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[ 09. Mar 2010 ]

Stell Dir vor Du bist schwarz und illegalisiert

Text einer spanischen Verfasserin aus Tanger/ Marokko, die dort seit langem lebt und (illegalisierte) MigrantInnen unterstützt. Sie begleitet und übersetzt für TransitmigrantInnen bei marokkanischen Behörden.

 



Stell Dir vor, dass Du am letzten Sonntag in einem öffentlichen, marokkanischen Krankenhaus entbunden hast. Ein prächtiger Junge.
Stell Dir vor, dass Du am folgenden Tag entlassen wurdest, Montag.
Stell Dir vor, dass Du nach hause zurückgekehrt bist, müde, mit nachgeburtlichen Blutungen, noch mit Schmerzen in der Gebärmutter, die darum kämpft in ihre alte Lage zurückzukehren.
Stell Dir vor, dass Dich zu hause Deine Tochter, die 2 Jahre und 2 Monate alt ist und Dein Partner erwarten.
Stell Dir vor, dass während Du heute morgen das Baby badetest schon gesehen hast, dass es Schwierigkeiten hatte zu atmen.
Stell Dir vor, dass Du zum öffentlichen, marokkanischen Krankenhaus eiltest.
Stell Dir vor, dass man Dir sagte, dass man Dich nicht behandeln könnte.
Stell Dir vor, dass Du zweimal hingingst.
Stell Dir vor, dass beim dritten Mal Dein Baby zu atmen aufhörte fast vor dem Eingang des Krankenhauses.
Stell Dir vor, dass Du um Hilfe für Dein totes Baby batest
Stell Dir vor, dass sie es in die Leichenhalle des Krankenhauses trugen.
Stell Dir vor, dass man Dich, Deine Tochter von 2 Jahren und 2 Monaten und Deinen Partner zur Polizeiwache brachte.

Jetzt stell Dir vor, dass du dich vor Schmerzen in den Eingeweiden krümmst, der bittere Schmerz über den Tod Deines Sohnes, der Schmerz einer Gebärmutter, die Dich daran erinnert, dass Du gerade ein Kind zur Welt gebracht hast, der Schmerz der Milch, die Dir in die Brüste schießt, die hart wie Steine sind. Aber jetzt stell Dir vor, du bist schwarz, stell dir vor, Du bist Afrikanerin, stell Dir vor, Du bist arm und stell Dir vor, dass du keine Papiere hast.

Du sitzt, gebeugt über Deinen Bauch in diesem schmutzigen Polizeirevier, wo sie kommen und gehen und in einer Sprache mit Dir sprechen, die Du nicht verstehst. Dort sehe ich Dich und versuche die Fragen zu übersetzen, die mir dumm, grausam und inhuman erscheinen.

Sie wollen wissen, was ihr in ihrem Land macht, wie ihr eingereist seid und wie lange ihr schon da seid. Sie wollen wissen, wie ihr heißt, wie Eure Eltern heißen und warum ihr gekommen seid. Dein Partner fleht und bittet um Mitleid. Er weiß, dass alle Fragen darauf ausgerichtet sind, eine Abschiebung in die Wüste zu rechtfertigen. Dein Partner fleht und er beruhigt Dich, indem er Dich "Süße" nennt. Deine Kleine lächelt, spielt mit ihrer Mütze und singt "Halleluja".

Die Polizei holt einen arabisch/englisch Übersetzer, um das Schriftstück zu machen und Euch zum Gericht zu bringen
Du sagst mir, dass - wenn sie Dich in die Wüste abschieben, sie Dich dort vergewaltigen werden und dass Du glaubst, dass Du den Schmerz nicht aushalten wirst, da Du gerade entbunden hast.

Ein Polizist nähert sich mir und fragt mich: "Warum macht Ihr das? Aus Spaß?" Dieser nette Polizist nennt "das" - Eltern zu begleiten, die in ihrem Schmerz versunken sind, etwas zu essen zu kaufen für die Kleine, die den ganzen Tag ohne einen Bissen verbracht hat und zu versuchen etwas Menschlichkeit oder zumindest eine gute Behandlung in dieses verfluchte Revier hineinzubringen.

Dann sehe ich ihn an, seine Gleichgültigkeit entsetzt mich und ich antworte ihm, dass wir es aus Liebe tun. Ich sehe in ihm diejenigen, die essen, scheißen und den Polizisten machen um weiter essen und scheißen zu können. Es tut mir leid.

Sie behalten Deinen Partner im Polizeirevier und erzählen mir, dass Du als humanitärer Fall zu hause schlafen darfst. Morgen musst Du zusammen mit Deinem Mann zum Gericht gehen.

Du verlierst die Fassung. Es ist das erste mal, dass ich Dich sehe, wie Du diesen Bauch presst, der Dich schmerzt. Du schreist und weinst bis Dich ein Polizist auffordert aufzuhören.

Ich halte diese Szene nicht mehr aus und bitte darum zu verstehen, dass Dein Kind heute gestorben ist, dass Du soeben eine Entbindung hinter Dir hast, dass Dir Dein Innerstes wehtut.

Er antwortet mir mit Verachtung, dass es in diesem Land Gesetze gibt, dass man hier das macht, was der Staatsanwalt sagt und dass Du eine schwarze Illegale bist.

Morgen werden wir zum Gericht gehen, morgen wird ein Staatsbediensteter entscheiden, ob sie Dich und Dein Kind in der Morgendämmerung in die Wüste hinauswerfen. Von da ab entscheidet das Glück, ob Du vergewaltigst wirst, ob Deine Tochter entführt oder auch missbraucht wird.

Stell Dir vor, dass Dir das alles heute passiert ist.
Stell Dir vor, dass uns Frauen ihr Innerstes weh tut
Stell Dir vor, dass uns allen unser Innerstes weh tut

Tanger, 16. Februar 2010 von Helena Maleno