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[ 31. Aug 2004 ]

Zum Tod eines afrikanischen Gefangenen

Stellen Sie sich vor: Sie haben eine Auseinandersetzung mit einem Mann. Ein
anderer kommt dazu und versucht, sie zu trennen. Sie sind total frustriert
und fuchteln mit einem Brotmesser herum, so einem mit Wellenschliff und
abgerundeter Spitze ....

 

Daraufhin ruft der Dritte Verstärkung, ca. 12 Leute. Sie vertreiben etwaige andere Zuschauer und verprügeln Sie. SprÃŒhen Ihnen Pfefferspray ins Gesicht. Nebeln Sie mit Tränengas ein. Blut fließt. überall auf dem Boden ist Blut. Die Männer Schlagen Sie mit dem Kopf gegen die Wand.
EinE ÄrztIn spritzt Ihnen schließlich ein Seditativ. Kurze Zeit später sind Sie tot.

Am Donnerstag den 19. August stirbt Edwin Ndupu in der Justizanstalt Stein an den Folgen einer Amtshandlung. Die ihn verprügelt und schwer verletzt haben werden vermutlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden, denn sie sind Justizwachebeamte und Edwin ein Häftling aus Nigeria. Das Justizministerium, das zuständig wäre, den Fall zu untersuchen, ist Auftrag- und Arbeitsgeber der Schlägerbande. Unabhängige ExpertInnen werden nicht zugelassen werden.
Edwin hat in Österreich keine Verwandte, keine Freunde und saß in der unbeschäftigtenabteilung in der JA Stein. Die an der Schlägerei beteiligten Beamten sind Angehörige einer speziellen Einheit von Justizwachebeamten, die auf Grund ihrer psychologischen und physiologischen Eigenschaften dazu ausgewählt wurden und ein spezielles Training absolviert hatten. Deeskalation gehört scheinbar nicht zum Trainingsprogramm. Angehörige dieser Einheit führten im Frühjahr Razzien im Jugendgefängnis Gerasdorf und im Frauengefängnis in der Schwarzau durch. Wie viele Mitglieder einer schwerbewaffneten, speziell ausgebildeten Sondereinheit, wie viel Tränengas und Pfefferspray sind eigentlich nötig, um einen schwerkranken Gefangenen mit Streichmesser zu überwältigen?

Edwin sollte in den Keller in eine Korrektionszelle gebracht werden, die es angeblich gar nicht gibt. So wie das Gurtenbett, von dem erst kürzlich Fotos veröffentlicht wurden, auf denen der vor 2 Jahren in der Justizanstalt Stein gestorbene Erwin K. zu sehen ist, mit schweren Gesichtsverletzungen, angeschnallt, tot.

Die Zusammenarbeit von Medizinern und Polizei, die zum Tod eines Afrikaners führt, weckt unangenehme Erinnerungen an den Tod von Seibane Wague. Immer wenn AfrikanerInnen sterben, haben sie angeblich getobt, waren angeblich aggressiv, drogenabhängig und herzkrank. (Jeder der stirbt, stirbt an Herzstillstand und Versagen der Lungenfunktion.) Um der Diskussion über
Polizeibrutalität als mögliche Todesursache präventiv vorzubeugen, wurde sie kanalisiert in eine Diskussion über angebliche Brutalität an Polizisten und wie ihr vorgebeugt werden könne. Mit Erfolg.

Edwins Tod wäre ganz leicht vermeidbar gewesen. Doch wie die Dinge liegen, besteht seitens der Justiz, seitens des Staatsapparates kein Interesse daran, solche Tode zu vermeiden. Gefängnis dient dazu, den Machtlosen, den Geldlosen, und damit den Rechtlosen zu zeigen, daß sie jederzeit
weggesperrt, geprügelt oder auch getötet werden können. Gefängnis ist konstituierendes Element der Kontrollgesellschaft. Gefängnis macht Angst, brutalisiert und entsolidarisiert. Mit angeblicher Resozialisation hat das lange nichts mehr zu tun. Die Beschwörung von Bedrohungsszenarien von
Terroristen über Drogendealer und kriminelle MigrantInnen und das Wegsperren von immer mehr Menschen hat einen Zweck: Durch den Mythos von mehr Sicherheit die Abschaffung und Aufgabe der letzten bürgerlichen Freiheiten mit Zustimmung der Bevölkerung durchzusetzen. Macht Freiheit unsicher...?

Wieder ist ein Mensch in Folge einer Amtshandlung gestorben und alles ist Schweigen. Die Gefangenen haben Angst, weil sie weitere Repressionen zu befürchten haben. Das sind die Folgen einer Politik der Eskalation in den Österreichischen Gefängnissen. Edwins Tod wird für die Budgetverhandlungen der Frau Miglautsch und das Weiterdrehen der Spirale der Eskalation
instrumentalisiert. Sind wirklich Elektroschocker für immer mehr Justizbeamte die Lösung?
Braucht die Gesellschaft wirklich mehr Häftlinge, mehr Gefängnisse? müssen wir uns nicht überlegen, was das für uns alle bedeutet in einer Zeit in der Armut und Kontrolle im Zunehmen sind? Liberale Kreise fordern die Aufstockung des Personals, wobei konkret genau solche ausgebildeten Einheiten gemeint waren, wie jene, die Edwins Tod zu verantworten haben. So
eine Forderung ist absurd und erhöht sicher nicht die Lebenserwartung der Gefangenen. Gefragt wäre jetzt eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Praxis des Strafvollzugs. Oder über eine gefängnisfreie Gesellschaft.

Nach Ahmed F., Marcus Omofum, Richard Ibekwe, Seibane Wague und anderen stellt Edwin Ndupu nur mehr einen weiteren Fall in der Statistik dar, hinter der die persönliche Geschichte eines Menschen verschwindet. Wie abgestumpft sind wir schon, dass wir solche Tode in der Folge von
Amtshandlungen hinnehmen, ohne aufzuschreien.

Vielleicht machen wir etwas falsch. Vielleicht sind wir zu zahm?