Humanitärer Aufenthalt sei "Gnadenrecht" - Öffentliche Verhandlung am Freitag, aber noch keine Entscheidung
Das humanitäre Bleiberecht war am Freitag Gegenstand der ersten öffentlichen Verhandlung des neuen VfGH-Präsidenten Gerhart Holzinger. Konkret ging es um die Frage, ob Betroffene selbst das Recht haben müssen, eine humanitäre Niederlassungsbewilligung zu beantragen. Derzeit kann dieser Aufenthaltstitel nur "von Amts wegen" - und nur mit Zustimmung des Innenministers - beantragt werden.
Schutz des Familienlebens
Während der Verhandlung äußerten die Richter teils recht deutlich ihre Zweifel an der Verfassungskonformität der Bestimmungen. Ein Urteil wurde heute noch nicht gefällt. Der humanitäre Aufenthaltstitel kann Betroffenen von Behörden erteilt werden, wenn ihr reguläres Aufenthaltsverfahren negativ beschieden worden ist. Voraussetzung sind "besonders berücksichtigungswürdigende Gründe" - also etwa, wenn ihnen in ihrer Heimat Gefahr droht. Ob dies auch den Schutz des Privat- und Familienlebens umfasst, war eine zentrale Frage der Verhandlung. Die Vertreter der Regierung bejahten dies und verwiesen auf die Vorverfahren, bei denen die Relevanz des Artikel 8 der Menschenrechtskonvention bereits ausreichend geprüft werde.
'Polizeistaatlicher Untertan'
Seitens der Verfassungsrichter wurde dem entgegengehalten, dass auch im Verfahren zum humanitären Bleiberecht jeder Einzelne das Recht haben müsse, den Schutz auf Privat- und Familienleben zu beantragen. Die VfGH-Kritik an den Bestimmungen wurde in der heutigen Verhandlung teilweise recht deutlich geäußert: Das Verfahren zum Bleiberecht sei ein Gnadenrecht, das im demokratischen Staats keinen Platz mehr habe, meinte etwa einer der Richter. Die Regelungen stammten aus einer Zeit, in der der Bürger polizeistaatlicher Untertan gewesen sei, hieß es weiter.
Ministerium warnt vor 'Antragsflut'
Wie viele Verfahren von 'Amts wegen', also von den Behörden in der Praxis eingeleitet wurden, konnte der Vertreter des Innenministeriums nicht sagen. Man führe keine statistischen Aufzeichnungen, meinte er auf eine entsprechende Frage der Richter. Er warnte jedenfalls vor einer massiven Antragsflut bei den Landesbehörden im Falle einer Aufhebung der derzeitigen Bestimmungen.
Das heutige Verfahren war Teil des Gesetzesprüfungsverfahrens, das der VfGH im Oktober 2007 selbst eingeleitet hat. Mitbehandelt wurde auch der Antrag des Landes Oberösterreich vom Dezember, mehrere Bestimmungen zum Bleiberecht aufzuheben. Wann es ein Urteil des VfGH in der Causa geben wird steht laut VfGH-Sprecher Cristian Neuwirth noch nicht fest. Es könnte aber auch bis zur Herbst-Session dauern, meinte er gegenüber der APA nach Verhandlungsende.
Um die Causa Zogaj ist es in der Verhandlung nicht gegangen. Die Beschwerden Arigonas und ihrer Mutter - dagegen, dass Innenminister Günther Platter ihnen keine humanitäre Niederlassungsbewilligung erteilt - werden in einem eigenen Verfahren behandelt.
Artikel DerStandard, 13.6.2008