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[ 03. Apr 2018 ]

Die Situation von Migrant*innen in Sizilien

Rettungsaktion im Mittelmeer

Ein Bericht (:: PDF) von borderline-europe, Außenstelle in Sizilien, Jänner 2018.
Das Jahr 2017... Der Mensch wandert – das war schon immer so und das ist auch heute noch so. Der Mensch flieht vor Krieg und Gewalt, vor Hunger, vor Dürre und Naturkatastrophen.

 

2015 wurde in Europa die „Flüchtlingskrise“ ausgerufen, zwei Jahre später wird der Rückgang der Ankünfte in Europa gefeiert. Es werden Deals mit einer türkischen Regierung geschlossen, die Menschenrechte und Meinungsfreiheit nicht würdigt. Deals mit einer „libyschen Regierung“, die das zerrissene Land nicht vertritt. Einer Regierung, die seine eigenen Bewohner*innen nicht vor Krieg und Armut schützen kann und jüngst vor allem durch die in ihrem Land statt findenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber Migrant*innen Schlagzeilen machte.

Für die Nichteinhaltung der Menschenrechte muss man allerdings nicht bis nach Libyen gehen: Dieser Bericht schaut auf Europa, genauer gesagt auf Sizilien. Die Außenstelle von borderline-europe in Palermo ermöglicht es uns, aus erster Hand über die Lage vor Ort zu berichten. Das ist nur in einem Netzwerk möglich und so arbeiten wir eng mit unserem Schwesterverein Borderline Sicilia zusammen. Eine Beobachtung der Ankünfte und der Situation in den Unterbringungszentren sowie die sozio-rechtliche Hilfe einzelner Personen umfasst das Aufgabengebiet dieses Vereins. In enger Zusammenarbeit mit unseren Kolleg*innen von Borderline Sicilia ist es uns möglich gewesen, diesen Bericht zusammenzustellen. Weitere enge Kontakte mit anderen Organisationen in Sizilien und unsere eigene Präsenz auf der Insel tragen ebenso zur Erstellung dieses Berichtes bei.

Die Informationen zu finden ist jedoch nicht immer einfach. Nicht nur unser Schwesterverein stößt regelmäßig auf Hindernisse bei seinen Recherchen. Mangelnde Auskunftsbereitschaft scheint beispielsweise auf der Seite des italienischen Innenministeriums zu herrschen. So war es uns an mancher Stelle nicht möglich, aktuelle Zahlen zu finden. Daten und Statistiken zur Verteilung in die einzelnen Typen der (staatlichen) Unterbringungszentren waren teilweise nicht mehr zugänglich und werden mittlerweile überhaupt nicht mehr veröffentlicht. Anscheinend möchte die Regierung nicht noch mit eigenen Statistiken öffentlich zum Versagen des eigenen Aufnahmesystems Stellung beziehen. Ein System, das sich nicht an seine eigenen Regeln hält und das von niemandem kontrolliert wird.

Unser letzter Bericht zu Sizilien ist Anfang 2016 erschienen (:: PDF auf borderline-europe.de). Seitdem ist viel passiert und doch hat sich nicht viel verändert. Das erinnert sehr an den berühmten Roman „Der Leopard“ von Tomasi di Lampedusa, indem die Grundstruktur eines mafiösen Verhaltens offenbart wird: „Alles muss sich verändern, damit es so bleiben kann wie es ist“. Das scheint auch den Umgang mit dem Thema Migration in Italien widerzuspiegeln.

Dieser Bericht teilt sich in fünf Kapitel. Das erste Kapitel behandelt das italienische Aufnahme- und Unterbringungssystem. Nachdem wir dieses inklusive der Neuerungen der letzten zwei Jahre erklären und auf kritische Punkte der einzelnen Unterbringungstypen hinweisen, berichten wir über einzelne Fälle, die meist beispielhaft für tiefere Mängel des Systems stehen. Weiterhin führen wir hier in die Problematik des „neuen“ Hotspot-Approachs ein und berichten über kollektive Abschiebungen. Dieses Kapitel schließt mit einem Unterkapitel zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ab.

Im zweiten Kapitel geht es um die Abschiebungshaft und das Abschiebungszentrum in Sizilien.

Im dritten Kapitel berichten wir über die Ausbeutung der Saisonarbeiter*innen auf Sizilien.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer, den Rückgang der Ankünfte in Verbindung mit dem Abkommen zwischen Italien und Libyen und die Kriminalisierung von Seenotrettungs-NGOs.

Das fünfte und letzte Kapitel schließlich geht kurz auf das permanente Völkertribunal (auch als Basso-Tribunal bekannt) und dessen Sitzung in Palermo ein.

Ein Anhang mit älterem Material zu den großen Unglücken in den Jahren 2013 und 2015 sowie den darauffolgenden italienischen und europäischen See-Operationen schließt den Bericht ab.

Wenn von „Migrant*innen“ gesprochen wird sind auch Geflüchtete miteingeschlossen. Somit orientieren wir uns am italienischen Sprachgebrauch, in dem eher von Migrant*innen gesprochen und nicht zwischen Geflüchteten und anderen Status-Inhaber*innen bzw. Nicht-Inhaber*innen unterschieden wird. Dies gilt natürlich nicht für die rechtliche Auslegung.

Die „libysche Küstenwache“ wurde in Anführungsstriche gesetzt, da es keinen einheitlichen libyschen Staat gibt und damit auch nicht von einer einzigen staatlichen Küstenwache gesprochen werden kann.

Dieser Bericht gibt einen umfassenden Überblick und verweist an gegebener Stelle auf tiefergehende Quellen. Die Situation ist schnelllebig und wir haben das Beste getan, um die Grundpfeiler dieser Schnelllebigkeit festzuhalten.

Um auf dem aktuellsten Stand zu bleiben besuchen Sie gern unsere Seite :: borderline-europe.de oder abonnieren Sie unseren Newsletter. Zu Sizilien finden Sie weitere Informationen auf der dreisprachigen Seite unseres Schwestervereins Borderline Sicilia :: borderlinesicilia.org. Hier muss erwähnt werden, dass Sie im Bericht noch die links und Verweise auf den dreisprachigen Blog von Borderline Sicilia finden werden. Diese sind weiterhin gültig, doch der Blog ist Ende Januar auf die oben genannte Homepage umgezogen. Er dient jedoch weiterhin als Archiv und Sie werden dort alle erwähnten Artikel online finden.

Palermo, Januar 2018
Gabriella Silvestri und Judith Gleitze
borderline-europe, Außenstelle Palermo


:: Der komplette Bericht zum Download als PDF