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[ 16. Jun 2015 ]

NGOs präsentieren Sofortmaßnahmenkatalog zur Grundversorgungsmisere 2015

Mit Zelten für schutzsuchende Flüchtlinge lässt sich die Unterbringungsmisere nicht lösen. Das Innenministerium erwartet eine weitere Zunahme neuankommender Flüchtlinge. Einige NGOs und Wohlfahrtsverbände präsentierten am 1. Juni 2015 den 6 Punkte umfassenden Sofortmaßnahmenkatalog.

 


6 Punkte Sofortmaßnahmenkatalog zur Grundversorgungsmisere 2015


Mit Zelten für schutzsuchende Flüchtlinge lässt sich die Unterbringungsmisere nicht lösen.
Das Innenministerium erwartet eine weitere Zunahme neuankommender Flüchtlinge.

NGOs, die jahrelang im Asylbereich tätig sind und Erfahrung in der Betreuung haben, sehen einen wirkungsvollen Weg zur Bewältigung der derzeitigen Misere und zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Umganges mit Flüchtlingen bei Umsetzung der folgenden 6 Maßnahmen:

1. Sofortige Übernahme sämtlicher Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge (UMF) in die Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe der Bundesländer, zu den gleichen Unterbringungsstandards und Tagsätzen wie für österreichische Kinder;

2. Sofortige Anhebung der Tagsätze für organisierte Quartiere auf 25 Euro;

3. Sofortige Angleichung der Kostenersätze für privat Wohnhafte an jene der organisierten Quartiere, damit Asylsuchende am Wohnungsmarkt selbst Unterkünfte finden können;

4. Sofortige Bereitstellung von Wohnraum für Asylberechtigte und subisidiär Schutzberechtigte, sowie entsprechender flächendeckender Integrationsangebote;

5. Sofortige Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylsuchende, die bereits länger als 6 Monate im Asylverfahren sind;

6. Planung und Notfallsmanagement: Um zukünftigen Engpässen in der Unterbringung und Betreuung zu begegnen, braucht es eine vorausschauende Planung und entsprechende Reservekapazitäten, sowie mehr Flexibilität bei der vorübergehenden Nutzung von Nicht-wohnraumgewidmeten Objekten in angespannten Unterbringungssituationen. Eingerichtet werden soll ein zentrales Register leerstehender Quartiere.


ad 1.: Damit soll endlich Klarheit geschaffen werden, dass die Verantwortung für das Kindeswohl ab Aufenthalt im Bundesgebiet bei den Jugendbehörden liegt und dass Kind gleich Kind ist, unabhängig von der Nationalität. Finanzierung, Aufsicht, Kontrolle der Auflagen obliegt der Kinder- und Jugendhilfe. Aus den Mitteln der Grundversorgung sollte ein Kostenbeitrag geleistet werden. Auch die aktuell 1400 (darunter sogar 40 unmündige Kinder) in Verwahrung des Bundes im Bereich der EAST Ost befindlichen UMF müssen umgehend in den Verantwortungsbereich der Länder übernommen werden, auch wenn ihre Verfahren nicht zugelassen sind, da in Traiskirchen keine adäquate Betreuung erfolgt. Die Kinder- und Jugendhilfe kann sich zur Betreuung der UMF auch freier JugendwohlfahrtsträgerInnen bedienen, die die Voraussetzungen erfüllen.

ad 2.: Die Bereitstellung von organisierten Quartieren scheitert an den viel zu geringen Tagsätzen. Die von der Politik geforderten kleineren Einheiten sind damit nicht leistbar. Die Betreuung von kleinen und verstreuten Einheiten ist nicht organisierbar. Auch die in Aussicht gestellte Anhebung der Tagsätze auf Euro 20,50 ab Jänner 2016 wird an dieser Situation nichts ändern. Mit der Anhebung der Tagsätze könnten die Betreuungsorganisationen in kurzer Zeit ausreichend qualitätsvolle Unterkünfte bereitstellen und gesundheitlichen Folgen aufgrund der unzureichenden Versorgung begegnet werden.

ad 3.: Viele Asylsuchende würden lieber in eigenen Wohnungen leben. Die dafür vorgesehenen Kostenersätze verunmöglichen dies. Mit der Angleichung der Kostensätze auf das gleiche Niveau wie in betreuten Quartieren, könnten viele eine Wohnung anmieten. Das würde zu einer beträchtlichen Entlastung des Systems führen.
Darüber hinaus sollte eine österreichweite Wohnungsvermittlung auch die direkte Vermittlung von zugelassenen Asylsuchenden - ohne den Umweg über organisierte Quartiere - in Privatquartiere ermöglichen. Voraussetzung dafür ist ein gutes Clearing und intensivere Betreuung.

ad 4.: Die Bundesländer sind aufgefordert, unverzüglich leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Verfügen Bundesländer über keine freien Kapazitäten, so müssen dafür Vereinbarungen mit Wohnbauträgern geschaffen werden. Derzeit befinden sich 6500 schutzberechtigte Personen in Grundversorgung. Diese Plätze müssen so rasch wie möglich wieder für Asylsuchende bereitgestellt werden. Die Bereitstellung der Integrationswohnungen, sowie die Bereitstellung entsprechender arbeitsmarktpolitischer Beratungs- und Kurskapazitäten soll über flächendeckende Integrationsprojekte sichergestellt werden.

ad 5.: Der Zugang zum Arbeitsmarkt für bereits über 6 Monate im Verfahren befindliche Personen würde zu einer Reduktion der benötigten Grundversorgungsplätze führen, da diese Asylsuchenden selbst für ihren Unterhalt aufkommen könnten.

ad 6.: Es sollte ein öffentlich zugängliches Register errichtet werden, in dem sowohl sämtliche leerstehende Immobilien der öffentlichen Hand als auch privat angebotenen Grundversorgungsobjekte erfasst werden. Bei einer Krisensituation muss von den Erfordernissen des Raumordnungsgesetzes vorübergehend Abstand genommen werden können.

Zu den systematischen Mängeln und den Anforderungen an ein an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiertes Aufnahmesystem wurden von den NGOs Grundsatzpapiere erstellt, die weiterhin uneingeschränkte Gültigkeit besitzen.

Aussendung von aslykoordination, Integrationshaus, Don Bosco Flüchtlingswerk, SOS Mitmensch, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, und Volkshilfe am 1. Juni 2015.