PRO ASYL und medico international fordern eine koordinierte europäische Flüchtlings- initiative angesichts der anhaltenden Gewalt in Libyen.
Die Situation von Flüchtenden in Libyen und den Nachbarstaaten spitzt sich dramatisch zu. Die internationale Nothilfe läuft langsam an. Auch Deutschland leistet finanzielle Unterstützung, um die Erstversorgung der Fliehenden zu gewährleisten und unterstützt Evakuierungsmaßnahmen aus dem tunesisch-libyschen Grenzgebiet. Aus Sicht von PRO ASYL und medico international müssen zusätzlich Maßnahmen ergriffen werden, wenn Europa angesichts des Flüchtlingsdramas in Libyen und den Nachbarstaaten solidarisch im Sinne des Flüchtlingsschutzes, der Menschenrechte und der Menschlichkeit handeln will.
UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres appellierte am 1. März 2011 "an alle Nachbarregierungen in Nordafrika und Europa, die Grenzen über Land, Luft oder See offen zu halten für Menschen, die aus Libyen fliehen müssen. Alle Menschen, die Libyen verlassen, sollten ohne jegliche Diskriminierung und ungeachtet ihrer Herkunft Unterstützung erhalten."
PRO ASYL und medico international fordern die Bundesregierung auf, alles zu unternehmen, damit Deutschland und Europa dem Appell des UNHCR nachkommen. Es ist Ausdruck einer dringend gebotenen unteilbaren Menschlichkeit, allen, die aus Libyen fliehen, solidarisch und schützend zur Seite zu stehen:
Bedrohte Flüchtlinge aus Libyen evakuieren:
PRO ASYL und medico international sind in großer Sorge um Leib und Leben Tausender in Libyen gestrandeter Transitflüchtlinge und Migranten, die aus den Krisenländern Afrikas wie Eritrea, Somalia und Tschad, aber auch aus den südlicheren Ländern Afrikas und aus Asien stammen und nun zwischen die Fronten geraten. Ohnehin schlecht versorgt, sind sie nun erhöhten Gefahren ausgesetzt, weil sie mit jenen sub-saharischen Militäreinheiten verwechselt werden, die das Gaddafi-Regime offenbar zur Bekämpfung der Aufstandsbewegung einsetzt.
In einem dramatischen Appell hat der katholische Bischof von Tripolis, Giovanni Innocenzo Martinelli, am 2. März 2011 auf das Schicksal von über 2.000 in Tripolis festsitzenden eritreischen Flüchtlingen hingewiesen. Er forderte die sofortige Evakuierung und Aufnahme dieser schutzlosen Menschen in Europa. Ähnlich äußerte sich Antonio Guterres bezogen auf die über 11.000 von UNHCR registrierten Flüchtlinge aus Drittstaaten. Er forderte ein "emergency resettlement". Diese Flüchtlinge haben bis jetzt keine Lobby, sie drohen bei den Evakuierungsplänen schlicht übergangen zu werden. Die EU muss diese in Libyen registrierten Flüchtlinge retten, evakuieren und in Europa aufnehmen. Deutschland sollte - ähnlich wie im Falle der irakischen Flüchtlinge - großzügig seinen Teil dazu beitragen.
Keine Zurückweisung von Bootsflüchtlingen:
PRO ASYL und medico international befürchten, dass im Zuge des Einsatzes der europäischen Grenzschutzagentur im Mittelmeer auch Frontex-Verbände in Menschenrechtsverletzungen involviert werden. Der Einsatz findet unter der Ägide von Italien statt. Die Regierung Berlusconi hat im Zuge ihrer Push-back-Politik nach Libyen tausendfach gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Die EU muss sicherstellen, dass Bootsflüchtlingen nicht zurückgewiesen oder abgedrängt werden. Die Menschenrechte gelten an der EU-Grenze, vor der Grenze, in internationalen Gewässern und auch in den Gewässern von Drittstaaten. Bootsflüchtlinge haben das Recht auf eine menschenwürdige Aufnahme in einem sicheren europäischen Hafen und auf ein rechtstaatliches Asylverfahren.
Solidarische und menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen vorbereiten:
Trotz einer bis jetzt relativ geringen Zahl von Bootsankünften in Italien müssen Deutschland und Europa die solidarische und menschenwürdige Aufnahme von Bootsflüchtlingen in Europa vorbereiten. Im Falle einer verstärkten Fluchtbewegung aus Libyen oder anderen nordafrikanischen Staaten sollte eine EU-weite Verteilung der Neukommenden nach humanitären Kriterien erfolgen. Europa verfügt über die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz. Das darin verankerte Prinzip der "doppelten Freiwilligkeit" - Schutzsuchender und Aufnahmestaat stimmen zu - ist ein Instrument, mit dem eine solidarische Aufnahme gewährleistet werden kann.
Nachbarstaaten unterstützen:
Tunesien und Ägypten müssen jede erdenkliche Hilfe erhalten. Es ist bewundernswert, wie Demokratiebewegung und Bevölkerung sich für die notleidenden Migranten und Flüchtlinge in den jeweiligen Grenzregionen einsetzen. Europa kann nur dann Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen zurückgewinnen, wenn die jetzt erhobenen Forderungen nach Regimewechsel und Demokratisierung einhergehen mit einer grundlegenden Revision der europäischen Kooperationspolitik mit den nordafrikanischen Staaten. Demokratie und Menschenrechte müssen im Zentrum einer künftigen Neuausrichtung einer Euro-Mediterranen-Partnerschaft stehen.
Quelle :: proasyl.de