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[ 08. Dec 2009 ]

Europäisches Parlament nimmt Stockholmer Programm an

Nach einer sechsmonatigen Vorbereitungsphase ist sich die Europäische Union (etwas verspätet) fast einig über ihren 5-Jahres-Plan zur politischen Linie in den Politik- Bereichen Justiz und Inneres, besser bekannt als "Stockholmer Programm".

 

Debatten zu diesem Antrag liefen parallel zueinander ab, einerseits durch das Europäische Parlament, das eine Stellungnahmen zur Akte vorbereitete und andererseits durch die Mitgliedsstaaten, die zur selben Zeit auf die Vollendung des "tatsächlichen" Textes hinarbeiteten. Obwohl die Ansichten des Europäischen Parlaments nur bedingt direkte Auswirkungen auf das Stockholmer Programm selbst hatten, werden sie praktische Vorhaben, die von diesem neuen Plan anschließend festgelegt werden, beeinflussen können.

Der seitens des Parlaments in großer Eile und viel Chaos angenommene Text ist eine Mischung aus einigen sehr positiven Berichten und manchen weniger hilfreichen. Positiv ist anzurechnen, dass Versuche unternommen wurden die "Gleichgewichts"-Metapher nach 9/11 in Bezug auf Freiheiten und Recht neu zu gestalten: "(...) die EU ist im Freiheitsprinzip verwurzelt; hebt hervor, dass als Stütze für diese Freiheit, Sicherheit in Übereinstimmung mit Rechtsstaatlichkeit und gemäß den Verpflichtungen gegenüber den Grundrechten verwirklicht werden muss; gibt an dass das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit aus dieser Perspektive betrachtet werden muss". Einer der Schwerpunkte liegt auf der Bewertung der Auswirkungen von Maßnahmen, die unter diesem Programm angenommenen wurden, und der Verbesserung bereits gegenwärtiger Evaluierungssysteme. Auf der Schattenseite wurden Möglichkeiten versäumt im Hinblick auf den von der Europäischen Kommission geforderten Mindestgrad an Sorgsamkeit bezüglich der bei Folgenabschätzungen zu erwähnenden Probleme und hinsichtlich der inhärenten Gefahren bei Nutzung von Datenbanken, besonders wenn diese miteinander verbunden sind.

In der Zwischenzeit stieß der Rat bei Diskussionen in letzter Minute über das Programm auf einige Probleme, wenn auch diese zur Zeit der Erstellung dieses Textes für die Initiative als Ganzes nicht verheerend zu sein scheinen. Wenn mensch bedenkt, dass der Minister eines Mitgliedsstaates im Laufe der Minister_innendebatte den Wunsch äußerte, das Stockholmer Programm solle zur "Ausrottung des Terrorismus" führen und den Wunsch eines anderen, das Programme solle effektiv mit Kleinkriminalität umgehen, scheint es, als ob Mitgliedsstaaten einigermaßen unrealistische Erwartungen an die Initiative stellen. Einerseits entfernte mensch einige der destruktiveren und populistischeren (Blockade von Webseiten) sowie der absolut gefährlichen Maßnahmen ("Ablehnung" von IP-Adressen fremder ISPs, die seitens der Polizei als kriminell eingestuft werden) in der Mitteilung der Europäischen Kommission vom Juni diesen Jahres, welche die Grundlage des Programms bilden sollte. Andererseits scheint der Rat dem Missverständnis unterlegen zu sein, dass eine IT-bezogene automatisierte Regulierung Systeme hervorbringen wird, die sowohl günstiger als auch weit effizienter sein werden und zudem die Bürger_innenrechte nicht gefährden. Diese Tendenz zeigt sich im Antrag des Rates (obgleich geschickt mit Worten über den Schutz persönlicher Daten gerahmt) zur "Interoperabilität von IT-Systemen, die bei der Entwicklung solcher Systeme vollkommene Konformität mit Datenschutz und Datensicherheitsprinzipien sicherstellen". In diesem Zusammenhang, und dieses beunruhigende Thema wahrend, äußerte die schwedische Ministerin Beatrice Ask (zu Beginn der Diskussionen im Rat) ihre Hoffnung auf die Schaffung eines "kosteneffektiveren Datenaustausches".

Wie zuvor erwähnt, verlangsamten Unstimmigkeiten und Säumnisse die endgültige Annahme des Textes maßgeblich. Während die Minister_innen sich einig waren, dass Bürger_innen ihre persönlichen Daten jeder Regierung (einschließlich fremden Regierungen, in Anknüpfung an das SWIFT-Abkommen zum Austausch von Bankdaten) gerne anvertrauen sollten, trauten sie einander nicht zu, für gegenseitig anerkannte Asylverfahren verantwortlich zu sein. Dadurch verzögerte dieser Aspekt des Programms seine Annahme.

Der nächste Schritt in diesem Prozess wird es sein, konkrete Projekte vorzubereiten, die im Rahmen des angenommenen Textes beantragt werden. Dies wird die Europäische Kommission, angeblich unterstützt von der spanischen Ratspräsident_innenschaft, übernehmen.



:: Commission Communication (10.06.2009)
:: Last available consolidated text
:: Second-last set of amendments to the Programme (27.11.2009)
:: unwatched: Annahme des Stockholmprogramms steht kurz bevor (12. Sep 2009)

Dieser Artikel wurde zuerst am 06. Dez 2009 auf :: unwatched.org veröffentlicht, hier bearbeitet von no-racism.net.