Am Freitag, 2. Juli 2010 erhängte sich der 58-jährige Slawik C. in der Justizvoll- zugsanstalt (JVA) Langenhagen bei Hannover. Dies ist in diesem Jahr der bereits dritte bekannt gewordene Selbstmord in Abschiebehaft allein in Deutschland. Für viele Menschen ist dies die letzte Möglichkeit des Widerstandes gegen ihre Deportation.
Medienberichten zufolge wurde Slawik C. am späten Abend des 2. Juli von Wachebeamten tot in seiner Zelle gefunden. Ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums gab am Montag, 5. Juli, an, dass sich der Mann mit dem Kabel eines Wasserkochers am Fensterkreuz erhängt habe. Bei der Aufnahme des Gefangenen in die Abschiebehaft hätte es keine Hinweise auf Selbstmordgefahr gegeben.
Dem 58-Jährige Mann, der um Asyl ansuchte, drohte nach elf Jahren Aufenthalt in Deutschland die Abschiebung nach Armenien. Seiner Frau droht ebenfalls die Abschiebung nach Armenien, sein Sohn verfügt laut Medienberichten über einen Aufenthaltstitel in Deutschland.
Widerstand in der JVA Langenhagen
Am 25. Juni 2010 traten vier Abschiebehäftlinge in der JVA Langenhagen :: in Hungerstreik, um gegen ihre Abschiebung nach Syrien zu protestieren. Einer von ihnen wurde, obwohl durch den Hungerstreik gesundheitlich geschwächt, am 29. Juni über den Flughafen Frankfurt nach Damaskus, Syrien abgeschoben. Den anderen drei droht die Abschiebung in den kommenden Wochen.
Die Hungerstreikenden hatten ihren Streik aufgrund von Drohungen durch JVA-Beamt_innen nach drei Tagen abgebrochen. Es kommt oft vor, dass Hungerstreikende statt einer entsprechenden medizinischen Versorgung Isolationshaft bekommen. In der JVA Langenhagen befinden sich diese im Kellergeschoss. Eine Sprecherin der Medizinischen Flüchtlingssolidarität Hannover sagte dazu gegenüber der :: TAZ: "Es ist ein Skandal, dass man mit solchen Zwangsmaßnahmen den passiven Widerstand brechen will".
Hintergrund der Abschiebungen nach Syrien ist ein Rückübernahmeabkommen, das Anfang 2009 in Kraft getreten ist. Demnach sollen rund 7000 syrische Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben werden. Aufgrund der Menschenrechtslage in Syrien, wo besonders Kurd_innen und Yezid_innen von Folter und Inhaftierung bedroht sind, wird dieses Rückübernahmeabkommen von verschiedenen Seiten scharf kritisiert.
Trotz der Kritik und der Tatsache, dass bereits mehrere nach Damaskus abgeschobene Menschen nach ihrer Ankunft von den dortigen Behörden verhaftet wurde, weil sie "das Ansehen Syriens beschädigt" hätten, wollen die deutschen Behörden weiterhin nach Syrien abschieben.
Kein Einzelfall
Der Selbstmord von Slawik C. in der JVA Langenhagen, mit dem dieser eine der radikalsten Formen des Widerstandes gegen die rassistische Abschiebepolitik wählte, ist der mindestens dritte an die Öffentlichkeit gedrungene Selbstmord in der Abschiebehaft in Deutschland in diesem Jahr.
Am 16. April erhängte sich die 34jährige :: Yeni P. mit einem Gürtel in der Teilanstalt für Frauen der JVA Hahnöfersand.
Der 17-jährige :: David M. starb am 7. März im Hamburger Gefängniskrankenhaus. Nachdem er bereits tagelang jegliche Nahrung verweigert hatte, ohne dass die Behörden auf seinen Widerstand reagierten, erhängte er sich.
Doch nicht nur in Deutschland und nicht nur in diesem Jahr stehen Selbstmorde und Selbstmordversuche an der Tagesordnung in Abschiebegefängnissen und Internierungslagern. Viele sehen keine andere Möglichkeit, als mit ihrem Tod gegen die mörderische Politik der Abschottung, Internierung und Deportation zu protestieren.