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[ 21. Dec 2007 ]

Erweiterte Grenze überall

Platter vor Schild: Grenzen fallen, Freiheit gewinnt, Sicherheit bleibt.

Mit einer feierlichen Zeremonie wurde am 21.12.2007 der scheinbare Fall der Grenzen inszeniert - doch nicht für alle, denn die erweiterten Grenzen für manche sind überall und werden professionellst abgesichert.

 

Mit einer Zeremonie, die in den Geschichtsbüchern der begrenzten Ideologie der Herrschaft landen will, wurde heute (21.12.2007) in einer Art Studio der scheinbare Fall der Grenzen inszeniert. Der eine Teil der Herrschaft lächelte mit bekannter Kanzlerfratze in die Kameras der eigenen Presse, um keinen Zweifel am Passieren der 'Osterweiterung' des 'Personen und Güterverkehrs' - welches beides dasselbe meint - aufkommen zu lassen. Die zweite Hälfte - namentlich das Innenministerium - gab währenddessen die neue Situation der neuen Grenzen preis: Die Mauern rund um Europa sind nun höher, fester, gewaltiger; die Überwachung innerhalb der EU und Österreich sind dichter, lückenloser, immer und überall wirksam. Willkommen in der Zukunft: Selbst die letzte gutmütige Dialektikerin, die um Willen einer lebenswürdigeren Gegenwart selbst die Geschichte des Schreckens verdrängte, musste wohl an diesem Tag den Gedanken an einen unbedingten Fortschritt im menschlichen Sein aufgeben -zugunsten eines Pessimismus, der nach Aktionismus gegen die herrschenden Entwicklung schreit!


Auf ersten Blick scheint die humanistische Inszenierung vom 'Fall der Grenzen' zu wirken. Ja wieso denn nicht? Wir sind nun den Menschen aus Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Polen, Malta, Litauen, Lettland, Estland näher als je zuvor. Es gibt doch jetzt Reisefreiheit für die Ware Mensch...

Bei näherem Hinsehen, offenbart das Ereignis des heutigen Tages den Schrecken, welcher sich hinter der gut präsentierten Show bereits an den Tag gelegt hat. Eine Situation der Ausgrenzung, geschürt von der Paranoia der Angstmache unter dem Titel der Sicherheit, soll 'uns' vor den 'Anderen' schützen; was in Wirklichkeit meint: die brauchbare Ware Mensch von der Unbrauchbaren abzusondern, zu selektieren. Nichts mit Nähe. So heißt es am selbigen Tag aus dem Innenministerium: 'Für Österreich wird es damit einen doppelten Sicherheitsgürtel geben, jenen an der neuen Schengen-Außengrenze und den breiten Sicherheitsgürtel auf beiden Seite unserer Binnengrenzen'.

Die Entfernung zwischen 'uns' und den 'Anderen' findet also nicht mehr über eine Grenzlinie, kontrolliert von ZollwächterInnen, statt, deren Ort auf jedem Atlas ersichtlich ist. Die Entfernung zum Anderen, die Entfernung der Anderen ist nun großräumig und de facto überall. Jederzeit kann es nun passieren, dass WächterInnen der neuen Überall-Grenze in ihren mobilen Zollwachen einem/ einer befehlen: 'Halt! Hier findet eine Kontrolle statt! Und jetzt Aussteigen!'

Dabei gilt das Augenmerk zunächst dem, was sichtbar gefährlich ist. Im neuen 'Innen' sind es die Roma-Banden (und allem was danach aussieht), deren 'genetischer Defekt' bereits von der objektiven Wissenschaft der 40iger Jahre festgestellt wurde. Die Gefahr von Außen ist für die Ideologie am ersichtlichsten beim 'Schwarzafrikaner'. Damit sich aber kein Fremdkörper diskriminiert fühlt, ist die Verlautbarung auch allgemein gehalten, sodass es jede/n treffen kann, treffen soll: 'Das neue Sicherheitssystem bedeutet bessere Chancen im gemeinsamen Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität, den internationalen Terrorismus und die illegale Migration'.

