Vom Sit-in von Flüchtlingen vor dem Sitz des UNHCR in Rabat Mitte Juni 2009 über zahlreiche bislang ergebnislose Verhandlungen bis zu ersten Prozessen gegen Flüchtlinge.
15.06.2009: Beginn des Sit-ins
Am Montag dem 15.06.2009 beginnen ca. 60 Flüchtlinge ein mehrtägiges Sit-in vor dem Sitz des UNHCR in Rabat. Später werden es mehr als 100. In einer Presseerklärung fordert die RTRM (Rassemblement de Tous les Réfugiés au Maroc = Vereinigung aller Flüchtlinge in Marokko) in ihrem Namen die sofortige Umsiedlung der Flüchtlinge in andere Länder (réinstallation/ resettlement), in denen ihre Rechte respektiert werden. Die Flüchtlinge begründen ihre Forderung mit den untragbaren Lebensbedingungen, die sie teilweise seit Jahren in Marokko erdulden müssen:
Hintergrund ist, dass die marokkanischen Behörden sich weigern, den vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen Aufenthaltsgenehmigungen auszustellen.
Damit ist ihnen jedoch der Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungssystem, zur Gesundheitsversorgung und anderen öffentlichen Einrichtungen versperrt. Darüber hinaus werden immer wieder auch anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber festgenommen und an die algerische Grenze nach Oujda deportiert, da die marokkanischen Sicherheitskräfte die vom UNHCR ausgestellten Papiere nicht anerkennen. Insgesamt haben 250 der ca. 600 (im Juni
2008 noch 830) in Marokko vom UNHCR anerkannten Flüchtlinge einen Antrag auf ein Resettlement beim UNHCR eingereicht und Briefe an verschiedene Botschaften geschrieben.
16.06.2009: Verhandlungen zwischen Flüchtlingen und Vertretern diverser UN- Institutionen
Bereits am 16. Juni kommt es zu Verhandlungen zwischen zehn Vertretern der Flüchtlinge und einem marokkanischen Vertreter der UNO (Mr Mourad Wahba), dem Generalsekretät der Wilaya (Regionalverwaltung) von Rabat ( Mr Mohammed Regraga), seinem Stellvertreter sowie einem Vertreter des UNHCR (Mr Akram). Bereits vor Verhandlungsbeginn fordert der Generalsekretär der Wilaya die Flüchtlingsverteter dazu auf, die übrigen der protestierenden Flüchtlinge dazu zu bewegen, den Sitz des UNHCR zu verlassen, da die marokkanische Polizei sie ansonsten gewaltsam räumen würde. Die Flüchtlingsverteter wollen diese Forderung jedoch nicht vor Ende des Verhandlungsgesprächs erfüllen. In den folgenden Verhandlungen gibt der Generalsekretär den Flüchtlingen sein Wort, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ihre Forderung vor dem UNHCR zu unterstützten. Da der Leiter des UNHCR in Marokko (Johannes van der Klaauw) sich auf einer Dienstreise in Marrakesch befindet, wird ein Verhandlungstermin für Donnerstag den 18. Juni ausgemacht.
18.06.2009: Zugesagter Verhandlungstermin mit UNHCR
Den Flüchtlingen wurde ein Verhandlungstermin beim UNHCR um 11.00 Uhr zugesagt. Laut einer Pressemitteilung machen der UNHCR und der CCDH am selben Tag eine Veranstaltung zu Ehren des Tages des Flüchtlings. Bei dieser Veranstaltung sollen auch M. Ahmed Herzenni (Präsident des CCDH) und Johannes van der Klaauw (Leiter der UNHCR-Vertretung in Marokko) anwesend sein.
20.-22.06.2009: Tag des Flüchtlings unter dem Motto 'Vraies personnes, vrais besoins'
Die Stiftung Okzident-Orient veranstaltet zusammen mit internationalen und marokkanischen Menschenrechtsgruppen (Amnesty international, OMDH, Réseau Euromed des droits de l‘Homme) und mit Unterstützung des vom Staat eingerichteten CCDH (Conséil Consultatif de Droit de L'Homme) und des UNHCR anlässlich des Tags des Flüchtlings unter dem Motto "Vraies personnes, vrais besoins" (Wirkliche Personen, wirkliche Bedürfnisse) ein dreitägiges Festival mit Kulturprogramm und Runden Tischen.
Die Flüchtlinge bleiben der Veranstaltung aus politischen Gründen fern. Ein aktives Mitglied des RTRM erklärt, die Flüchtlinge und Asylbewerber würden zeitgleich den sechsten Tag in Folge vor dem Sitz des UNHCR gegen dessen Politik protestieren. Sie fordern vom UNHCR angesichts ihrer prekären Lebensumstände in Marokko ein Resettlement in andere Länder und nicht die Organisation von Festivals und Runden Tischen mit der marokkanischen Zivilgesellschaft (Artikel aus der
marokkanischen Zeitung Libération 27.06.2009).
27./28.06.2009: Gewaltsame Vertreibung
Nachdem sie über eine Woche lang ein kontinuierliches Sit-in aufrechterhalten haben, werden die Flüchtlinge in der Nacht zum 27. Juni gewaltsam von der Polizei vertrieben. Zuvor hatten sie von Johannes van der Klaauw das Versprechen erhalten, dass der UNHCR am 2. Juli mit ihnen in Verhandlung treten werde.
:: Bericht über die Räumung
30.06.2009: Unterstützungserklärung
Am 30. Juni geben Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen eine Unterstützungserklärung heraus, in der sie die polizeiliche Repression verurteilen und die Forderung der Flüchtlinge nach einem Resettlement unterstützen. Neben Flüchtlings- und Menschenrechts-gruppen aus Marokko haben auch Gruppen aus Deutschland und Frankreich den Aufruf unterzeichnet.
:: Link zur Unterstützungserklärung
02.07.2009: Verhandlungen mit UNHCR ergebnislos
Die angekündigten Verhandlungen mit dem UNHCR am 2. Juli 2009 bleiben ohne Ergebnis. Nach den Verhandlungen werden die Flüchtlinge von der marokkanischen Polizei erneut angegriffen. Mindestens vier von ihnen werden so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Unklar bleibt, wie viele Flüchtlinge im Rahmen der polizeilichen Repression verhaftet wurden.
Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen aus Marokko sowie anderen afrikanischen und europäischen Ländern schreiben einen Brief an den UNHCR.
13.07.2009: Erste Prozesse gegen Flüchtlinge
Am 13. Juli beginnt ein Prozess gegen 5 Flüchtlinge, die sich an den Protesten gegen die Politik des UNHCR beteiligt hatten und am 2. Juli verhaftet wurden. Sie sind u.a. wegen „illegalen Aufenthalts“ angeklagt, obwohl sie vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt sind.