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[ 30. Oct 2019 ]

Rassistische Gesetze begünstigen die Hetze!

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"Hass im Netz" ist in aller Munde. Doch was wird als solcher verstanden? Eindeutige rassistische Hetze, die auf den Vernichtungs- phantasien der Nazis basiert, oder eher die Beleidigung eines*r rechten Politiker*in, die*der selbst auf eine Politik des Hasses setzt - und damit auf Stimmenfang geht?

 

Die Meinungen, was als Hass-Posting verstanden wird, sind vielfältig. Persönlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen mit Mobbing unterscheiden sich. Es gibt mehrere Definitionen, die den Begriff Hate Speech bzw. Verhetzung eingrenzen. Laut Antimuslimischer Rassismus Report 2018 fallen unter Hate Speech - in Anlehnung an die OSZE - alle "Äußerungen [...], die zu Hass anstiften oder für manche Gruppen verletzend sind." In Österreich gibt es eine gesetzliche Definition von Verhetzung, die aber nur dann vorliegt, wenn die Verhetzung im öffentlichen Raum begangen wird bzw. einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.


Versuchte Eingrenzung


Der Begriff Hate Speech ist eine umkämpfte politische Kategorie. Viele, die sich gern als Opfer von Hass inszenieren, betreiben selbst Hetze. Deshalb ist ganz wesentlich, dass darüber nachgedacht wird, was Hass ist, gegen wen sich dieser richtet und welche Auswirkungen dieser hat: Die Hassrede richtet sich vor allem gegen diejenigen, die bereits gesellschaftlich benachteiligt sind und diejenigen, die sich mit diesen solidarisieren.

"In der Regel bezeichnet Hate Speech ("Hassrede") die hetzerische negative Darstellung einer Gruppe mit expliziter oder impliziter Herabsetzung dieser Gruppe oder Teilmengen dieser Gruppe. Dazu zählen insbesondere herabwürdigende pauschalisierende Kommentare gegen bestimmte Menschen oder Gruppen. Charakteristisch für Hate Speech sind also Äußerungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit im Internet." So die Definition von :: fairsprechen.net, der zufolge es sich nicht unbedingt um Beleidigungen einer Person handelt, sondern eher um Äußerungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit im Internet, die Hate Speech charakterisieren.

Wichtig bei der Bewertung, ob es sich um Hetze handelt, ist nicht nur die persönliche Empfindung. Rassistische Hetze ist immer in Verbindung mit Macht- und Diskriminierungsstrukturen sowohl global als auch in den einzelnen Gesellschaften zu sehen. Rassismus oder Sexismus von ihrer institutionellen und strukturellen Verankerung zu trennen, wäre fatal. Das Ausblenden von Ungleichheiten erleichtert Hetzer*innen eine Verdrehung: Kritische Aussagen gegen "weiße Überheblichkeit" werden als rassistisch definiert und wegen ihrer Privilegien kritisierte Personen präsentieren sich selbst als "Opfer". Doch es macht einen Unterschied, ob ich mich gegen Diskriminierung wehre, oder diese mittels einer diskriminierenden Sprache verstärke und somit alltäglich wirksam mache. Was bedeutet es für eine diskriminierte Person von den Privilegierten mit Vernichtungsphantasien konfrontiert zu werden? Deshalb ist es wichtig, die Macht- und Herrschaftsverhältnisse mit zu denken. Und es ist wesentlich zu bewerten, in welchem Kontext eine Aussage getätigt wird.

Rassistische Hetze ebenso wie Homophobie und Frauen*feindlichkeit bzw. Misogynie, der krankhafte Hass von Männern* auf Frauen*, sind immer eingebettet in gesellschaftliche Strukturen und tragen dazu bei, diese aufrecht zu erhalten oder Ungleichheiten weiter zu verstärken. Die Altnazis nutzten dazu vor allem den Antisemitismus als Instrument, um die Massen zu mobilisieren und die Menschen gegeneinander auszuspielen. Terror ist ein grundlegendes Instrument faschistischer Politik und entsprechender Regime. Und diesem Terror wird der Weg bereitet durch eine verhetzende und die Gesellschaften bzw. Menschen spaltende Sprache. Diese steht nicht alleine für sich und ist nicht rein willkürlich oder zufällig, sie ist vielmehr eingebettet in ideologische Denkmuster und Weltanschauungen.

Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt die Verbreitung von :: Naziterror, der eingebettet ist in eine rassistische Gedankenwelt und Sprache. Die Manifeste der Naziterrorist*innen sind eindeutig. Sie sind voll von rassistischer Herabwürdigung und antisemitischen Verschwörungstheorien, die jedoch nicht aus dem Nichts kommen. Lediglich die permanente Rede von den "Einzeltäter*innen" lässt das Bild entstehen, diese Menschen hätten sich von der Gesellschaft zurückgezogen, würden mit ihrem Leben nicht zurecht kommen und für ihren Hass auf die Menschheit nach Feindbildern suchen. Dass sie nicht lange nach Objekten des Hasses suchen müssen, liegt in den westlichen Gesellschaften begründet, die der rassistischen Einteilung der Menschheit ihren Reichtum und ihre globale Machtposition verdanken. Sie sehen sich als etwas Besseres, als die "Überlegenen" - und genau aus diesem Gedankenbild nähren sich Überheblichkeit und Hass: auf Jüd*innen, auf Muslim*a, auf Sinti und Rom*nia, auf die Fremden*, auf die, die als "minderwertig" betrachtet werden und denen eine Position "unterhalb" der Überheblichen zugeschrieben wird.


Ein Urteil gegen Hetze?


Das vor kurzem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefällte :: Urteil zu Facebook bezieht sich vor allem auf persönliche Beleidigungen wie Herabwürdigungen und blendet Verhetzung weitgehend aus.

Die ehemalige Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig hatte von Facebook die Löschung eines gegen sie gerichteten hetzerischen Kommentars gefordert in dem sie als "miese Volksverräterin" beschimpft worden war, nachdem sie einen Job bei Novomatic annahm. Der Fall ging bis zum EuGH, wo die Richter*innen entschieden, dass Facebook den Post weltweit entfernen muss. Sinngleiche Äußerungen müssen ebenso entfernt werden. Allerdings, so ist dem Urteil zu entnehmen: "Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu dem für rechtswidrig erklärten Inhalt dürfen jedenfalls nicht so geartet sein, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen."

Dies bedeutet, dass nicht der sich aus dem Inhalt einer Aussage ergebende Sinn ausschlaggebend für die Entfernung von Postings ist. Einem willkürlichen und automatisierten Umgang mit Zensur wird die Tür ein Stück weiter geöffnet. Dem EuGH Urteil folgend muss Facebook rechtswidrige Beleidigungen, Diffamierungen oder Beschimpfungen sowie wort- und sinngleiche Kommentare weltweit entfernen, allerdings ohne eine notwendige aktive, nicht-automatisierte Filterung, ohne Moderation. :: netzpolitik.org folgert: "Mit dem Urteil zeigen die Richter:innen, dass der rechtskonforme Umgang mit Inhalten eine Rechtslücke darstellt, der letztendlich die freie Meinungsäußerung zum Opfer fallen könnte." Wer bewertet, was sinngleich ist und was nicht? Wer legt fest, nach welchen "Standards" moderiert wird? Und in wessen Interesse?

Damit Beiträge entfernt werden müssen, muss eine Person die beleidigt wurde, Initiative ergreifen und die jeweilige Plattform auffordern oder klagen, damit diese veranlasst werden kann, einen Beitrag - und "sinngleiche Aussagen" - zu löschen. Rassistische Hetze ist von dem Urteil nicht unbedingt betroffen, denn diese kann sich prinzipiell gegen eine Person richten, doch ist sie oft sehr allgemein gehalten und richtet sich gegen eine oder mehrere Gruppe*n. Ein Beispiel dafür war ein Posting unter einem Artikel auf :: de.indymedia.org, in dem es hieß: "B'* der im Mittelmeer ersäuft kann nicht mehr als Sozialmade hier herumschmarotzen." Allein die bezeichnende Wortwahl ist verhetzend. Derartige Postings sind im Internet zuhauf zu finden, das EuGH-Urteil unterbindet dies allerdings nicht und es wird wohl kaum Auswirkung auf derartige Postings haben. Denn Facebook hat kein Interesse, konsequent auf rassistische oder menschenverachtende Postings und "Meinungen" zu verzichten. Von de.indymedia.org wurde es entfernt, da es gegen die Grundsätze von Indymedia verstößt.

