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[ 30. Sep 2005 // letzte änderung: 03. Oct 2005 ]

Spanien/Marokko: Festung Europa fordert zahlreiche Tote

Marokko, Melilla und Ceuta - geografische Lage

Als Ende August 2005 bekannt wurde, dass zwei Migranten von den spanischen Grenzschutz- truppen umgebracht wurden, kam die Situation in Mellila, einer Spanischen Enklave in Afrika zumindest in die unabhängigen und alternativen Medien. In den letzten Septembertagen versuchten erneut Tausende MigrantInnen die Zäune nach "Europa" zu überwinden. Einige Menschen wurden dabei erschossen.

 

Es sind tausende Flüchtlinge, die mit hunderten von Leitern die Zäune Europas in Melilla und Ceuta zu überqueren versuch(t)en, um in die spanischen Quasi-Kolonien im Norden Afrikas, umgeben nur von Meer und Marokko zu gelangen. Hunderten ist es gelungen, es gibt zig Verletzte und zahlreiche Tote. Die genaue Opferzahl ist unbekannt. Parallel dazu beraten die Regierungen Spaniens und Marokkos wie die Grenzen weiter militarisiert werden sollen.

Am Donnerstag, 29. September 2005 starben mindestens sechs Leute beim Versuch von 500 - 600 AfrikanerInnen, in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta einzudringen. Bestätigt hatte die spanische Regierung zunächst nur, dass es zwei Tote auf ihrer Seite gegeben hat. Anderen Quellen zufolge gab es jedoch vier oder mindestens sechs Tote, 100 Personen wurden zum Teil schwer Verletzt. 80 sei gelungen nach Ceuta zu kommen.

Es ist wie im Krieg. Schüsse fallen, es gibt Tote und Verletzte. Als Reaktion auf den Versuch, die Zäune zu überwinden, hat die spanische Regierung das Militär angewiesen, die Guardia Civil bei der Grenzsicherung zu verstärken. Diese Maßnahmen beschränken sich vorerst auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.

Es gibt nur wenige Informationen darüber, was sich nachts an den Grenzen abspielt. So sind es JournalistInnen und Nichtregierungsorganisationen, die vereinzelt Licht in die Vorgänge bringen. So ließ eine Meldung der Radiokette "SER" die ZuhörerInnen aufgeschrecken, als berichtet wurde, dass es gleich sechs Tote in Ceuta gegeben habe. Das Regierungsnahe Radio bezog sich auf Quellen in den Sicherheitskräften, zu denen es seht gute Kontate hat.

Erst danach bestätigte die spanische Regierung offiziell, dass es "zwei Tote" gegeben habe. Ein Afrikaner habe sich "Schnittverletzungen" zugezogen, als er sich in dem scharfen Stacheldraht verheddert habe, mit dem die Grenzzäune gespickt sind, und sei verblutet. Der zweite Mann sei erstickt, als er von einer Menge erdrückt wurde, log Jerónimo Nieto, der Abgesandte der Zentralregierung in Ceuta, schlicht und einfach. Etwa 100 Verletzte bestätigten die Rettungsdienste auf beiden Seiten der Grenze. Im Laufe des Tages räumte ein Krankenhaus im marokkanischen Tetuan ein, auch dort befänden sich zwei Tote. Der Verbleib von möglichen weiteren Toten sind, wie die Todesursachen, unklar.

Guardia Civil und die marokkanische Gendarmerie schieben sich die Schuld gegenseitig zu und verschleiern, wer die Leute erschossen hat. Ein Regierungsvertreter bestätigte, dass "Mittel zur Aufstandsbekämpfung" eingesetzt worden seeien. Er behauptete, keiner der Verletzten weise Schutzverletzungen auf. Das hat sich als Lüge rausgestellt. Ihre Glaubwürdigkeit hat die Regierung von Spanien längst verloren.

In den letzten vier Wochen verloren bei solchen "Unfällen" drei oder vier Personen das Leben. Doch die EinwanderInnen hatten in einem Fall behauptet, mit Gewehrkolben schwer misshandelt und mit Gummigeschossen "abgeknallt" worden zu sein. Guardia Civil und Gendarmerie dementierten, doch die Menschenrechtsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" konnte die dafür typischen Verletzungen bei einem Toten bezeugen. Unabhängige ZeugInnen sprachen von "erschreckender Brutalität" der Guardia Civil. Deren Glaubwürdigkeit ist auch anzuzweifeln. Im Sommer hatten neun Beamten einen Bauer in Südspanien totgeprügelt, der einen Verkehrsunfall anzeigen wollte. Das geschah in einer Kleinstadt, es gab ZeugInnen, sollte aber sogar mit Manipulationen am Obduktionsbericht vertuscht werden. So fragen sich viele, was die Militäreinheit anstellt, die ohnehin jährlich von Menschenrechtsorganisationen wegen Folter angeklagt wird, wenn niemand zuschaut.

Spanien will nun seine Grenzen weiter militarisieren. In Melilla werden gerade die Grenzzäune von drei auf sechs Meter erhöht, und die Kontrolle durch elektronische Sensoren und mehr Personal ausgeweitet. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen fordern eine unabhängige Aufklärung der gesamten Vorfälle und welche Aufgaben das Militär in Ceuta erhält.

Für diese Organisationen ist es kein Wunder, dass die Situation sich gerade vor dem spanisch-marokkanischen Gipfel (siehe http://no-racism.net/article/1363/) zugespitzt hat. Vor dem Treffen in Spanien hatte Marokko bekräftigt, es sei mit der Lage überfordert. Rabat fordert finanzielle und logistische Unterstützung von der EU und greift eine Initiative vom deutschcen Innenminister Otto Schily auf. Die EU soll Auffanglager errichten und Marokko bei der Abschiebung der MigrantInnen unterstützen. Es wird vermutet, dass marokkanische Behörden, die den Druck auf die MarokkanerInnen stark erhöht hätten, die Ereignisse mitprovoziert hätten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Viele Menschen seien so hoffnungslos, dass sie auch unter Lebensgefahr weiter versuchen werden, nach Spanien zu gelangen.


In einem Artikel auf de.indymedia ist zu lesen:

Und die Journalisten reden von "Invasion", "Lawinen", "Wellen" und ähnlichen Dummheiten. Es geht einzig um den Überfluss im Norden und die jahrhundertelange Ausplünderung des Südens. Aktuell wie nie zuvor ist das Lied der baskischen Punkband "La Polla Records": "El atace de los Hambrientos"

Der Angriff der Hungernden

Sie sind auf der verdorbenen Halbkugel
statt Brot gebt ihr ihnen Kanonen
für ihre Zukunft
die andere Seite des Überflusses
Schaut ihnen in die Augen
ihr werdet die Verzweiflung sehen
Unsere Welt ist der Konsum
und sie haben Hunger

Alle zwei Sekunden stirbt einer
weil ihr eine Waffe an ihre Stelle packt
Denkt dran, dass sie unter euren Ärschen
die Zähne schärfen, die ihnen bleiben

und sie haben Hunger, sie haben Hunger
sie warten im Hunger
während wir schießen
Der Weihnachtsmann schickt Essen
weil das alles sehr unschön ist.

Wir werden eure Ernten vernichten und eure Supermärkte,
uns töten, los geht's, wir wollen unseren Teil!

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung von zwei Artikeln auf de.indymedia.org: :: Der Sturm auf Europa 29. Sep 2005 und :: Polizei erschiesst fünf Einwanderer (29. Sep 2005)