Am Dienstag, 30. November 2010 wollte die Polizei Frau P. und ihre zwei Söhne aus dem Freund_innen schützen Haus in Wien abholen, um sie abzuschieben. Ein Nerven- zusammenbruch und Proteste, die die Forderung der Familie nach einem Aufenthalts- recht in Österreich unterstützten, führten dazu, dass die Abschiebung zumindest an diesem Tag abgesagt wurde.
Folgender Bericht ist aus der Sicht von Unterstützer_innen und einer klaren Ablehnung von Abschiebungen geschrieben.
Bekannt wurde die drohende Abschiebung am Montag, nachdem die Initiator_innen des Freund_innen schützen Hauses(*) in einer Aussendung dazu aufriefen, auf einen Tee vorbei zu kommen:
"Der Verein Purple Sheep ersucht um ein Zeichen der Anteilnahme und bittet Menschen, die die Familie psychisch stärken möchten, ab sofort zu Tee in den Innenhof im Freunde Schützen Haus in der Arndtstraße 88, 1120 Wien."
(siehe :: Hilferuf von Purple Sheep: Neuerlich droht Abschiebung)
Diesem Aufruf folgten zahlreiche Menschen, um gegen die drohende Abschiebung zu protestieren und Solidarität mit den von Abschiebung bedrohten Menschen zu zeigen. Die Fremdenpolizei hatte angekündgit, am Dienstag um 18:00 Uhr die Familie im Freund_innen schützen Haus abzuholen. Ab 16:00 wurde zur "stillen und friedlichen Anteilnahme" im Freund_innen schützen Haus geladen. Immer mehr Leute trafen ein. Doch die Polizei kam nicht wie angekündigt. Noch vor einer Stunde parkten ein paar vollbesetzte Busse in der Nähe des Hauses in der Arndtstraße, sind dann aber wieder gefahren. Lediglich ein bar amtsbekannte Polizist_innen in Zivil beobachteten nun das Geschehen.
Im laufe des Tages war zu einer Demonstration von der nahe gelegenen U4-Station Meidlinger Hauptstraße zum Freund_innen schützen Haus aufgerufen worden, zuerst für 18:00 Uhr, aber dann auf 17:30 Uhr vorverlegt. Doch alle Leute, die ankamen, warteten nicht erst, sondern machten sich gleich auf zum um die Ecke liegenden Haus. Ein paar Aktivist_innen wollten dort nicht tatenlos herum stehen und begaben sich zur Kreuzung Meidlinger Hauptstraße / Schönbrunnerstraße und blockierten den Fahrstreifen Richtung Innenstadt, was sofort einigen Stau verursachte und die Nerven einiger Autolenker_innen strapazierte. Ihnen wurde erklärt, dass es hier nicht um ein paar Minuten Verspätung geht, sondern darum, dass die Polizei Menschen gegen ihren Willen mit Gewalt außer Landes schaffen will. Die Aktivist_innen riefen Parolen und hatten ein Transparent mit der Aufschrift: "Wunsch an das Christkind: Abschiebung abschaffen!" dabei. Nach etwa 15 Minunten kam die Polizei, wurde schnell mehr und drängte die die Straße blockierenden Menschen unsanft auf die Seite. Die Blockade löste sich schnell auf und die Leute gingen, doch von zwei nahm die Polizei dann noch die Personalien auf.
Vor dem Freund_innen schützen Haus war mittlerweile ein Rettungswagen eingetroffen. Für die Leute vor dem Haus war nicht klar, was nun geschehen würde. Denn die Polizei war nicht wie angekündigt um 18:00 erschienen und statt dessen etwas später ein Rettungswagen. Die Leute, die im und vor dem Eingangsbereicht standen, mussten zur Seite gehen, sonst würden die Rettungsleute die Polizei rufen. Diese kam dann aber ohnehin wieder von selbst vorbei. Nachdem bekannt wurde, dass die von Abschiebung bedrohte Frau aus gesundheitlichen Gründen ins Spital kommt, folgten die Anwesenden der Aufforderung, wenn auch mit etwas Skepsis. Es dauerte noch einige Zeit, bis die Sanitäter_innen die Alleinerzieherin in Begleitung ihrer 13 bzw. 22jährigen Söhne heraustrugen und in den Rettungswagen brachten. Der ältere Sohn fuhr dann als Vertrauensperson mit. All diese Szenen wurden von den Kameras zahlreicher Journalist_innen aufgezeichnet, der ORF war bereits seit längerem mit einem Sendewagen vor Ort und übertrug später live für die Nachrichten.
