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[ 26. Apr 2003 ]

Asylkoordination Österreich zum Bundesbetreuungs-Urteil des OGH

Die jahrelange Praxis des Innenministeriums, AsylwerberInnen im laufenden Asylverfahren einfach gar nicht mit dem Allernotwendigsten zu unterstützen oder die staatliche Unterstützung ohne Anlaß einzustellen, wird nun endlich ein Ende haben müssen.

 

Dies ergibt sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshof, der nun aufgrund der Klage des Evangelischen Flüchtlingsdienstes festgestellt hat, daß der Bund hilfsbedürftigen AsylwerberInnen die gesetzlich vorgesehenen Leistungen der Bundesbetreuung nicht verweigern hätte dürfen. Denn der Bund ist zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots verpflichtet und muß daher diese Leistungen, sobald sie einmal zuerkannt wurde, allen AsylwerberInnen mit gleichen Voraussetzungen gewähren.

Das Innenministerium hatte im Prozeß die Ansicht vertreten, daß die afghanische Familie die dem Evangelischen Flüchtlingsdienst durch die Unterbringung im Notquartier entstandenen Kosten nicht einklagen könne, weil diese Kosten von der Hilfsorganisation übernommen worden seien und die Flüchtlinge deswegen nicht mehr hilfsbedürftig gewesen sei. Der OGH stellte dazu klar, daß der Bund sich seiner Verpflichtung nicht dadurch entziehen könne, daß er auf die Unterstützung durch Dritte zur Beseitigung oder Linderung einer akuten wirtschaftlichen Notlage von Asylwerbern spekuliere.

Die Folgen dieses Urteils sind noch nicht abschätzbar. Denn die Verjährungsfrist für Ansprüche beträgt 30 Jahre. Seit nunmehr 11 Jahren wurde Bundesbetreuung systematisch rund 70 Prozent aller AsylwerberInnen verweigert. Anfang März 2003 waren von den rund 32.500 AsylwerberInnen mit offenen Asylverfahren rund 26.000 AsylwerberInnen nicht durch die Bundesbetreuung versorgt. Aufgrund der im Oktober erlassenen Richtlinie des Innenministers sank der Anteil der bundesbetreuten AsylwerberInnen sogar auf 19 Prozent ab.
Als erste maßnahme erwartet die asylkoordination Österreich von Innenminster Strasser, daß die Bundesbetreuungsrichtlinie ab sofort nicht mehr angewandt wird und alle hilfsbedürftigen AsylwerberInnen dem Gesetz entsprechend versorgt werden.

"Existenzsicherung Jetzt" lautet das Motto der von zahlreichen Organisationen unterstützten Kampagne, die nächste Woche gestartet wird.

Wien, 25. April 2003

Anny Knapp
(Obfrau asylkoordination Österreich)



Nach Angaben des Innenministeriums bleibt die Bundesbetreuungs-Richtlinie in kraft

Das Flüchtlingslager Traiskirchen steht halb leer während mittels Spenden finanzierte Unterkünfte völlig überfüllt sind. Das bleibt weiter so - "vorerst jedenfalls". Das Innenministerium hält an den Entlassungen von AsylwerberInnen aus der Bundesbetreuung laut Richtlinie fest.

Trotz des Spruchs des Obersten Gerichtshofs (OGH), wonach der Bund die Betreuung von AsylwerberInnen nicht länger auf NGO`s abwÀlzen darf, werde sich nach Angaben von Mathias Vogl vom Innenministerium am harten Umgang mit Flüchtlingen "vorerst jedenfalls" nichts ändern. Die Richtlinie zur Bundesbetreuung, laut der AsylwerberInnen aus der Bundesbetreuung entlassen, auf die strasse gesetzt und deshalb von NGO`s untergebracht werden müssen, bleibe in Kraft, präzisierte er. Seiner Meinung nach werde das Urteil "teils falsch interpretiert". Denn der Oberste Gerichtshof hat den eingeklagten Fall aus dem Jahr 1996 - der Betroffene ist ein Mensch aus Afghanistan - zunächst nur an das zuständige Wiener Landesgericht Rückverwiesen und nicht aufgehoben. Grund dafür sei, dass von den RichterInnen nicht geprüft worden sei, ob eine Ungleichbehandlung vorliege. Der Mann war nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen und drei Jahre vom Evangelischen Hilfswerk betreut worden. Und nur wenn das Gericht nun bei einer weiteren Prüfung eine Ungleichbehandlung feststelle, hätte das Hilfswerk auch einen Anspruch auf Entschädigung.

Sektionschef Mathias Vogl wies auch daraufhin, dass seiner Ansicht nach in Zukunft ein derartiges "Problem" nicht mehr auftreten könnte. Denn der Begutachtungsentwurf zu einer 15-a Vereinbarung zwischen Bund und ländern zur Grundversorgung von Flüchtlingen sei "so gut wie fertig". Wie das entsprechende Modell aussehen wird, wollte Vogl angesichts der noch laufenden Kostenberechnungen nicht sagen. Aber man sei in den Verhandlungen "sehr weit". Grundsätzlich ist vorgesehen, dass zwischen Bund und ländern eine verbindliche Vereinbarung getroffen wird, wonach jedeR AsylwerberIn - entsprechend einer 2005 in Kraft tretenden EU-Richtlinie - grundversorgt wird. Strittig war bis zuletzt nur die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und ländern.