Im Rahmen der Volksbefragung von 07.03. bis 09.03.2013 werden die Wiener_innen befragt, ob sich die Stadt um die Austragung von Olympischen Sommerspielen 2028 bemühen soll. Was aber bedeuten die Olympischen Spiele für eine Stadt? Eine kurze Illustration anhand von London.
Olympia als Wirtschaftsmotor? Kosten, Spekulation
Die erste Schätzung der Kosten der Londoner Olympischen Spiele1) belief sich auf ca. 2 Milliarden Pfund. Im Endeffekt waren es dann 9 Milliarden Pfund (10,2 Milliarden Euro). Die Spiele galten als ständige Rechtfertigung, öffentliche Gelder in Richtung Kommerzialisierung von Sport und Bau von Sportstätten und touristischer Infrastruktur zu stecken, und so Sozialleistungen zu reduzieren. In einer olympischen Stadt wird jeder Quadratmeter der Spekulation unterzogen, so dass Wohn- und Gewerbeflächen sowie öffentlicher Raum zunehmend verteuert und unzugänglich werden, und in die Hände grosser Investoren und Firmen wandert.
Faire Kandidatur und Überprüfung? Das Internationale Olympische Kommittee
Es braucht sehr viel Korruption, Bestechung und Repression, um als Stadt der Spiele auserwählt zu werden. Wie ein Artikel beschreibt, "Das International Olympische Kommittee kontrolliert alles ganz genau, von den Sportstätten bis zu den Transportmöglichkeiten der Stadt, den Herbergsmöglichkeiten und auch die allgemeine Einstellung der BürgerInnen. Warum wurde Paris nicht für die 2012 Olympischen Spiele aus gewählt? Weil am Tag des Kommitteebesuchs ein Generalstreik stattfand und öffentliche Verkehrsmittel stillstanden."2) Für Olympia zu kandidieren heisst, dass eine Stadt sich als perfekten Investitionsort präsentieren muss - günstige Anlagen, günstige Arbeitskräfte, keine sozialen Proteste und Bewohner_innen, die stillschweigend alles hinnehmen. Das ist alles meist nur mit Bestechung und Repression zu schaffen.
Korruption ist im auch im Internationalen Olympischen Kommittee selbst oft ermittelt worden. Wo eine Stadt oder BürgerInneninitiativen versuchen, gewisse olympische Ungerechtigkeiten und Korruption über gerichtliche Klagen anzusprechen, gibt es schnell viel Probleme. So wie in Beijings erfolgreichem Antrag für die Olympischen Sommerspiele, wo mehrere Menschenrechtsorganisationen gegen die Situation in China ausgesprochen haben - solcher Protest geht gegen den Olympischen Charter des Internationalen Kommittees (IOC).3)
Olympia als Stadtaufbesserung?
Im Osten Londons, wo der Olympische Park gebaut wurde (die gastgebenden Bezirke waren Newham, Tower Hamlets und Walthamstow), aber auch in anderen Stadtvierteln haben sich Mieten rund um die Spiele stark und dauerhaft erhöht. Während sich 2012 die allgemeinen Londoner Mietpreise um 7 - 9%4) erhöht haben, sind jene in Newham um 40% angestiegen, in anderen Vierteln im Nord- und Südosten um 18 - 32%5): es wurden also hundertausende von Menschen aus ihren Vierteln vertrieben und gezwungen, weiter ausserhalb der Stadt zu ziehen wo sie sich die Mieten noch leisten können (und wo es durch die steigende Nachfrage auch zu Mietpreiserhöhungen kam). Während der Spiele selbst haben Immobilienagenturen und private Vermieter_innen die Mieten oft verdoppelt und verdreifacht, mit speziellen Klauseln in Mietverträgen die Bewohner_innen kurz- oder langfristig aus ihren Wohnungen vertrieben, so dass Agenturen und Besitzer_innen maximalen Profit daraus schlagen und an Tourist_innen vermieten können6).
