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[ 20. Jun 2009 ]

Das Stockholmprogramm - das neue gefährliche Überwachungssystem der EU

Kommt die totale Überwachung?

Bürger_innnen- rechtsgruppen zeigen sich besorgt über einen neuen EU-Antrag, der ein "gefährliches autoritäres" Europäisches Überwachungs- und Sicherheitssystem weiterentwickeln würde, das ID-Ausweisregistrierungen, Internetüberwachungssysteme, automatische Grenzübergangssyssteme durch Geräte zur Lesung von biometrischen Daten und Profilerstellungen zur Risikoeinschätzung beinhalten wird.

 

Am 15. Juni 2009 haben die EU-Justizminister_innen das sogenannte Stockholmprogramm besprochen, das bis Ende des Jahres die erste "innerstaatliche Sicherheitsstrategie für die EU" aufstellen will. Das "Stockholmprogramm" ist das von der Schwedischen Präsident_innenschaft vorgelegte legislative Programm im Bereich Justiz und Inneres für den Zeitraum von 2009 bis 2014.

Der Schwedischen Präsident_innenschaft zufolge zielt das Stockholmprogramm darauf ab, "den Rahmen für die Polizei in der EU und Zollzusammenarbeit, Rettungsdienste, Zusammenarbeit zwischen Straf- und Bürgerrecht, Asyl-, Migrations- und Visumspolitik zu definieren".

"Nationale Grenzen dürfen unsere Tätigkeit nicht mehr länger einschränken," sagte Jacques Barrot, der Europäische Justiz- und Sicherheitskommissar, am 9. Juni, als er die Prioritäten der EU im Justizbereich für die nächsten fünf Jahre darlegte. Die Maßnahmen umfassen verstärkte Sicherheitszusammenarbeit und ein verbessertes Management bei der Immigration.

Der Text, den der Minister vorlegte, fordert strengere Grenzkontrollen, einen besseren Austausch von Informationen über kriminelle und sicherheitstechnische Fragen zwischen Mitgliedsstaaten und eine verstärkte Polizeizusammenarbeit.

Der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso sagte, dass "die Maßnahmen der EU in Zukunft vor allem darauf abzielen muss, den Bürgern den bestmöglichen Dienst im Bereich Freiheit, Sicherheit und Justiz zu bieten, der für die Bürger besser zugänglich sein sollte."

"Wir wollen die Rechte der Bürger fördern, ihr tägliches Leben erleichtern und Schutz bieten; für all dies bedarf es effektiver und verantwortlicher Maßnahmen in diesen Gebieten auf Europäischer Ebene. In diesem Zusammenhang finde ich die Immigrationspolitik besonders wichtig. Das ist die Vision, die die Kommission dem Rat und dem Parlament zur Debatte vorlegt, mit einem Auge auf die Annahme des neuen Stockholmprogrammes durch den Europäischen Rat im Dezember 2009."

Verfechter der Bürger_innenrechte haben unterschiedlich auf den Antrag reagiert: "Was heraussticht, sind die Anträge im Zusammenhang mit dem Bericht der Future Group. Ein Versprechen, den Datenschutz und EU-Standards für "Privacy Enhancing Technology" mit dem Forderungen der Straferfolgungsbehörden zum Zugriff auf Informationen und Kommunikationen besser abzustimmen. Eine Informationssysteminfrastruktur zur Weitergabe aller Daten innerhalb der EU. Der Einsatz von "Sicherheitstechnologien", um sich mithilfe von Massenüberwachungen den "digitalen Tsunami" zunutze zu machen, um persönliche Daten über alltägliche Tätigkeiten durch öffentlich-private Partnerschaften einzuholen. Neu ist das klare Ziel, eine Überwachungsgesellschaft und den Datenbankstaat zu errichten. Zukünftige Generationen, für die dies eine vollentwickelte Realität darstellen wird, werden auf diese Ära zurückblicken und zu Recht fragen, warum habt ihr nichts dagegen unternommen?", sagte Tony Bunyan von Statewatch.

Der Text führt wiederholt Anträge ein, die sich auf Immigration und Asyl beziehen, und auf "Lastenverteilung und Solidarität" zwischen Mitgliedsstaaten bestehen, wenn es um Asylbewerber_innen geht, und besagt, dass legale Einwanderer_innen in der gesamten EU den gleichen Status haben und leichteren Zugang auf den Arbeitsmarkt erhalten sollen. Frontex, die externe Grenzbehörde soll mit mehr Befugnissen ausgestattet werden, um Menschenhandel und irreguläre Einwanderungen an den EU-Grenzen verhindern zu können.

Freiheitsverfechter_innen zufolge werden uns diese Pläne nur noch näher an eine Überwachungsgesellschaft bringen. "Hier wird unter der Schirmherrschaft der EU ein zunehmend ausgefeilter interner und externer Sicherheitsapparat aufgebaut," hieß es von Bunyan.

Eines der größten Bedenken betrifft die Absicht, die Überwachungstechniken der Polizei in der EU zu standardisieren und einheitliche Systeme zur Einholung von Daten auf EU Ebene zu schaffen. Eine besonders besorgniserregende Aussage im Antrag lautet: "Die SIS II- und VIS-Informationssysteme werden ihre volle Operationsphase erreichen müssen. Ein elektronisches System zur Aufzeichnung von Einreisen und Ausreisen und ein Programm zur Registrierung von Reisenden muss eingeführt werden. Die Nützlichkeit eines Systems zur vorherigen Autorisierung zu Reisebewegungen ist zu untersuchen."

Die Pläne beinhalten die Ausweitung der gemeinsamen Nutzung der derzeitigen DNA- und Fingerabdrucksdatenbanken für neue digitale ID-Ausweise, CCTV-Aufzeichnungen und Material von Internetüberwachungen.

The Daily Telegraph berichtete, man hätte Informationen von EU-Beamten, dass die neuen Pläne der Umsetzung des Lissabon-Abkommens bedürfe, das im Moment vom Irischen Referendum von 2008 gestoppt wird und auf ein zweites irisches Referendum in diesem Herbst wartet. Das Abkommen sieht die Schaffung eines Ständigen Ausschusses für Interne Sicherheit zur Koordinierung von Verfahrensweisen zwischen nationalen Gewalten und EU-Organisationen wie Europol, Frontex, der Europäischen Gendarmerie und des Brüsseler Geheimdienstes vor.

Das Stockholmprogramm wird beim informellen Ministertreffen in Stockholm im Juli 2009 diskutiert werden und weiters im November vom Europäischen Parlament geprüft werden, wobei gehofft wird, dass es schließlich am Gipfel im Dezember 2009 unter der Schwedischen Präsident_innenschaft angenommen werden wird.

Dieser Artikel erschien zuerst am 22. Jun 2009 auf :: unwatched.org.