Das Urteil gegen Facebook, dass von mehreren Seiten gefeiert wurde, wird vielleicht unterbinden, dass prominente Personen wie Glawischnig in Zukunft auf o.g. Weise bezichtigt werden. Mit allgemein diskriminierend formulierten, hetzerischen Aussagen permanent konfrontierte Leute werden dadurch nicht geschützt - weder im Alltag noch online in "sozialen" Netzwerken. Es ist viel mehr ein Alibi-Urteil. Die Kritik, dass es zu allgemein formuliert ist und die Meinungsfreiheit im Netz gefährdet, ist schwer von der Hand zu weisen.

    "Hate Speech (zu deutsch: Hassrede) ist ein politischer Begriff. Dementsprechend ist dessen Definition politisch umkämpft. In Deutschland ist sie zudem keine juristische Kategorie, auch, wenn einige Straftatbestände, besonders der der Volksverhetzung, ihr nahekommen. Auch die Kriminalitätsstatistik der Polizei kennt Hate Speech nicht als eigenständige Kategorie. Die Diskussion um Hate Speech ist außerdem in einigen Ländern weiter fortgeschritten als in anderen, verschiedene Rechtssysteme sanktionieren Hassrede auf unterschiedliche Art und Weise." (:: no-hate-speech.de)


Ein kontextualisierter Zugang


Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) urteilte im Jahr 2002 über einen Fall von Zensur. Denn österreichische Gerichte hatten 1993 das Grundrecht der freien Meinungsäußerung verletzt, indem sie dem :: TATblatt per einstweiliger Verfügung untersagten, dem damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider das Betreiben rassistischer Hetze vorzuwerfen. Es ging dabei um den Vorwurf einer in Österreich strafbaren Handlung: Die rassistische Hetze bzw. Verhetzung. Wenn es kein entsprechendes Urteil gibt, dann sei dieser Vorwurf nicht rechtens. Deshalb darf als Nazi nur die*derjenige bezeichnet werden, die*der als solche verurteilt wurde, während es kein Problem darstellt, Personen als rechtsextrem zu bezeichnen. Würde das ursprüngliche Urteil der österreichischen Gerichte auf die nunmehrige Entscheidung zu Facebook umgelegt werden, dann könnte dies dazu führen, dass alle Postings, die die Ausdrücke "FPÖ" und "rassistische Hetze" beinhalten, automatisch gefiltert werden. Es würde genau das Gegenteil von dem erreichen, was es vorgibt: Ein Instrument gegen hetzerische Aussagen zu sein.

Der EGMR gab in seiner Urteilsbegründung im Fall TATblatt gegen die Republik Österreich und die Haider-FPÖ an, dass Aussagen kontextualisiert und somit inhaltlich bewertet werden müssen. So wurde grundsätzlich festgestellt, "dass der Vorwurf der "rassistische Hetze" im politischen Kontext gesehen werden muss, in dem er erhoben wurde. Dieser Kontext ist das Volksbegehren "Österreich zuerst", mit dessen Inhalten sich der Gerichtshof bei der Prüfung des Falles beschäftigt hat. Das EGMR war nicht davon zu überzeugen, dass das Statement "rassistische Hetze" eine Tatsachenbehauptung war. Der Vorwurf könne vielmehr nur als Werturteil verstanden und als "einwandfreier" Kommentar in einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse angesehen werden. Es hält fest, dass an die Arbeit von JournalistInnen grundsätzlich andere Maßstäbe anzulegen sind als etwa an die Arbeit von StaatsanwältInnen oder RichterInnen vor Gericht. In seinem Ausführungen merkt der Gerichtshof an, dass ein Politiker sicherlich eines Schutzes seiner Reputation bedarf, ..., aber diese Bedürfnisse gegen die Interessen einer offenen Diskussion politischer Fragen aufgewogen werden müssten."

Aus dieser Rechtsauslegung kann gelernt werden, dass es immer um eine Kontextualisierung von Aussagen geht, und nicht rein um eine einfache Rechenaufgabe wie 1+1=2, der Grundlage automatisierter Vorgänge in Computersystemen. Ein politischer Diskurs ist geprägt von Meinungen und Konnotationen, von Bedeutungen und deren Wirksamkeit. Vieles kann gesagt werden, ohne dass es ausgesprochen wird. Und: Es macht einen Unterschied, wer etwas sagt und in welchem Kontext. Und im speziellen Fall: "Aus einem verbal im Rahmen einer öffentlichen Diskussion erhobenen Vorwurf allein kann noch kein Vorwurf einer strafbaren Handlung abgeleitet werden...."


