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[ 08. Jul 2005 ]

"Asyl geht uns alle an" - Niemand soll sagen, er oder sie habe nichts gewusst

asylkoordination

Aussendung der Asylkoordination Österreich zum "Asyl- und Fremdenrechts- paket", das am 7. Juli im Parlament beschlossen wurde.

 

Aus Sicht der Flüchtlingsbetreuungsorganisationen ist der parlamentarische Beschluss des Asyl- und Fremdenrechtspakets nur durch Abwerfen sämtlicher Bedenken möglich. Deren gibt es unzählige - nur die Spitze des Eisbergs wurde auch medial diskutiert. Augen zu und durch, anders kann diesem Gesetz nicht zustimmen, wer es auch nur oberflächlich gelesen hat. Warum? Hier einige Punkte...

Zustimmung zum Fremdenrechtspaket 2005 bedeutet

... dass Haftanstalten als "normaler" Aufenthaltsort von Flüchtlingen legitimiert werden.

Stärker noch als bisher wird Sicherung der Ausweisung zum zentralen Thema des Asylverfahrens.
Entsprechend werden die Schubhaftzahlen steigen, die zulässige Dauer wird ebenfalls erhöht. Mit Aufhebung der Sonderstimmungen für traumatisierte Flüchtlinge (§ 30 AsylG) werden auch diese in Zukunft mit den Begleitumständen der Schubhaftnahme, z.B. Trennung von Familien fertig werden müssen. Es sind keine maßnahmen vorgesehen, die eine Rücksichtnahme auf die psychische und physische Ausnahmesituation der Betroffenen darstellen würden.
Monatelange Haft - denn Alternativen zur Schubhaft sind nicht angedacht - kann aufgrund der bloßen Annahme verhängt werden, jemand würde sonst "untertauchen" (§76 Abs.1 FPG). In Schubhaft genommen wird weiters regelmäßig, wer einen ersten negativen Bescheid im Zulassungsverfahren und damit - persönlich von der Fremdenpolizei zugestellt - einen Ausweisungsbescheid erhält (§10 und §27 AsylG, §76 Abs. 2 FPG). Einmal in Schubhaft wird eine Berufung gegen den negativen Zulassungsbescheid zum Asylverfahren de facto unmöglich. Auch wenn Berufung erhoben wird, bietet sie keinen effizienten Rechtsschutz, da die Ausweisung mangels aufschiebender Wirkung dennoch vollzogen wird.

... dass der absolute Vorrang formaler Zuständigkeitsfragen vor den eigentlichen FluchtGründen festgeschrieben wird.

AsylwerberInnen, die über einen anderen EU-Staat eingereist sind, können nun in Schubhaft genommen und abgeschoben werden ohne je ihre Fluchtgründe dargelegt zu haben. Eine polizeiliche Befragung zur "Reiseroute" genügt. (§ 19, § 45 AsylG). Österreich verabschiedet sich auch von der Verantwortung für traumatisierte Flüchtlinge.

... dass mit der Behauptung, Österreich sei durch "die EU-Regelungen" - namentlich die Dublin-Verordnung - zur unterschiedslosen Ausweisung und Schubhaftnahme gezwungen, ein Teil der Wahrheit unter den Teppich gekehrt wird.

Österreich hat nicht nur ein Selbsteintrittsrecht, d.h. die Möglichkeit, trotz der "eigentlichen" Zuständigkeit eines anderen EU Staates ein Asylverfahren selbst zu übernehmen. Sondern Österreich ist dazu nach der Judikatur des VfGh verpflichtet, wenn die Gefahr einer Kettenabschiebung nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Mehrere fälle der Rücküberstellung tschetschenischer Flüchtlinge von Österreich in die Slowakei und schließlich in die Russische Föderation im Herbst 2004 sind bereits belegt.

... dass mit dem Fremdenpolizeigesetz ein Gesetz in Kraft tritt, das die Schwelle zu polizeilicher Zwangsgewalt und zum Eingriff in Grundrechte deutlich niedriger legt, sobald ausländische Staatsangehörige involviert sind.

Unter anderem ist auf bloße Vermutung hin die Suche nach nicht rechtmäßig Aufhältigen in Privatwohnungen, Beratungsstellen, Kirchen etc. möglich. (§36 Abs. 2 FPG).
Wenn ÖsterreicherInnen Nicht-EU-bürgerInnen heiraten wollen, tritt die Fremdenpolizei nun bereits vor der Eheschließung auf den Plan: Standesämter müssen in diesem Fall die Fremdenpolizei vorinformieren (§38 PstG). Ebenso müssen alle anderen involvierten Gerichte und Behörden den "Verdacht einer Aufenthaltsehe" an die Fremdenpolizei berichten (§ 109 FPG). Der bisherige fremdenpolizeiliche Einflussbereich, nämlich die Erteilung oder Versagung einer Niederlassungsbewiligung aufgrund der Ehe, wird damit weit überschritten.

...und dass ein Gesetz, das in Sprache und Inhalt Flüchtlinge und ZuwanderInnen beständig als Sicherheitsgefahr thematisiert, dazu beitragen wird, die Verknüpfung von "Fremd" und "Gefahr" im Bewusstsein der Österreichischen Bevölkerung noch weiter zu bestärken.

Zahlreiche Analogien zum Strafrecht machen deutlich, dass die Gleichsetzung von "Fremden" und "Gefahr in Verzug" Eingang in Gesetzgebung und Vollzug finden soll.

für Fragen steht die Asylkoordination Österreich gerne zur Verfügung:
e-mail: asylkoordination (at) asyl.at