Die erweiterte Objektivität von Schengen wird auf der Ebene der Durchsetzung namentlich von 'Frontex' erforscht, was soviel heißt wie 'Agentur zum Schutz der europäischen Grenzen'. Diese rühmt sich damit, die modernste Technologie der Industriegesellschaft zu besitzen, um genau jene von Europa fern zu halten, die zuvor in die Kategorie 'Illegale' gesetzt, wenn sie nicht zuvor bereits am Zaun ermordet wurden. Frontex bietet neben professionellen Einsätzen an jedem Millimeter der Außengrenze auch das Managen von Massenabschiebungen an. Darauf darf die österreichische Tradition in ihrem rassistisch-nationalistischen Fundament Stolz sein. 'Österreich gestaltet die Politik von Frontex wesentlich mit und stellt den Vorsitzenden des Frontex-Verwaltungsrats, der die Arbeit der Agentur steuert.' Wenn damit jetzt eine Beschränkung auf eine bürokratische Beteiligung verstanden wurde, dann gilt es dieses Missverständnis auch gleich aus dem Weg zu räumen. Nein, man man will bitteschön bei der erweiterten Mauer auch 'live' dabei sein dürfen: 'Im Anlass stellt Österreich einen Hubschrauber, acht Wärmebildfahrzeuge und zwei mobile Büros (Schengenbusse) inklusive Bedienungspersonal zur Verfügung'. Die Jagd auf die 'Illegalen' kann beginnen.

Genug von Draußen gesprochen, zurück zum Feind im Inneren und somit zur inneren Grenze, für deren Überwachung 'Österreich ein größeres Pool von Grenzpolizei-Experten aufgebaut' hat, die mit Hilfe des 'Schengener Informationssystems' jede Person, die im Verdacht steht nicht-ÖsterreicherIn zu sein, durchsichtig macht. Übrigens wird es bei der Erweiterung von SIS (so die niedliche Abkürzung) biometrische Daten von allen Person, die erkennungsdienstlich behandelt wurden, europaweit der nationalen Polizei zur Einsicht stehen. Nachdem diese Behandlung in Zukunft bei der Beantragung von einem Reisepass automatisch geschieht, bedeutet dies, dass jeder/m die Ehre zu Teil kommen kann, dass ihr/sein Namen - ohne das Wissen und Zustimmung darüber - ins SIS eingetragen wird.

Nicht das jetzt eine Stimmung aufkommt, dass alle neuen BürgerInnen Europas, oder gar die 'lieben Österreicher und Österreicher', gleich so grob behandelt werden sollen, wie die 'Illegalen' an den Außengrenzen. Nein, nein, das Innenministerium stellt klar: 'Solche Polizeikontrollen, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheiden, sind nach der Schengenerweiterung weiter möglich und sinnvoll (vor allem im Landesinneren).'

Könnte das bitte mal verstanden werden: Es ist so sinnvoll! Es ist sinnvoll, dass es Menschen gibt, die mit geladenen Waffen und höchster Technologie Jagd auf Menschen machen, von denen sie behaupten, dass sie eine Gefahr darstellen, weil sie nun mal nicht von hier sind. Kann das bitte mal verstanden werden! Es ist sinnvoll, dass Menschen systematisch dokumentiert, verfolgt, selektiert und ausgegrenzt werden, damit es ein Österreich gibt, welches gesäubert ist von alledem, was objektiv Nicht-ÖsterreicherIn sein soll. Verdammt nochmal, es ist sinnvoll! Das ist der Sinn des Seins! Zumindest im erweiterten Europa der Herrschaft.

Was bleibt angesichts dessen noch übrig, als alle, die tatsächlich noch von einem Sinn überzeugt sind, dazu aufzurufen, alles zu unternehmen, um dieser Absurdität ein Ende zu bereiten.

Dieser Artikel wurde no-racism.net mit der Bitte um Veröffentlichung anonym zugesandt; Zitate im Text stammen vom Artikel Nr. 4667 der Homepage des österreichischen Innenministeriums: bmi.gv.at