Kontinuitäten


An den grundlegenden Positionen der FPÖ hat sich seither nichts geändert. Die Sprache ist aber "rauer" geworden, um es etwas harmlos auszudrücken. Doch die FPÖ sieht sich selbst als mit Hass überschüttet. So lesen FPler*innen in via Internet verbreiteten Propaganda-Videos vor, "mit welchem Hass sie täglich konfrontiert werden". Sie sehen sich darüber empört, als Nazis bezeichnet zu werden, dass gesagt wird "Fuck FPÖ". Dass FPÖ-Politiker*innen diskriminiert werden, kann jedoch ausgeschlossen werden. Bei Kritik an der Politik der FPÖ handelt es sich nicht um Hate Speech, auch wenn kritisiert werden kann, dass Menschen die FPÖ nicht immer mit Samthandschuhen angreifen. Andererseits ist schwer zu leugnen, dass diese selbst dafür verantwortlich zeichnet. Das Programm der Partei baut auf Ausgrenzung und konstruierten Feindbildern auf. Seit den 1990er Jahren sind neue Feindbilder dazu gekommen und viele Aussagen richten sich insbesondere gegen Muslim*a. Nun ist weithin bekannt, dass 1. nicht nur die FPÖ auf Feindbilder setzt und 2. mit der Politik von Hetze und Spaltung Wahlen gewonnen werden können.

Die Verbindung der Propaganda gegen Kopfbedeckungen und antiislamischer Hetze führt vor allem dazu, dass muslimische Frauen massiven Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, wie mehrere Dokumentationen aufzeigen.

Die :: Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und Antimuslimischer Rassismus ist seit fast fünf Jahren tätig und gab mittlerweile vier mal den "Antimuslimischer Rassismus Report" heraus. Im Report 2017 war in der Einleitung zu lesen: "Die Entwicklungen im Online-Bereich sind bedenklich. Umso wichtiger sind Initiativen wie die der Beratungsstelle #GegenHassimNetz. Weitere Initiativen und Maßnahmen sind notwendig, um präventiv Entwicklungen im Online-Bereich entgegenzuwirken und die Betroffenen zu unterstützen. Die wechselseitigen Verlagerungen des Online und Offline Bereichs sind erkennbar."

Dies sagt aus, dass der Hate-Speech in diversen Online-Foren und sozialen Medien einen direkten Einfluss auf Übergriffe im Alltag hat und umgekehrt. Um so wichtiger ist eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit der strukturellen Einbettung von Hate-Speech, seinen Grundlagen, Motivationen und Auswirkungen. Wurde in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass vor allem muslimische Frauen* von durch antimuslimischen Rassismus motivierten Übergriffen betroffen sind, stellt die Dokustelle in ihrem Report 2018 fest, dass "antimuslimischer Rassismus mit Sexismus intersektional einhergeht. (...) Antimuslimischer Rassismus erleben Muslim*innen nicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Schule oder im Schwimmbad. In der vermeintlichen Anonymität des Netzes und der sozialen Medien lässt sich in den vergangenen Jahren beobachten, wie Anfeindungen, Hetze und Beschimpfungen massiv zugenommen haben." Diese Wechselwirkung ist problematisch, da sie die Wahrnehmung, was nun als Übergriff oder Beschimpfung gilt, stark beeinflusst. Innerhalb der Dominanzgesellschaft etabliert sich eine Alltagssprache, die wiederum die Hemmschwelle für Übergriffe senkt.

Es ist keine Seltenheit, dass Frauen* und Mädchen* mit Kopftuch im öffentlichen Raum beschimpft, angegriffen und angespuckt werden, dass versucht wird, ihnen unter die Bedeckung zu greifen oder diese runter zu reißen. Für sichtbare Muslima* ist das zum Alltag in Österreich geworden. Sie werden einerseits als Opfer einer patriarchalen Kultur dargestellt, andererseits kommt es vor, dass sie als "Huren" beschimpft werden und gleichzeitig kritisiert wird, dass sie ihren Körper vor den (oft lüsternen) Blicken der Männer verbergen. Dies zeigt, dass hinter diesem Verhalten nur eine Logik steckt: Menschen herabzuwürdigen und ihnen zu vermitteln, dass sie "nicht hierher gehören" würden.