Abgesehen davon wurden tausende Wohnungen und Geschäfte dem Erdboden gleichgemacht, für den Bau von Stadien, Einkaufszentrum und Co, so dass viele Menschen weder Raum noch Kaufkraft hatten, in ihrem Viertel zu bleiben und auch tausende Jobs dort verloren gingen7). Die Gegend wurde komplett kommerzialisiert und privatisiert, es wurden teure Privatwohnungen statt Sozialwohnbauten gebaut, Olympische Anlagen statt kleinen und zugänglicheren lokalen Sportklubs, es wurde ein 1,66 Milliarden € Einkaufszentrum namens 'Westfield', auf 175.000 m2 errichtet, sowie ein Grossteil des Lea River Naturgebiets zuzementiert.
Transportchaos
Während der Olympischen Spiele waren öffentliche Verkehrsmittel für Bewohner_innen der Stadt kaum verwendbar: Londoner_innen wurden aufgefordert, während der Monate der Spiele einfach zu Fuss zur Arbeit zu gehen8). Hinter diesem als sportlicher Heroismus vermarkteten Aufforderung steht auch die Tatsache, dass Leben und sich bewegen in der Stadt schon 1-2 Jahre vor den Spielen extrem kompliziert wurde, mit massivem und gleichzeitigem Ausbau und Umbau von Verkehrsnetzen und ansteigenden Transportpreisen.
Militarisierung und Überwachung
Über Ostlondon schwebte zwischen Mai und September 2012 so gut wie pausenlos ein Polizeihelikopter, die Strassen füllten sich mit Polizei und Überwachungskameras, und es wurden sechs Raketenabwehr Geschosse in Parks der ganzen Stadt verteilt9). Der elektrische Zaun rund um die olympische Zone stand von Sommer 2010 bis Oktober 2012 unter Hochspannung. Das Gefühl der Bewohner_innen der Stadt ist das einer Besetzung bzw. eines anstehenden (Bürger)krieges, verbunden mit brutaler Vetreibung und Privatisierung.
Skandale
An Skandalen fehlt es bei Olympischen Spielen nie. Dass in London z.B. dutzende als Reinigungspersonal arbeitende Menschen (die oft aus anderen Ländern für diesen Job anreisten) in einem Containercamp zusammengequetscht wurden, dort zu zehnt in einem Zimmer schlafen und sich zu je 75 Personen je eine Dusche teilen mussten10). Oder dass die Firma G4S, die den Vertrag für die Secutrity der Spiele erhascht hat (nicht ohne Deals hinter geschlossenen Türen), nicht genug Leute eingestellt hat und ihr Personal auch nicht gut eingeschult hat. Solche Praktiken macht dieses Megaevent in den konkurrenzierenden Städten notwendig: im Olympischen Charter selbst ist der wirtschaftliche Druck festgeschrieben.
Ein Sportfest für alle? Zugang zu den Spielen
Die Menschen, die im Osten Londons ihren Wohn- und Lebensraum verloren haben und an den Stadtrand gedrückt wurden, die Jugendlichen die vermeintlich von den Sportprogrammen profitiert hätten oder über ihr unbezahltes Olympia-Praktikum mehr Jobchancen bekommen sollten, haben sich in vielen Fällen keine Eintrittskarten leisten können. Die olympischen Spiele sind kein Fest für die lokale Bevölkerung, sie sind ein unternehmerisch ausgerichtetes Event das international gut zahlungsfähige Tourist_innen anlockt.
Quellen:
1 Es finden sich im Internet reichlich Informationen und Fallstudien zu anderen Olympia-Städten, die die gleichen Dynamiken aufzeigen. Siehe auch http://www.gamesmonitor.org.uk/
2 http://www.cracked.com/article_19733_5-things-they-dont-want-you-to-know-about-olympics_p2.html#ixzz2LiVUXBkk
3 http://en.wikipedia.org/wiki/International_Olympic_Committee
4 http://www.guardian.co.uk/housing-network/2012/sep/20/london-private-rented-sector-duvall
5 http://www.propertyreporter.co.uk/view.asp?ID=10016
6 http://www.guardian.co.uk/money/2012/feb/03/tenants-olympic-lets
7 http://www.gamesmonitor.org.uk/node/333
8 http://www.huffingtonpost.co.uk/2012/05/14/health-olympics-2012-commuters-walk-to-work_n_1514349.html
9 http://www.theworld.org/2012/04/tube-headaches-and-anti-aircraft-missile-batteries-ahead-for-london-olympics/
10 http://www.dailymail.co.uk/news/article-2174034/London-2012-Olympics-10-room-1-shower-75-people-Inside-slum-camp-Olympic-cleaners.html
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