationshaus, statt. Die Veranstaltung dient nicht nur dazu, Geld für die Arbeit des Integrationshauses einzuspielen, sondern soll auch dazu genutzt werden, auf die aktuelle politische Situation aufmerksam zu machen.

Der Zug in der Asyl- und Fremdenpolitik fährt aber leider in die falsche Richtung. Den müssen wir aufhalten! Daher laden zahlreiche Organisationen wie SOS Mitmensch, Integrationshaus, asylkoordination österreich, Diakonie und viele andere am 12.2.2010 um 19:30 Uhr, kurz vor Beginn des Flüchtlingsballs, zum Auftanz vor das Innenministerium und verlangen: Keine Inhaftierung und Isolation von Asylsuchenden, ein echtes Bleiberechtsgesetz, Bleiberecht für Arigona und einen Kurswechsel in der Fremdenpolitik.

:: Presseaussendung Integrationshaus vom 11. Feb 2010