Die "Meinungsfreiheit" endet, wo sie _Anderen_ die Freiheit und das Leben raubt


Rassistische Hetze betrifft nicht nur das Internet, sie ist längst Teil des Alltags in westlichen Gesellschaften geworden. Das Internet dient dabei als ein vorgeblich anonymisierter Rahmen, der zur Artikulation von "Meinungen" genutzt wird. Diskriminierende und verhetzende Aussagen über unterschiedlichste Gruppen sind schon lange Teil der Sprache, in politischen Auseinandersetzungen ebenso wie am Schulhof. Ein Beispiel ist die in der Alltagssprache von Jugendlichen weit verbreite und meist unhinterfragt wiedergegebene Diskriminierung Homosexueller. Ausdrücke wie "Worma", "Schwuchtl" oder "schwule Sau" (bitte verzeiht die Wiedergabe dieser Ausdrücke) sind Teil der Alltagssprache in Österreich und werden als abwertende Schimpfwörter verwendet. Sie dienen dazu, Menschen zu beleidigen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Dass derartige Ausdrücke kaum als Beschimpfung wahrgenommen werden, hat damit zu tun, dass Homophobie weit verbreitet ist. Abwertende Handlungen werden in einen "lustigen" Umschlag gesteckt, zur Erheiterung einerseits und zur Stärkung des "Wir"-Gefühles andererseits. Dieser Mechanismus ist bei verschiedenste Formen der Diskriminierung zu erkennen und sagt viel über den jeweiligen Charakter aus.

Auch wenn Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie usw. Ähnlichkeiten haben, können sie unterschiedlich eingesetzt werden. Das dahinterliegende Interesse ist nicht immer allen Menschen klar ersichtlich. Oft werden Begriffe übernommen, ohne deren Bedeutung und Wirkung zu realisieren. Einmal im Sprachgebrauch verankert, beeinflussen diese das Denken und Handeln. Dies geht von der Leugnung von diskriminierenden Mechanismen über deren Akzeptanz und Anwendung bis hin zu physischer Gewalt. Terroranschläge sind dabei nur der sog. Gipfel vom (in diesem Fall leider nicht schmelzenden) Eisberg, doch immer ein Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas. Die Strategie, Täter*innen mit rechtsextremem oder nationalsozialistischem Hintergrund als Einzeltäter*innen zu verharmlosen, zielt darauf, die Diskriminierung von "Randgruppen" bzw. ganzen Bevölkerungsgruppen oder Religionsgemeinschaften rechtzufertigen, während die eigene Verstrickung in die Mechanismen der Diskriminierung ausgeblendet und von sich gewiesen wird. An den Privilegien der als "Norm" betrachteten Angehörigen der Dominanzgesellschaft soll nicht gerüttelt werden. Ein Hinterfragen von alltäglicher wie institutioneller Ausgrenzung und Diskriminierung wird nicht zugelassen, die Täter*innen mit Fingerzeig _dort_ gesucht, oder _ganz wo anders_, bei _den Anderen_.


Bedrohung Naziterror


In den vergangenen Jahren fällt in der politischen Auseinandersetzung in Österreich auf, dass einzelne Politiker*innen kein Problem damit haben, permanent andere "anzupatzen", während sie sich selbst als Opfer des Anpatzens darstellen. Eine sagen wir mal Kurz-sichtige Politik. Insbesondere die Kritik an "Heilsgestalten", die bedingungslos verehrt werden, wird so grundsätzlich diskreditiert. Diese werden als Saubermänner* bzw. -frauen* dargestellt, an denen jede Kritik unangebracht sei. Dass sie selbst über eine permanente rassistische und zunehmend antimuslimische Propaganda einen wesentlichen Beitrag zu einem Klima des Hasses leisten, wird im medialen Mainstream kaum thematisiert und noch weniger kritisiert. Menschen dürfen sich zwar darüber aufregen, dass sie gewisse diskriminierende Wörter "nicht mehr sagen dürfen", wie beispielsweise das N-Wort. Erdreistet sich eine*r ihrer Kritiker*innen jedoch dazu, eine Parallele zu den Methoden der Nazis herzustellen, dann ist Feuer am Dach. Das geht doch gar nicht, wo kommen wir da hin? Ein Aufschrei zieht durchs Land und Konsequenzen werden gefordert. Wie solche Vergleiche in den Sinn kommen, wird dabei nicht gefragt. Vielleicht steckt dahinter doch ein Körnchen Wahrheit? Was ist schlimm am Mahnen, an die Vergangenheit zu erinnern und zu sagen: Hey, das erinnert mich verdammt noch mal an eine längst vergangen gedachte Zeit. Dass dies leider nicht nur der Vergangenheit angehört und eine der größten Bedrohungen der "liberalen Demokratien" ist, wird negiert.

