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[ 11. Aug 2011 ]

Drogen, Polizei, Rassismus - Der Standard und die 'objektive' Hetze

Dieser Artikel beschäftigt sich mit einem unkritischen Bericht über den vor- bzw. vergeblichen Kampf gegen Drogen. Der Reporter brach für den Standard auf, um die Polizei bei der Arbeit zu begleiten und in der Folge den staatlichen Rassismus auf Papier zu verfestigen.

 

    "Der Standard beleuchtet in einer losen Artikelfolge das Thema illegaler Drogen - aus der Sicht von Beteiligten wie Drogenhändlern, Abhängigen, Hinterbliebenen und Vertretern der Suchthilfe".
Das steht am Ende des Beitrages auf Seite 9 in der Ausgabe vom 3. August 2011. Vergessen wurde wohl anzuführen, dass im vorliegenden Beitrag lediglich die Sicht der Polizei dargestellt wird; und die ist bekannt rassistisch. Doch wird dies in keinem einzigen Wort erwähnt. So als handle es sich um einen Tatsachenbericht, werden Polizist_innen - wie schon von vielen anderen Zeitungen zuvor - begleitet und ihre "Erfahrungen" geschildert. Ganz emotionslos. So wie es ist? Oder so wie es sich die vom Staat bezahlten Schergen gerne ausmalen?

Dabei genießen die Polizist_innen Anonymität, denn sie würden einen gefährlichen Job ausüben. Fast schon müsste mensch Mitleid haben mit der schwerst bewaffneten Kibarei, die sich mit ihren "großen Erfolgen" im Krieg gegen den Straßenhandel mit Drogen brüstet:
    Fast 9000 Verdächtige Dealer hat die Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität bisher festgenommen. Dass man den Kampf gegen Drogen nicht gewinnen wird, weiß man trotzdem."

So lautet die Einleitung des Artikels. Klingt trotz der "Erfolgsmeldungen" fast schon ernüchternd. Doch was Michael Möseneder in der Folge beschreibt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Aufeinanderreihung rassistischer Stereotype, wenngleich sich auch eine Veränderung der polizeilichen Behauptungen erkennen lässt.

Spätestens Mitte der 1990er Jahre, als die rassistischen Razzien unter dem Vorwand der Bekämpfung des Drogenhandels immer mehr wurden, machte immer öfter das Konstrukt einer international agierenden Drogenmafia die Runde. Spätestens seit den Enthüllungen polizeilicher Methoden rund um die "Operation Spring" ist bekannt, wie die Beamt_innen vorgehen - und dass ihnen offenbar nichts zu blöd ist, um ihre rassistische Weltanschauung immer wieder aufs Neue wiederzukauen. Da nutzen auch die unzähligen "Anti(?)Rassismustraining" nichts, da hilft keine bessere Schulung und auch keine Sensibilisierung wie sie der Verein "Fair und Sensibel. Afrikaner_innen und Polizei" betreibt, während vom Chef dieser Organisation selbst immer wieder rassistische Rülpser zu vernehmen sind. Immer mit dem Zusatz, dies sei nicht rassistisch.

Doch blicken wir nun ein wenig in den hier behandelten Artikel: Die Hauptaufgabe der beiden 2003 gegründeten Drogengruppen der Einsatzgruppe sei es, auf dem Straßen der Bundeshauptstadt Dealer[_innen] festzunehmen. Trotz Tausender Festnahmen werde immer noch auf der Straße gedealt, berichtet einer der Gründer_innen der Drogengruppe der Wiener Polizei, Wolfgang Preiszler, ernüchternd. Doch hilft sich der wohl rethorisch geschulte Drogen-Polizist mit schönen Worten:
    Man muss Erfolge anders definieren: Wir konnten verhindern, das weiterhin ungeniert tagsüber gedealt wird. Aber man muss natürlich Realist bleiben: Dass wir nicht gewinnen werden, ist uns bewusst."

Was will die Polizei auch gewinnen? Sie betreibt seit Jahren eine rassistische Hetzjagd, im Zuge derer unzählige Menschen verhaftet und unter Anwendung mehr als fragwürdiger Methoden ins Gefängnis wanderten. Um ihr Vorgehen rechtlich legitimieren zu können, bekam die Polizei massive Hilfe von der Politik, die ständig neue Gesetze erließ und den Beamt_innen unvorstellbare Mittel und Instrumente zur Verfügung stellte (wie "Großer Lauschangriff", Einsatz von "Verdeckten Ermittler_innen" und "Vertrauenspersonen", "Anwerbung" von Drogenuser_innen, denen Strafreduktion angeboten wird, damit sie vor Gericht zweifelhafte Aussagen machen, ...). Dass es sich bei vielen der groß angelegten Razzien der letzten Jahre um Kontrollen im Rahmen der Schengener Ausgleichsmaßnahmen und damit um Grenzkontrollen im Landesinneren handelte, ist nur ein Aspekt, der auf die rassistische Dimension der polizeilichen Drogenverfolgung hinweist.

