Österreichs Innenministerium will rechtliche Vertretung von Asylsuchenden übernehmen.
In Österreich gibt es Streit um die beabsichtigte Verstaatlichung der Rechtsberatung für Asylsuchende und den damit einhergehenden Ausschluss von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in diesem Bereich. Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal hat am 7. Januar 2019 verkündet, dass bis März ein beschlussfähiger Regierungsvorschlag dazu vorliegen werde.
Bislang übernehmen NGOs wie Diakonie oder Caritas österreichweit die rechtliche Vertretung Asylsuchender. Damit können die Hilfsorganisationen mit ihren Klient*innen gegen abgelehnte Asylanträge in Revision gehen und mögliche Ablehnungsgründe in Abrede stellen. Das schon 2017 verfasste Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ-Koalition sieht jedoch die Einrichtung einer staatlichen »Bundesagentur für Asyl« vor, welche unter anderem die Rechtsberatung und -vertretung Asylsuchender abdecken soll.
Entgegen dem nach außen gewahrten Schein der Harmonie brach jüngst offene Unstimmigkeit in der Koalition aus: Während FPÖ-Innenminister Herbert Kickl Caritas und Co. lieber heute als morgen aus dem Vertrag mit der Bundesregierung werfen will, weigert sich ÖVP-Justizminister Josef Moser vorerst, dies umzusetzen. Die erste Instanz im Asylverfahren, inklusive der Bereitstellung einer Rechtsvertretung, untersteht dem Innen-, die Verantwortung für die zweite Instanz dem Justizministerium.
Moser teilte vergangene Woche mit, dass ihm keine Unterlagen vorlägen, die eine verantwortungsvolle Kündigung der Verträge mit den Hilfsorganisationen ermöglichen würden. Ihm fehle unter anderem eine »wirkungsorientierte Folgenabschätzung« sowie eine »Kosten-Nutzen-Analyse« des geplanten Modells. In Richtung des Innenministeriums fügte Josef Moser hinzu: »Ich stehe für eine nachhaltige, nachvollziehbare und auf Rechtsgrundsätzen basierende Politik.«
Teile der mitregierenden FPÖ geben sich unterdessen NGO-Beschimpfungen hin: Klubobmann Johann Gudenus warf der Caritas auf Facebook vor, mit »falscher Menschlichkeit« ihre »Profitgier« zu verschleiern. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker legte nach und sagte, man müsse der »Asylindustrie« Grenzen setzen.
Die Rechtsvertretung durch eine NGO ist im internationalen Vergleich zwar alles andere als üblich, die Übernahme durch das Innenministerium wäre jedoch einzigartig. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches über Asylanträge entscheidet, ist dem Innenministerium unterstellt. Soll die Rechtsvertretung der Asylsuchenden an eine ebenso an das Innenministerium angegliederte Bundesagentur übertragen werden, wäre die Bezeichnung »unabhängige Rechtsberatung« hinfällig und damit europarechtswidrig, so die Kritiker*innen.
Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich, teilte in einer Presseaussendung mit, sie sehe den Zugang zu fairen Asylverfahren durch die Regierungsbestrebungen bedroht. Ähnlich äußerte sich SPÖ-Justizsprecher, Johannes Jarolim, auf jW-Anfrage: »Ich sehe die Gefahr, dass nicht unparteiisch und nicht objektiv beraten wird. Dass nun der Staat diese Beratung übernehmen soll, ist schlichtweg absurd.«
Eine Auswertung der erstinstanzlichen Asylentscheide 2017 zeigt, wie wichtig eine unabhängige Rechtsberatung tatsächlich ist: Demzufolge wurden 42,4 Prozent der abgelehnten Anträge in zweiter Instanz aufgehoben. Rechtlich vertreten wurden die Betroffenen dabei von NGOs.
Da die betreffenden Verträge zwischen Nichtregierungsorganisationen und den Ministerien nur per Jahresende und mit einer einjährigen Frist kündbar sind, kann Kickls Bundesagentur die Asylrechtsberatung frühestens mit Beginn des Jahres 2021 übernehmen. Sollte der angekündigte Regierungsvorschlag rechtskonform sein, muss der Innenminister die NGOs bis auf weiteres behalten – auch gegen seinen Willen.
Artikel von Christof Mackinger, zuerst erschienen in :: Junge Welt vom 18. Jan 2019, hier bearbeitet von no-racism.net.