Ein Beispiel ist der Amokläufer von Kitzbühel: Der Hinweis, dass es sich beim Killer um einen in rechtsextremen Kreisen verkehrenden und (ehemaligen) FPÖler handelt, rief fast mehr Entsetzen hervor, als die Ermordung einer kompletten Familie. Die Tat solle nicht für parteipolitische Zwecke missbraucht werde, so der Reflex - nicht der FPÖ, sondern der SPÖ, aus deren Reihen der Hinweis auf den rechten Hintergrund des mutmaßlichen Mörders kam. Die Nazion scheint geeint, bei der Rechtfertigung rechter Gewalt ebenso wie bei rassistischer Hetze.

Die Bedrohung wird bei _den Anderen_ gesucht, die von draußen kommen würden und die Gesellschaft und den Wohlstand bedrohen. Ja genau, den Wohlstand bedrohen. Das geht doch gar nicht! Das "Wir" wird strapaziert und eine angebliche Einheit beschworen - quer durch alle sozialen Schichten hindurch. Als gebe es eine homogene Gesellschaft, in der die Menschen mehr oder weniger gleich sind. Es ist zweifelsohne eine soziale Frage, eine Frage von Verteilung und Neid, die hier mitspielt. "Wir" haben uns das doch selbst aufgebaut, wird bei jeder Gelegenheit hinausposaunt. Und vergessen, dass die Kriege, die dieses "Wir" zu verantworten hat, weite Teile der Welt in Schutt und Asche gelegt haben - und immer noch legen. Es ist eine Frage der Absicherung von Privilegien einer sich als "besser" oder "überlegen" betrachtenden Minderheit, die die Mehrheit der Menschen auf dieser Welt in Armut halten will. Dabei wird gern auf die "eigenen" Leistungen und Errungenschaften verwiesen - solange sie "uns" in den Kram passen. Dort, wo sie fehl am Platz erscheinen, da kann schon mal eine Ausnahme gemacht werden, weil "wir" sind doch "gleicher" als _die Anderen_ die nichts anderes wollen würden, als auf "unsere" Kosten zu leben. Die "eigene Art", die als so "überlegen" dargestellt wird, sei vom Untergang bedroht, in Gefahr "ausgetauscht" zu werden, wie das die Nazis heutzutage nennen. Und genau vor dieser Bedrohung gelte es "die Bevölkerung zu schützen".

Wer wird als "die Bevölkerung" wahrgenommen? Jedenfalls nicht alle in Österreich lebenden Menschen. Denn ein Teil davon wird zur "Bedrohung" stilisiert: Eine Bedrohung für Sicherheit und Ordnung, eine Bedrohung für das Sozialsystem und vor allem eine Bedrohung für die jüdisch-christliche Kultur, die von der Verdrängung durch _andere Kulturen_ bedroht sei. Das geläufige Bild, das vor allem von Rechtsextremen und Faschist*innen verwendet wird, ist die Mär von einem "Austausch der Bevölkerung", der ihre Lebensart bedrohe. Vergessen werden die Verbrechen aus hunderten Jahren von Kolonialismus, Ausbeutung und Unterdrückung ebenso wie die Verbrechen des Nationalsozialismus und Faschismus. Diese Teile der Geschichte, so behaupten viele der Hetzer*innen, hätte es - zumindest in dieser Form - nie gegeben. Oder, wenn sie sich trauen, dann meinen sie vielleicht: Die Unterdrückung, die Ausbeutung, die Versklavung und die Vernichtung ganzer Gruppen sei gerechtfertigt, weil in der Natur die "Überlegenen" das Recht hätten, über die Unterlegenen, die "Minderwertigen" zu herrschen und über deren Leben - und deren Tod - zu verfügen.