Die Ungeduldigen werden sich jetzt bereits fragen, warum hier immer von Rassismus geschrieben wird, wenn dieser in Zusammenhang mit dem kritisierten Artikel noch gar nicht thematisiert wurde. Keine Panik, wir kommen gleich dort hin. Der Rassismus entpuppt sich oft im Detail, denn die Polizei hat "dazugelernt" und viele der Beamt_innen wissen mittlerweile, wie sie sich gegenüber den Medien ausdrücken müssen. Dass in der Praxis nach wie vor rassistische und sexistische Beleidigungen ebenso auf der Tagesordnung stehen, wie handfeste Übergriffe und massive Gewalt, sei nur am Rande erwähnt. Um "die Bilanz zu steigern", würde die Drogen-Polizei spezielle Plätze ins Visier nehmen. Diese werden von einer Streife gemeinsam mit dem Standard-Journalisten angefahren. Gleich zu Beginn dröhnt es bei der Längefeldgasse aus dem Funkgerät. Der Journalist beschreibt dies so:
    Abnehmer, SA, Kontakt - ein Abnehmer ist ein Drogenkonsument, SA ein schwarzafrikansicher Verdächtiger, Kontakt ein Deal."

Und somit bekommen wir ihn schonungslos präsentiert, den in polizeilicher Sprache verpackten Rassismus. Seit Jahren versuchen insbesondere Menschen aus den verschiedenen afrikanischen Communities in Wien Medien und Behörden über deren Verwendung rassistischer Sprache aufzuklären. Und immer wieder hat es den Anschein, als würde nichts davon ankommen. Es könnte aber auch sein, dass der Rassismus so tief sitzt, dass sie gar nicht gewillt sind, ihre verbalen Übergriffe einzustellen und endlich mal damit aufzuhören, Menschen aufgrund rassistischer Kriterien - in diesem Fall der Hautfarbe - einzuteilen. Andererseits stellt sich die Frage nach den Erwartungen an die Polizei: Warum sollte eine Behörde, zu deren Hauptaufgaben es gehört, rassistische Gesetze zu exekutieren, eine "sensible" Sprache entwickeln? Es verwundert also nicht, dass selbst in den gängigen Abkürzungen der Exekutive die scheinbar in den Köpfen festgefahrene Einteilung der Menschen gleich mitgeliefert wird: Ein Schwarzer wird ohne zu zögern zum "Drogendealer" erklärt, aufgrund seiner Hautfarbe verdächtigt. Und wird die Konsequenzen dieser Stereotypisierung bald am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Beamt_innen tauschen ihre Beobachtungen und Personenbeschreibungen mittels "'Ohrwurm', dem fast unsichtbaren Induktionshörgerät" aus. Und das offenbar wichtigste Merkmal für Dealer[_innen] dürfte im rassistisch-wachsamen Auge der Polizei die Hautfarbe sein. Oder kurz ausgedrückt: "SA".

Derart voreingenommen, wundert es nicht, dass sobald Verdächtige gesichtet werden, gleich die Straftat ins Auge sticht. Im Standard wird dies so beschrieben:
    Wird ein Deal beobachtet, werden Kunde und Händler getrennt verfolgt. Zunächst wird der Käfer angehalten und kontrolliert. Wird Suchtgift gefunden, kann der Dealer festgenommen werden. Zu dritt oder zu viert. 'Eine Festnahme allein durchzuführen ist zu gefährlich, da der Täter die Chance sieht, zu entkommen.'"

