Anfang Mai 2004 schalteten die BetreiberInnen des freien Medien-Projekts Indymedia in Austria ihre Webpage offline und publizierten im Zuge dessen diesen Text.
Update: Die Seite ist seit 13. August 2004 wieder online.
Was uns zu diesem Schritt bewog:
In Anbetracht der derzeitigen Debatten um und auf at.indymedia.org haben wir beschlossen, die Seite vorerst vom Netz zu nehmen, um einen Nachdenkprozess anzuregen, der - so hoffen wir - zu einem Neustart führen kann.
Wir - einige Menschen die im Moment rund um at.indymedia aktiv sind - reflektierten bei unserem letzten Treffen in Wien verstärkt über eigene Verschleißerscheinungen und haben ganz allgemein ein großes Motivationsproblem, das Projekt in dieser Form weiterzuführen. Es sieht so aus, als ob unserer Radiosendung eben deshalb der Ãther ausgeht. Eigenständige Berichterstattung auf der Internetseite wird vermehrt zum Seltenfall und ist zwischen den ausufernden Copy/Paste-Artikeln schwer zu finden. Diskussionen auf dem Niveau "Du bist Scheiße!", "Nein, du bist Scheiße!" gehen uns allmÀhlich auf die Nerven. Durch die Konzentration auf die Webseite werden andere Aspekte des Projekts Indymedia vernachlässigt.
In den vergangenen Monaten wurde der offene Zugang zu Indymedia oftmals benutzt, um AktivistInnen und Personen aus linken Zusammenhängen zu outen und diese dadurch in Gefahr bringen. persönliche Daten werden gegen deren Willen veröffentlicht und wir mussten in letzter Zeit des Öfteren feststellen, dass Indymedia immer wieder als Informationsquelle fr Neonazis diente und auf Indymedia veröffentlichte Texte als Quelle für Anti-Antifa Recherche herangezogen wurden. Es ist unsere Aufgabe solche Veröffentlichungen, welche persönliche Daten wie Namen und Adressen von Menschen gegen deren Willen beinhalten, schnellstmöglich von der Seite zu löschen, was wir aber derzeit aufgrund unserer knappen persönlichen Ressourcen nicht schaffen.
Es gibt den Vorschlag auf ein System, nach dem Vorbild von de.Indymedia umzusteigen. Dies bedeutet, dass Artikel, die keine Berichterstattung im Sinne der Editorial Policy darstellen nicht auf der Startseite, sondern nur auf einer Open Publishing Seite erscheinen. Damit soll Inhalten wie z.B. selbstgeschriebenen Berichten, Radiobeiträgen, Videos und Fotos verstärkte Aufmerksamkeit verschafft werden. Einige von uns lehnen die - an uns gestellte - Forderung nach einer Vorselektion durch ModeratorInnen als Antwort auf die Probleme ab. Dies wäre eine Verschärfung der Zensur die keine Garantie gibt, das Erscheinen von diskriminierenden und/oder diffamierenden Texten zu verhindern, und außerdem mit dem Open Publishing Konzept als solches in Konflikt steht.
Freie Medien werden oft als eine reine "Zusatzinformation" und nicht als eigenständige kritische Medienlandschaft wahrgenommen.Das Projekt baut auf eigenständige Berichterstattung der UserInnen auf.Eine KonsumentInnenhaltung, die das traditionelle - hierarchische - Konzept von JournalistIn/Medium gegenüber dem/der LeserIn abermals weiterführt, lässt Indymedia letztlich scheitern. für die WeiterFührung des Projekts sollte erstmal das tatschliche Interesse - so vorhanden - geklärt werden. Um zu einem (eventuellen) Neustart von Indymedia zu kommen, wollen wir mit diesem drastischen Schritt eine überlegung zu dem Projekt Indymedia anregen, welches ohne eine breitere Unterstützung nicht mehr im Sinne der Open Publishing-Idee umsetzbar ist.
at.indymedia.org, Mai 2004