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[ 09. Aug 2003 // letzte änderung: 09. Aug 2003 ]

International Organization for Migration (IOM) - Kontrollieren und Managen

Damit Fluchtbewegungen aus Krisengebieten gar nicht erst entstehen, arbeiten die reichen Staaten immer enger zusammen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die International Organization for Migration (IOM).
von Martin Krüger

 

Mit der Globalisierung sind die Zeiten vorbei, in denen ein Nationalstaat in Eigenregie seine Grenzen abriegelte, um Flüchtlinge abzuwehren. Vielmehr arbeiten die Industrieländer heute an einem globalen Migrationsregime. Fluchtbewegungen aus Krisenregionen in die Metropolen sollen gar nicht erst entstehen, gleichzeitig werden nützliche MigrantInnen für die Arbeitsmärkte angeworben. Eine immer wichtigere Rolle bei diesem Migrationsmanagement spielt die International Organization for Migration (IOM).

Mit Offenheit hat die weltweit tätige Organisation nichts am Hut. Diskret führt ihr Berliner Büro zurzeit Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung, der Gewerkschaften und VertreterInnen der so genannten Zivilgesellschaft zu Fragen der Zuwanderung.

Der von der IOM organisierte informelle Austausch der Interessengruppen soll nach der Sommerpause des Parlaments institutionalisiert werden. "Ein exklusives Forum" zur Migrationspolitik soll der "IOM Open Dialogue" sein, in dessen Rahmen "realistische Lösungen" zu Fragen der Zuwanderung und der Integration gefunden werden sollen.

Nach dem vorläufigen Scheitern des Zuwanderungsgesetzes, das die Arbeitsmigration steuern, MigrantInnen nach ökonomischen Kriterien selektieren sowie unkontrollierte Zuwanderung verhindern sollte, geht es der IOM darum, die Debatte neu zu eröffnen.

Schon an der Greencard-Offensive war die Organisation beteiligt, indem sie für deutsche Unternehmen hochqualifizierte IT-SpezialistInnen aus dem asiatischen Raum anwarb und vermittelte. Zwischen Spanien und Ecuador etablierte die IOM etwa ein Abkommen, das die befristete Anwerbung von jährlich 1 500 Ecuadorianern nach Spanien vorsieht, wo sie zu Niedriglöhnen auf den Gemüseplantagen schuften sollen.

Gleichzeitig sorgt die Organisation dafür, dass die MigrantInnen nach der abgelaufenen Arbeitsperiode wieder abreisen. "Von solchen Abkommen zur Arbeitsmigration profitieren sowohl Sende- als auch Empfängerland und selbstverständlich die Migranten", behauptet ein Vertreter der IOM aus Ecuador stolz. "Andere Staaten sollten diesem Vorbild folgen."

Die Regulierung und Vermittlung von profitablen Arbeitskräften ist aber nur eine der Aktivitäten der IOM. In stärkerem maße hat sich die Organisation, in der mehr als 100 Staaten Mitglied sind, der weltweiten Verhinderung "irregulärer" Migration verschrieben (Jungle World, 42/02). "Kontrolle und Management von Migration" lautet modern das offizielle Programm.

In der Diktion der IOM heißt es zwar, dass dies alles "zum Nutzen von allen Beteiligten geschehen soll". Faktisch handelt die IOM aber im ausschließlichen Interesse ihrer Mitgliedsländer. Ganz im Sinne der neoliberalen Ideologie wird unterschieden zwischen "nützlichen" und "nutzlosen" MigrantInnen - also denen, die der kapitalistischen Produktion als billige Arbeitskräfte beziehungsweise hoch ausgebildete SpezialistInnen dienen, und jenen, die, in die Illegalität abgedrängt, in ihrer Bewegungsfreiheit behindert und verfolgt werden.

Gegründet wurde die IOM, die damals noch Intergovernmental Committee on European Migrants (ICME) hieß, bereits 1951. Die Initiative ging von den Vereinigten Staaten aus, die eine Organisation benötigten, in welcher der politische Einfluss der Ostblockstaaten, im Gegensatz etwa zur Uno, gemäß der Truman-Doktrin minimiert sein sollte. Ursprünglich ging das Konzept einer multistaatlichen Organisation zur Kontrolle von Fluchtbewegungen auf eine Konferenz im französischen Evian im Jahr 1938 zurück, auf der die USA die Europäischen Staaten dazu bewegen wollten, mehr verfolgte Juden aus dem nationalsozialistischen Deutschland aufzunehmen.