Strategische Brandstiftung


Die geistige Brandstiftung ist deshalb in keinster Weise vom Terror zu trennen. Und die Versuche, jegliche Kritik an der Brandstiftung als Hetze oder Hass-Posting zu diffamieren, oder als "Anpatzen", ist bewusster Teil der Strategie. Es geht um eine Verkehrung und Umdeutung. Bei der massiven Hetze im Netz geht's um viel mehr, als darum, andere Menschen schlecht zu machen. Ein Mittel zum Zweck: Die Aufrechterhaltung der globalen gesellschaftlichen wie ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnisse und die Aufrechterhaltung des Patriarchats. Würde dies in einer kritische Betrachtung von Hasspostings mitgedacht, dann würde eine andere Wertung erfolgen. Warum wird der Begriff "Nazion" so stark abgelehnt? Handelt es sich dabei nicht um ein mahnendes Wortspiel, das gewählt wurde, weil eben düstere Erinnerungen an eine zunehmend in Vergessenheit geratene Zeit entstehen, wenn sich Politiker*innen hinstellen und ganz offen gegen Geflüchtete und Migrant*innen hetzen dürfen. Wenn pauschal unterstellt wird, Menschen würden nach Europa kommen, weil sie ein besseres Leben wollen. Wie bitte? Die Suche nach einem besseren Leben ist verwerflich? Steht nicht allen offen, eine bessere Position anzustreben, sozial aufzusteigen, ... Oder doch nicht? Es hat den Anschein, als sollten klare Grenzen gezogen werden zwischen denen, die ein vermeintlich gutes Leben führen dürfen, und jenen, die dazu verdammt sind, in der Perspektivlosigkeit auszuharren, sich mit ihrem "Schicksal" abzufinden. Genau dies ist Ausdruck einer Politik, die nichts anderes will, als bestehende Ungleichheiten am Leben zu erhalten und zu verstärken.

Dies betrifft in Österreich sowohl das Verhältnis zwischen Angehörigen des Christentums und jenen des Islam, als auch das Verhältnis zwischen Mann* und Frau*. So wird Caroline Hungerländer (ÖVP) im Report 2018 der Dokustelle zitiert, die in einer Rede im Wiener Landtag meinte: "Beim Kopftuch handelt es sich um ein Zeichen des politischen Islams". Und den "politischen Islam" definiert sie als "ein politisches Konzept, das im Gegensatz zu unseren freien Werten steht."

Das Kopftuch wird zum Symbol des "politischen Islams" und stehe im Gegensatz zu „unseren freien Werten“: "Mit ihren Aussagen spricht sie Frauen, die Kopftuch tragen, ihre Selbstbestimmung, ihre Religiösität und ihre Individualität ab. Mit Frau Hungerländers Bevormundung wird das Kopftuch mit politischem Islam assoziiert und somit die kopftuchtragenden Frauen fremdbestimmt und kriminalisiert."

Die als _fremd_ dargestellten Muslima* und deren Kopftücher dienen einer Homogenisierungen zwischen "uns", den "Eigenen", den "Echten" auf der einen Seite und _den Anderen_. Dies trägt wiederum dazu bei, gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten zu verschleiern, indem auf unterschiedliche Wertesysteme hingewiesen wird. Die Festmachung an Symbolen, die der Wiedererkennung der "Bedrohung" dienen, führt letztendlich dazu, dass vor allem Muslima* Übergriffen im öffentlichen Raum ausgesetzt sind.

    "Hate Speech ist, wenn man Worte und Bilder als Waffe einsetzt, bewusst, gezielt und voll auf die Zwölf. Wenn Menschen abgewertet und angegriffen werden oder wenn zu Hass oder Gewalt gegen sie aufgerufen wird. Oft sind es rassistische, antisemitische oder sexistische Kommentare, die bestimmte Menschen oder Gruppen als Zielscheibe haben." (:: no-hate-speech.de)

Nicht nur das Kopftuch wird zur Bedrohung stilisiert. Es sind vor allem Geflüchtete, die immer wieder herangezogen werden, um den Interessen der Parteien und deren Lobbys zu dienen. Während vor der Nichteinhaltung von Regeln gewarnt wird und vor _einer_ Kultur, die mit den "eigenen Werten" nicht vereinbar sei, sind die Hetzer*innen bei der Wahl ihrer Mittel nicht so zimperlich. Da ist es kein Problem, wenn die Grundwerte der europäischen Gesellschaften ignoriert werden und geltendes Recht in Frage gestellt wird. Die Dokustelle schreibt im Report 2018 zu antimuslimischen Aussagen von Johann Gudenus (bekannt aus FPÖ und Ibiza):