Was sagt uns dies? Eine Person kann deshalb festgenommen werden, weil bei einer anderen Person verdächtige Substanzen gefunden werden!? Was bitte hat dies mit der Erbringung von Beweisen zu tun? Vielleicht ist diese Vorgehensweise eine Warnung an alle Menschen, mit keiner Person im öffentlichem Raum mehr auch nur irgendwie Kontakt zu haben, weil sollte diese Drogen bei sich tragen, dann werden diejenigen, die Kontakt hatten, als potentielle Drogendealer_innen verdächtigt. So einfach macht es sich die Drogen-Polizei - und ist vorsichtig dabei. Denn mit dem Verweis auf die Hautfarbe schwingt noch ein weiteres rassistisches Stereotyp mit. Schwarzen Menschen wird generell unterstellt, sei seien gewalttätig und aggressiv. Da muss Polizist_in aufpassen, den Beamtshandelten keinen Spielraum zu lassen: Sie werden immer gleich von mehreren Polizist_innen fixiert, unter Anwendung entsprechender Zwangsgewalt. Diese auf offener Straße ausgeübte rassistische Gewalt der Polizei scheint legitim, wenn es mal zu einem Zwischenfall kommt, der Kritik an den polizeilichen Methoden hochkommen lässt, dann handelt es sich im Beamtensprech halt um eine "Verwechslung". Dazu folgendes Zitat:
    Den Vorwurf, dass gezielt Schwarzafrikaner beobachtet würden, verneint Müller [der anonymisierte Hauptdarsteller dieser Geschichte, Anmerkung]. 'Möglicherweise hätten wir es schwerer, wenn die Gruppen Österreicher als Händler einstellen. Aber sie machen das nicht und wollen offenbar unter sich bleiben."

Wieder verwendet der Beamte die rassistische Bezeichnung für eine Gruppe und vermittelt den Eindruck, als diese per se keine österreichische Staatsbürger_innenschaft besitzen. Denn die Personen werden nicht kontrolliert, weil sie über keine österreichische Staatsbürger_innenschaft verfügen, sondern weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt werden. Und tatsächlich gibt es unzählige Berichte von Schwarzen, die von permanenten Kontrollen berichten, und sich an bestimmten Plätzen immer der Gefahr aussetzen, von der Polizei angehalten und schikaniert zu werden. Dies ist eine Realität, die die Polizei leugnet - und gleichzeitig bestätigt. Einerseits wird abgestritten, dass gezielt aufgrund der Hautfarbe kontrolliert wird, doch andererseits wird festgehalten, dass es sich bei den Dealer[_innen] fast ausnahmslos um Schwarze Menschen handelt, was durch den Zusatz sie "wollen offenbar unter sich bleiben" noch verstärkt wird.

Woher die Dealer[_innen] ihre Drogen haben, ist den Polizist_innen oft ein Rätsel. Denn diese werden zwar, wie wir gehört haben, bei den mutmaßlichen Kund_innen gefunden, doch wie bekommen die Dealer[_innen] die Möglichkeit, diese zu übergeben? Vielleicht werden sie "in manchen Call-Shops und Lokalen gebunkert"? Was soll dieses Abschweifen? Auch dafür gibt es eine Erklärung, denn die Polizei ist nicht nur im öffentlichen Raum aktiv, sondern durchaus auch in diversen Shops und Lokalen. Durch das Einbeziehen dieser in die rassistische Drogen-Bekämpfung wird mit derartigen Vorwürfen gleich die Legitimation zahlreicher Razzien geliefert.

Auch wenn die Polizei von ihrer im Zuge der Operation Spring verfestigten Behauptung Abstand nehmen musste, sie bekämpfe mit den Razzien die organisierte Kriminalität, ist es keineswegs zu einem Sinken der Übergriffe durch Beamt_innen gekommen. Diese werden nun aufgrund entsprechender Schulungen "professioneller" durchgeführt als in den 1990ern, doch sie beeinflussen das Leben vieler Menschen in dieser Stadt bzw. in diesem Land: Permanenten rassistischen Übergriffen durch die Polizei ausgesetzt zu sein.

Es könnte noch viel dazu geschrieben werden. Mit diesem Artikel wollten wir darauf hinweisen, dass die Thematisierung der rassistischen Drogenpolitik und den damit verbundenen Übergriffen durch die Exekutive aus dem kritischen Diskurs verschwunden ist. Und dass der Standard durchaus in der Lage ist, auf dem gleichen Niveau zu berichten, wie diverse Hetzblätter. Vielleicht gibt es kosmetische Unterschiede, doch der dieser Berichterstattung zugrunde liegende Rassismus bleibt der gleiche.

Dass wir nicht alle Aspekte dieses Rassismus beleuchtet haben, hängt damit zusammen, dass im Artikel im Standard nur einzelne Aspekte thematisiert werden bzw. eine Rolle spielen. Dass die massiven Kontrollen Teil eines "Racial Profiling" sind und dazu dienen, insbesondere Menschen ohne Papiere zu verhaften, sollte dabei nicht vergessen werden. Kurz gesagt: Die Drogenbekämpfung der Wiener Polizei ist Teil der staatlichen Menschenjagd, die am sichtbarsten wird an den EU-Außengrenzen und u.a. im Zuge der der Schengen-Ausgleichsmaßnahmen dazu führt, dass rassistische Kontrollen überall statt finden.

Artikel übernommen von :: at.indymedia.org, 03. Aug 2011.