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[ 28. Apr 2009 ]

Ein warmer Sommer... der Revolte (Belgien)

liberte

Während der Großteil der Leute versucht seinen Urlaub zu genießen sind die Temperaturen innerhalb der Zellen der belgischen Demokratie noch nicht runter gegangen. Zwei Jahre lang haben die Gefangenen nun die Routine der Einsperrmaschinerie durch kollektive wie auch individuelle Revolten, Besetzungen und Ausbrüche gestört und gebrochen...

 

Die letzten Ereignisse sprechen nochmal für sich selbst.

Anfang Juli bricht in einem Abschiebeknast in Steenokkerzeel, einem Lager, wo der Staat die, die unerwünscht sind abschiebt, eine Revolte aus. Fünf aufständige Insassen werden von der Special Intervention Squads (Sondereinheiten) in andere Lager deportiert.

Mitte Juli klettern zwei Gefangene auf das Dach des Abschiebeknasts in Merksplas um gegen die Verhältnisse in diesem Zentrum zu protestieren. Währenddessen revoltieren zwei Abteilungen dieses Knasts. Das Einschreiten der Polizei schlägt beide Revolten nieder.

Am gleichen Tag brennt ein Gefangener in Tunhouts seine Zelle nieder wodurch der ganze Korridor beschädigt wird. Fünf Tage später nehmen zwei junge Gefangene einen Schließer als Geisel im Knast von Leuven. Sie fordern ihre Freilassung. Nachdem sie ihn freigelassen haben verbarrikadieren sie sich in der Bücherei und legen ein Feuer. Ein Einsatz der Special Intervention Squad bringt die Sache zu ende. Beide werden in einen anderen Knast in Leuven verlegt und kommen in Iso-Haft.

Am letzten Tag im Juli verweigern sich in Merksplas Gefangene zurück in ihre Zellen zu gehen. Einige von ihnen tragen Messer und Latten mit sich und verbarrikadieren sich in einer Abteilung. Sie zerstören die Knasteinrichtung und zünden eine Barrikade an. Durch den entstehenden Rauch wird die ganze Abteilung beschädigt. Die Special Intervention Squads schaffen es nachts zusammen mit Rioteinheiten wieder für Ordnung zu sorgen.

Konfrontiert mit solch befreiender Gewalt bleibt der Staat ziemlich ruhig, während er gleichzeitig zulässt, dass seine Lakaien eine erneute Indoktrinationswelle beginnen. Obwohl die Kraft der Verfremdung und Ausbeutung unsere intellektuellen Fähigkeiten dämpft reichen wenige Fragen um zu erklären, worum es geht.


Wer sind die Kidnapper?


Alle Schlagzeilen in den Zeitungen echauffieren sich darüber, dass Schließer als Geiseln genommen wurden wenn über die beiden Gefangenen aus Leuven berichtet wird. Aber was macht denn ein Knast außer permanent tausende von Menschen im Auftrag des Staates als Geiseln zu nehmen? Wer sind die Richter_innen, außer die Geiselnehmer_innen, die blutiges Geld für ihre Tätigkeit erhalten?

Die Forderung des größten Geiselnehmers, des Stattes, an die Geiseln und an die übrige Bevölkerung ist sehr einfach: Akzeptiert eure Rolle innerhalb des Systems. Akzeptiert, dass ihr immer arbeiten gehen müsst, um die reichen noch reicher werden zu lassen. Akzeptiert, dass Elend und Unterwerfung euer Schicksal ist. Akzeptiert, dass es im Leben Sieger_innen und Verlierer_innen gibt. Die Sieger_innen sind hierbei jene, die vom Gesetz und der Polizei beschützt werden und auf unseren Schultern ihr Geld verdienen. Die Verlierer_innen sind diejenigen, die das System ständig versucht zu zwingen eine solche Welt zu akzeptieren. Und Verlierer_innen werden wir auch bleiben. Solange wir nicht anfangen aufzustehen und zu kämpfen.

Wie jede_r Gefangene genau weiß ist der einzige Weg den Kopf oben zu behalten und du selbst zu bleiben der, die Auseinandersetzung innerhalb der grauen Mauern der Demokratie mit den Knastautoritäten aufzunehmen. Mit den tausend-und-ein Mitteln, die uns die Revolte bereit stellt.


Wer sind die Wahnsinnigen?