"Die Forderung, geflüchteten Menschen aufgrund ihrer Herkunft und/oder Religion das Recht auf Asyl zu verwehren, stellt eine Rechtsverletzung dar, da die Genfer Flüchtlingskonvention sowie Charta der Grundrechte der EU für Österreich rechtsverbindlich gilt. Insofern ist seine Definition, wer als schützenswert gilt und wer nicht, rassistisch, da Gudenus die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion vom Flüchtlingsstatus ausschließen möchte. Zusätzlich konstruiert der Begriff „explodierende Islamisierung“ den Islam und muslimische Religionsgemeinschaften in Österreich als Bedrohung, von der „die Bevölkerung“ geschützt werden muss. Diese Aussage impliziert eine Trennung der österreichischen Gesellschaft in „die Bevölkerung“/ schützenswert versus Muslim*innen/„die Anderen“. Dieses konstruierte Bedrohungsszenario erscheint als Mittel, um den von der Bundesregierung durchgeführten Ausbau des Sicherheitsapparates und die damit einhergehende Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte zu legitimieren."


Von der Hetze zum Gesetz, übers Gesetz zur Wirklichkeit


Rassistische Hetze bzw. Hass sind nicht nur im Netz ein Problem, sie sind ein gesellschaftliches Problem, das im Internet die bekannten und genannten Ausformungen erreicht. Was vor ein paar Jahren vielleicht nur unter der Hand gesagt werden konnte, ist mittlerweile längst massenkompatibel und Teil des Denkens geworden. Und genau deshalb, weil diese Hetze und der mit ihr untrennbar verbundene Terror so sehr an die Zeit der Nazis erinnern, besteht die Pflicht, darauf hinzuweisen. Wenn nun Leute dies tun - manchmal zugegebenermaßen nicht gerade geschickt und oft mit einem beleidigenden Unterton - dann herrscht bei den Angesprochenen Entsetzen. Was, wie, wer, wir?! Nein, das kann doch nicht sein, das ist eine Unterstellung. Schnell malen sie sich als Opfer, weil sie dafür kritisiert werden, dass sie etwas sagen, was sie nicht sagen sollten. Ihre eigene Hetze blenden sie aus und unterstellen _den Anderen_ die bösen Hetzer*innen zu sein. Genau dagegen gilt es vorzugehen. Denn, rufen wir das noch mal in Erinnerung:

Hetze dient der negativen Darstellung einer Gruppe und deren expliziter wie impliziter Herabsetzung. Ganz egal, ob die gesamte oder ein Teil dieser Gruppe vorgeblich gemeint ist: Sind die erzeugten Bilder einmal verfestigt, dann ist das Image der ganzen Gruppe gezeichnet. Es kann beliebig "instrumentalisiert" und eingesetzt werden. Und bringt viele Leute dazu, die letzten Hemmungen von sich zu legen und zum*r eiskalten Mörder*in zu werden, wie in Christchurch oder Halle. Dort waren keine Einzeltäter* am Werk, da waren Menschen am Werk, deren Morde motiviert sind durch die Ideologie der Nazis und Faschist*innen und die genau wissen, dass Terror ein wesentliches Merkmal faschistischer Systeme ist, mit dem die Bevölkerung zum bedingungslosen Gehorsam gebracht werden soll.

Ist die Trauer um die Toten ernst gemeint, dann sollten sich vor allem die Politiker*innen und Medien bewusst sein, dass sie eine Verantwortung dafür tragen, dass es so weit kommen konnte. Bevor sie Krokodilstränen vergießen, sollten sie besser ihr Handeln verändern - und endlich einen von Hetze befreiten Diskurs ermöglichen. Dies heißt vor allem, darüber nachzudenken, warum Vergleiche mit der Nazi-Vergangenheit manchmal nicht nur angebracht, sondern als mahnende Worte zu verstehen sind - und ernst zu nehmen! Genau daran müssen Politiker*innen gemessen werden: An ihrem Handeln und an ihren Worten - nicht nur, wenn sie sich als "die Guten" inszenieren, sondern wenn sie eine Politik umsetzen, die vielen die Lebensgrundlage raubt und der unzählige Menschen zum Opfer fallen. Nach wie vor sterben Tag für Tag Menschen an den Grenzen Europas, der USA oder der Türkei. Nach wie vor sterben Menschen aufgrund der rassistischen Politik und ihrer Institutionen. Nach wie vor ertrinken Menschen im Mittelmeer. Und jede*r, die*der sich dagegen ausspricht, dass diese Menschen gerettet und in Sicherheit gebracht werden, muss sich Kritik gefallen lassen. Denn: Rassismus tötet!