Es dauerte noch einige Zeit, bis der Rettungswagen losfuhr. Noch bestand Unklarheit, ob es an diesem Tag zur geplanten Abschiebung kommen würde. Der jüngere, 13jährige Sohn war weiterhin vor Ort, doch es war sehr unwahrscheinlich, dass er ohne seine Mutter abgeschoben wird. Und der ältere, bei dem die Wahrscheinlichkeit einer Abschiebung ohne seine Mutter hoch ist, war als Vertrauensperson Richtung Spital unterwegs. Warten machte also keinen Sinn. Nachdem die halbe Straße ohnehin während des Abtransportes mit Menschen gefüllt war, begaben sich nun immer mehr auf die Straße. Mehr Polizei rückte an, schritt aber nicht gleich ein. Leute mit den Transparenten begaben sich nach vorne, Sprüche gegen Abschiebungen wurden gerufen und dann setzten sich um die hundert Leute in Bewegung und gingen Richtung Schönbrunner Straße. Dort wurde kurz gegen die Fahrbahn stadtauwärts demonstriert, doch bald drehten die Leute um gingen auf der Fahrbahn stadteinwärts, gefolgt von hupenden Autos.
Mittlerweile war die Chefin der Fremdenpolizei, Andrea Jellinek im Freund_innen schützen Haus eingetroffen und begab sich in das Büro vom Verein Purple Sheep, der das Haus beteibt, in dem die Rechtsvertreterin Karin Klaric gemeinsam mit zahlreichen Journalist_innen wartete. Klaric hatte in den vergangenen Tagen auf alle möglichen Weisen versucht, die Abschiebung auf rechtlichen Wege zu verhindern. Sie erzählte der Chefin der Fremdenpolizei kurz, was eben geschehen war. Diese gab dann, ohne sich dabei klar auszudrücken, mehr oder weniger bekannt, dass es an diesem Tag keine Abschiebung geben würde. Der ebenfalls anwesende 13jährige Sohn wurde von Frau Klaric gefragt, ob er im Haus bleiben oder wieder zurück ins Flüchtlingsheim wolle, wo er bis vor kurzem wohnte. Er entschied sich, hier zu bleiben und die Fremdenpolizistin stimmte dem freundlicherweise zu. Den großteils kritische Fragen der Journalist_innen wich Jellinek aber aus oder sagte einfach, dass sie dazu gegenüber Journalist_innen keine Auskunft gäbe. Eine Frage lautete, ob die Fremdenpolizei versucht, Medien möglichst keine kritischen Bilder von Abschiebungen zu liefern. Auf die Frage, was nun mit der Abschiebung sei, ring sie sich dann doch noch durch zu sagen: "Jetzt wird sicher niemand festgenommen und jetzt wird sicher niemand abgeschoben." Zumindest "heute, jetzt, 18:50 Uhr", ohne ein Wort über die Zukunft der Familie zu verlieren. Eine Amtshandlung werde sie nicht mit den Journalist_innen besprechen. Frau Klaric meinte abschließend, dass sie nicht die Fremdenpolizei kritisiere, da diese nur die Gesetze exekutiere; und eben diese Gesetze sollten geändert werden. Danach wurden die Journalist_innen aus dem Raum gebeten und die Fremdenpolizistin blieb bei der Rechtsvertreterin, mit der sie noch einiges zu besprechen hätte. Vor dem Haus übertrug der ORF nun für die Nachrichten, den Wunsch an das Christkind gut sichtbar im Bild. Die Polizei war weiterhin vor Ort und beobachtete das Geschehen vor dem Haus, wo sich die Anzahl der Aktivist_innen verringerte.
Die Spontandemonstration hatte den Gürtel erreicht und blockierte, mittlerweile auf weniger als die Hälfte der ursprünglichen Größe geschrumpft, kurz die Kreuzung Ecke Gumpendorferstraße. Die Polizei, die die Demonstration bis hierher nur in Zivil begleitete, wurde nun immer mehr und uniformierter und folgte der Menge über den Gürtel Richtung Mariahilfer Straße mit zigfachem Blaulicht. Alle bogen sie nun ein Richtung geballtem Kaufrausch der Konsumgesellschaft. Während sich die Menge zerstreute, verfing sich das Blaulicht gegen 19:30 Uhr. Und ein deutliches Zeichen gegen Abschiebungen war gesetzt.
Einen akustischen Einblick in die Geschehnisse gibt die Audiodokumentation :: im FREUNDE SCHUETZEN HAUS war eine abschiebung geplant ...
(*) Nachdem es hier um eine Frau geht, haben wir uns erlaubt, die männliche Eigenbezeichnung des Freund_innen schützen Hauses zu gendern.