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[ 27. Dec 2000 ]

Prozess gegen Anthony Onyeij in Klosterneuburg

Kurzbericht, Resultate und Einschätzung

 

ALLGEMEINES:

Die Polizei wertete Anthonys Abschiebung wurde von vorn herein (zumindest seit Freitag) als "Problemabschiebung".

"Problemabschiebungen" werden von der WEGA durchgeführt. Abschiebungen werden prinzipiell nur abgebrochen, wenn der KapitÀn des Flugzeuges den Transport unter Berufung auf die Flugsicherheit ablehnt.

In diesem Fall werden die betroffenen Menschen durch einen Kriminalbeamten der BPD Schwechat der Staatsanwaltschaft Korneuburg zur Anzeige gebracht.

Am Landesgericht Korneuburg werden anscheinend jede Woche mehrere Menschen wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" bei Abschiebeversuchen zu teilweise horrenden Freiheitsstrafen (z.B. ein Jahr unbedingt) verurteilt.


VERLAUF:

Vernehmung Anthony
Anthony hat sich nicht schuldig bekannt, er hat vor dem Einstieg ins Flugzeug gegen seine Abschiebung protestiert, daraufhin haben sich 2 WEGAs auf ihn gesTürzt, ihn geschlagen und zu Boden geworfen. Er hat vor Schmerz und Schreck geschrien. Alle 4 anwesenden WEGAS waren über ihm
und haben ihm Handschellen angelegt.

Vernehmung der "Zeugen" (5 Polizisten):
Bis auf einen, der nicht einmal am "Tatort" war, behaupteten alle mehr oder weniger gleichlautend, dass Anthony geschrien, um sich geschlagen und getreten haben soll. Am Boden liegend soll er einem WEGA in die Jacke gebissen haben...


ANTRAEGE:

Der Staatsanwalt beantragt im Fall einer Verurteilung den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (insg. 8 Monate).

Der Verteidiger beantragt die Ausforschung und ZeugInneneinvernahme der Stewardess, des Stage Managers und des KapitÀns, die den Vorfall gesehen haben.

Der Verteidiger beantragt die Enthaftung, da Anthony bereits 13 Monate unschuldig in Haft war (verhältnismäßigkeit) und da er eine gesicherte WohnMöglichkeit hat. Der Statsanwalt widerspricht mit dem Verweis auf seinen Antrag auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht von 8 Monaten und verweist auf den Haftgrund "Tatbegehungsgefahr".


BESCHLUESSE:
- Rückleitung des Verfahrens an den U-Richter zur Ausforschung und Vernehmung der KLM-Crewmitglieder

- Fortsetzung der U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr, da Anthony nach seiner Enthaftung wieder abgeschoben werden müsste, und dabei wieder "Widerstand gegen die Staatsgewalt" leisten könnte. Ausserdem sei die Dauer der U-Haft (mittlerweile 14 Monate!) nicht unverhältnismässig, da
Anthony bei einer Verurteilung der Widerruf seiner bedingten Strafnachsicht von 8 Monaten drohe sowie "zumal ich letzte Woche einen Angeklagten wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu einem Jahr unbedingt verurteilt habe." (Zitat Richter Hohenecker)


EINSCHAETZUNG:

Positiv anzumerken ist, dass sich das Verhalten von Richter Hohenecker zumindest in diesem Fall wesentlich gebessert hat. Während der Verhandlung war von seiner sattsam bekannten Arroganz und Selbstherrlichkeit fast nichts zu merken. Eventuelle Rückschlüsse auf ein zu erwartendes Urteil dürfen daraus
jedoch keinesfalls gezogen werden! Auch die Polizisten bemühten sich sichtlich, als "nette Menschenfreunde" aufzutreten.

Die Rückleitung ins Stadium der Voruntersuchung ist ein normaler Vorgang, da die Namen der KLM-Crew nicht bekannt sind. Es bedeutet aber, dass Anthony im Moment kaum Chancen hat, enthaftet zu werden. Es wird jedenfalls interessant, wie lange diese neuerliche Voruntersuchung dauern wird...

Das wichtigste ist, dass anscheinend seit längerer Zeit im Landesgericht Korneuburg Menschen wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" bei Abschiebungen verurteilt werden. Uns st nicht bekannt, wie und vor allem wie fair diese Prozesse ablaufen. Eine eingehendere Befassung mit den Vorgängen am Flughafen und in Korneuburg erscheint jedenfalls dringend notwendig.

Weiters ist die Praxis, Menschen, die nicht abgeschoben werden können (und sei es nur weil sie schreien) sofort wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" zur Anzeige zu bringen, mehr als bedenklich. (Ein Polizist sagte aus, dass Abschiebungen nur abgebrochen werden, wenn der Pilot den Transport erweigert!)
Angenommen, ein Mensch soll unrechtmässig abgeschoben werden. Dieser Mensch protestiert am Flughafen laut dagegen, wird daraufhin wegen "Widerstand" verurteilt und bekommt auf Grundlage dieser Verurteilung ein Aufenthaltsverbot, dass wiederum eine "rechtmässige" Abschiebung ermöglicht...


WEITERE NOTWENDIGE AKTIVITAETEN:

- Wir brauchen noch immer dringend Geld für Anthony und die anderen Gefangenen des Staatsrassismus. Spendenkonto: BAWAG, BLZ 14000, Kontonr.: 05410-668-507 lautend auf: Verein Gemeinsam gegen Rassismus!
- Die Kampagne "Gerechtigkeit für Anthony" wird mit geeigneten Mitteln weiter in die Öffentlichkeit getragen.
- Die Praxis, erfolglose Abschiebeversuche mit Gerichts verfahren wegen "Widerstand" zu beantworten, muss massiv bekämpft werden. Dazu laden wir alle im Bereich Flüchtlinge und Abschiebungen tätigen Menschen und Organisationen zur Zusammenarbeit ein. Weiters sind gute Ideen dazu dringend gefragt!
- Wir suchen Menschen, die die Vorgänge im Landesgericht Korneuburg beobachten und wenn nötig öffentlich machen. D.h.: Gefangene besuchen, Prozesse beobachten,...

Gemeinsam gegen Rassismus!
United Against Racism!