Ihre endgültige Verfasstheit und ihren heutigen Namen erhielt die Organisation 1989 mit dem Ende des Kalten Krieges. Gegenwärtig hat die Organisation mit Hauptsitz in Genf die Welt in 19 Regionen aufgeteilt, die in Bezug auf die Migration jetzt oder demnächst von Bedeutung sind. In jeder dieser Regionen koordiniert ein RegionalBüro die Aktivitäten der angeschlossenen örtlichen Field Offices. Deren Zahl hat sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt. 100 derartige Büros gibt es inzwischen. Diese stellen sozusagen die Basis der IOM dar. Die aussenposten, die auch in Kriegs- und Krisengebieten gelegen sein können, erheben "wissenschaftlich" Daten und führen Untersuchungen durch, mit deren Hilfe regionale Berichte angefertigt werden.

Auf der Grundlage dieser Berichte und Einschätzungen betreiben vor allem reiche Staaten in Kooperation mit der IOM ihre Migrationspolitik. KritikerInnen bezeichnen deshalb die IOM schlicht als "Spionagenetzwerk".

An diesem Punkt wird die enge Kooperation der IOM mit ihren Mitgliedsstaaten deutlich. Das weite Feld umfasst die Politikberatung, die AusFührung und übernahme ehemals staatlicher Funktionen, die Aus- und Weiterbildung von Grenz- und PolizeibeamtInnen, die Hilfestellung bei der Verhinderung so genannter illegaler Migration und die Förderung der Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten bei der Migrationskontrolle.

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Staaten Europas führt die IOM "freiwillige Rückführungsprogramme" durch, und das äußerst erfolgreich. In ihrer Selbstdarstellung im Jahr 2000 verweist sie auf 430 000 "Rückführungen" weltweit, die meisten davon, nämlich 75 000, aus Deutschland. Zielländer dieser Transporte sind zumeist Kriegs- und Krisengebiete, in die eine Abschiebung oftmals nur möglich ist, weil die IOM nicht an staatliche Gesetze gebunden ist.

Damit es erst gar nicht dazu kommt, dass Menschen aus dem süden in die reichen Staaten der westlichen Welt gelangen, betreibt die IOM in den Herkunftsländern "Informationskampagnen", deren einziges Ziel die Abschreckung ist. Sie leistet Hilfe bei der Perfektionierung der Grenzregime und der Methoden, die den Zugang zu den Metropolen verhindern sollen.Die EuropäischeUnion wird zurzeit dabei unterstützt, die noch durchlässigen Grenzen der neuen Mitglieds- und Anrainerstaaten in Osteuropa aufzurüsten. für die Ukraine und die baltischen Staaten entwickelten ExpertInnen der IOM Programme für die neuen Grenzbefestigungen. Die Ausstattung mit modernem Equipment und die logistische Aufrüstung der Grenztruppen erfolgten unter der Ägide der lokalen IOM-MitarbeiterInnen.

In Australien unterstützt die IOM maßgeblich die so genannte Pazifische Lösung: die Abwehr von BootsFlüchtlingen und ihre Unterbringung in Flüchtlingslagern in pazifischen Kleinstaaten wie Nauru. Sie selbst betreibt die berüchtigten Lager für die konservative australische Regierung.

So konzentrieren sich vielerorts die Entwicklung, die Verwirklichung und die Kontrolle der migrationspolitischen Maßnahmen in den Händen der IOM, auch wenn sie dabei auf die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen angewiesen ist. Des Weiteren zählen Spezialprogramme wie die Auszahlung von Entschädigungsgeldern an nicht jüdische ehemalige ZwangsarbeiterInnen des Dritten Reiches zum Aufgabenbereich der IOM.

Betroffene wie der Roma National Congress (RNC) aus Hamburg werfen der Organisation vor, die Auszahlungen verzügert und behindert zu haben. Hier zeigt sich besonders deutlich der Widerspruch der IOM: Auf der einen Seite ist sie für die Abschiebung der Roma zuständig und auf der anderen für deren Entschädigung. Der RNC kommt deswegen zum Schluss: "Die IOM ist der Feind der Roma."

Text übernommen aus der Jungle World Nr. 33 vom 6.8.2003