Die Rebellen, die auf das Dach des Abschiebeknasts Merksplas geklettert sind, genauso wie diejenigen, die durch das Feuer der Freiheit die Knastinfrastruktur angezündet haben, werden als "Wahnsinnige" dargestellt. Sind aber die "Wahnsinnigen" nicht diejenigen, die versuchen uns ein Leben zu verkaufen, das hauptsächlich von Fernsehen und Langeweile geprägt ist? Sind aber die "Wahnsinnigen" nicht diejenigen, die unsere Umwelt durch den Bau ihrer Büros, Schnellzüge, Atomanlagen/Atommülllager und unbewohnbare Wohnblöcke zerstören? Sind aber die "Wahnsinnige" nicht diejenigen, die uns täglich der schädlichen Strahlung der Telephonmasten und wireless-internet-verbindungen oder vergiftenden Chemiefabriken aussetzen? Ihr "Irrsinn" ist nicht blind, sie ist rational: Der wohl durchdachte und zielgerichtete Plan mit ihren tödlichen Projekten mehr und mehr Profit zu erwirtschaften.


Wer sind die Erpresser?


Das neue Zauberwort für die Machthabenden ist den Konflikt, der in den verschiedenen Arten von Knästen andauert als "Erpressung" zu bezeichnen. Ein Konflikt, in dem sich die Rebell_innen nicht nur innerhalb der Grenzen demokratischer Gesetze bewegen. Erpressung ist Gesetze zu machen, die die gegenwärtige Ordnung aufrecht erhalten sollen. Die Besetzung verschiedener Kräne in Brüssel um auf die Abschiebemaschinerie aufmerksam zu machen wäre "Erpressung", sagen die Politiker_innen. Soziale Kämpfe können aber nie Erpressung oder Terrorismus sein - die Erpresser_innen befinden sich wo anders. Es sind die Banker, die uns durch Löhne, die wir zum Überleben bräuchten aussaugen. Es sind die Chef_innen, die uns mit Kündigung drohen, falls wir ihre Tyrannei nicht mehr akzeptieren wollen. Es ist der Staat, der uns durch Knaststrafen erpresst, falls wir uns seinem Durst nach Herrschaft nicht beugen wollen. Die mächtigen dieser Welt wissen ganz genau, dass solche Erpressungen von denjenigen, die sich verweigern, das weiter hinzunehmen, abgelehnt werden weil für sie etwas auf dem Spiel steht. In solchen Momenten finden wir die Kraft wieder, die in uns verborgen liegt; nur durch den sozialen Kampf und die Revolte werden die Erpresser dieser Welt ihren Zauber verlieren.


Wer sind die Gewalttätigen?


In Belgien sterben jedes Jahr 200 Leute an ihren Arbeitsplätzen. Jedes Jahr sterben dutzende von Gefangenen hinter Gittern oder während ihrer Abschiebungen. Jedes Jahr werden dutzende von Leuten von Bullen erschossen, wie neulich in Charleroi. Mindestens das dritte Mal innerhalb von sechs Monaten wurde ein Autodieb von Bullen durch mehrere Schüsse in seinen Kopf erledigt. Die tägliche Gewalt des Staates, Herrschaft und Kapitalismus kennt keine Grenzen. Wenn sie unsere Revolte als "gewalttätig" darstellen bringt uns das nur zum Lachen. Wenn sie sagen soziale Kämpfe seien "Terrorismus" kommen wir ihnen auf die Schliche. Wir wissen, dass das nur dazu dienen soll ihren Terrorismus - dieses System des Geldes, der Knäste, Polizei, Grenzen, Einsperren, Elend... - als die best mögliche Welt darzustellen. Weit entfernt von der Illusion, dass sich die Verhältnisse durch Wahlen, das Betteln bei Politiker_innen, Formulieren von Forderungen und Schreiben von Petitionen ändern werden sagen wir noch einmal, dass die sozialen Kämpfe nur dann zu unseren werden wenn wir selbst entscheiden wie wir sie ausgestalten wollen. Durch die Organisierung außerhalb von Gewerkschaften, politischen Parteien und Institutionen. Durch die Wahl, wie wir die Feinde unter Nicht-Beachtung der Kategorien "legal" und "illegal" angreifen wollen. Indem wir uns der Gewalt dieses Systems entgegen stellen setzen wir die Revolte in all ihren Erscheinungen fort. Das ist der Grund, warum wir mit Freude erfüllt sind wenn Gefangene ihre Zellen niederbrennen, ihre Gitter durchsägen und versuchen zu fliehen und sich weigern "danke Chef_in" zur Uniform zu sagen, die Tag für Tag ihre Zellen abschließen.

Wir müssen überall wo es möglich ist die Erpressungen dieses Systems verweigern und den auf Herrschaft und Ausbeutung basierenden Terrorismus bekämpfen. So würden die Revolten innerhalb der Knastmauern, der Zäune der Abschiebeknäste, der von streikenden Fabriken, der Grenzen eines rebellischen Viertels oder der Kabine eines Kran keine isolierten bleiben!

Solidarität mit dem Kampf gegen alle Knäste und Abschiebeknäste!

Freiheit für alle!

Keine Mauern hoch genug gegen die Rebellion!

Keine genug geschützten Feinde gegen die Revolte

http://www.abc-berlin.net

Dieser Text erschien zuerst am 27. April 2009 auf :: at.indymedia.org.