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[ 17. Sep 2011 ]

Gewalttätige Formen der Abschiebung

Ausschnitt aus einem Dokument mit Bild eines Babys, auf dem mit fetten Buchstaben, das Wort

Dieser Bericht von 'bizegranice' erzählt die Geschichte zweier Roma- Familien, die "freiwillig" ausreisten bzw. von Deutschland nach Makedonien abgeschoben wurden.

 

Wir sitzen im Schatten in einer Straße von Shutka und warten auf die Musik und Feierlichkeiten eines Familienfests der Nachbar_innenschaft. Dabei quatschen wir mit Jugendlichen aus Düsseldorf, die gerade ihre erweiterte Familie in Skopje besuchen. Ein Mann nähert sich von uns an, er hält der Hand eines zwanzigjährigen Mädchen, das selber eine Puppe in ihren Armen trägt und im Nirgendwo lächelt. Als er hört, dass wir auf deutsch sprechen, kommt er ganz schnell zu uns und spricht den Freund an, der für uns übersetzt. Dieser erklärt uns, dass der Mann uns bei ihm einlädt, um über seine Probleme zu sprechen und damit wir gucken können, was sich machen lässt.

E. stellt einige Plastikstühle in den kleinen Hof, hilft seiner geistig behinderte Tochter Z. sich neben uns hinzusetzen. Er kommt schnell wieder, die klassische Plastiktüte in der Hand, voll gestopft mit deutschen Dokumenten. Er sieht gestresst aus und erzählt seine Geschichte so schnell, dass es sogar für unseren Roma Freund ziemlich schwierig ist, ihn zu verstehen und zu übersetzen. Gleichzeitig stellt E. tausende Ärzt_innenzertifikate und offizielle Dokumente auf meinen Schoß. Wir können die Panik und Angst dieser Familie direkt fühlen, es wird langsam sehr schwer und emotional für uns, die Geschichte dieses Mannes zu verfolgen. Eine Frau, die ein süßes Baby in ihren Armen trägt, kommt in dem Hof an. Sie stammt aus der gleichen Familie. L. fängt an, sich mit uns auf deutsch zu unterhalten.

Allmählich schaffen wir es, die ganze Geschichte der beiden Familien zusammen zu fügen. Die erste Familie - Eltern und zwei Mädchen (davon Z., die geistig behindert ist) - hat zwei Aufenthalte in Deutschland, Duisburg verbracht. Während den 1990ern wo Z. zur Welt gekommen ist und dann 2010, wo sie Asyl für humanitäre Gründe beantragt hat. In Skopje ist es unmöglich, dass Z. regelmäßig Spezialist_innen besucht und dass die Herzkrankheit seines Vaters behandelt wird. E. wurde in Deutschland fünf Mal am Herz operiert. Abgelehnter Asylantrag, Zwang das deutsche Territorium zu verlassen, Druck die Papiere der freiwilligen Rückkehr zu unterschreiben. E. sagt uns, dass die Polizei ins Krankenhaus gekommen ist, als er noch unter Atmungshilfe war. Es war aber noch nicht dieses Mal, dass die Behörden geschafft haben, sie abzuschieben. Darauf entscheidet E., nach Makedonien zurück zu fahren, damit sie keine Sperre bekommen. Er organisiert selbst die Reise und akzeptiert nicht mal die Bustickets, die das rote Kreuz und andere Organisationen ihnen zu Verfügung stellen. Sie sind vor ein paar Wochen zurückgekehrt, haben seitdem keine Sozialhilfe mehr bekommen und nicht wissen, wie sie mit Z. weitermachen werden. Im Moment trägt sie ihre Puppe in ihren Armen in den Straßen von Shutka.

L., die Verwandte von E., kennt ein paar Wörter auf deutsch: sie hat diese Sprache während ihrer ersten Aufenthalt in 90er gelernt, als sie ebenfalls ein Kind in dieser Zeit in Oberhausen bekommen hat. Sie sieht empört, schockiert und revoltiert aus. Anscheinend hat sie einiges zu sagen. Sie, ihr Mann, und ihre drei Kinder (davon ein ein-jähriges Baby) wurden im letzten April von Deutschland mit Gewalt abgeschoben, nachdem sie dort Asyl beantragt hatten. Sie bringt uns die vorübergehenden Pässe, die die serbische Botschaft Deutschlands für ihre Abschiebung beschafft hat. Es ist ziemlich erstaunlich, ein Dokument mit dem Bild eines Babys zu sehen, auf dem mit fetten Buchstaben, das Wort "abgeschoben" steht. L. erzählt: "Die Polizei ist in der Nacht gegen vier oder fünf Uhr mit Hunden in unser Asylheim angekommen. Sie sind alle zu den Türen der Roma Familien und in die Zimmer gegangen. Sie haben gesagt, wir müssen los und haben ein paar Tüten gezeigt, in denen wir unsere Sachen schnell einpacken sollten. Dann haben sie meinem Mann Handschellen angelegt und ihn im Bus in einem begrenzten Teil eingesperrt. Mit den anderen Familien waren wir zusammen auf der anderen Seite des Busses. Sie haben vier Familien nach Serbien und zwei Familien nach Makedonien abgeschoben." Später, im Laufe des Gesprächs, verstehen wir, dass die Behörde zwei Mal versucht haben, die Familie abzuschieben: das erste Mal hat es aber nicht geklappt, weil der Arzt die Abschiebung wegen dem hohen Blutdruck von L. gestoppt hat.

Ich frage L., ob sie vor dem Kamera sprechen möchte. Sie akzeptiert. Ihre Wörter sind nicht immer ganz klar aber der Sinn ist verständlich. Als ich sie über ihr Leben seit der Rückkehr in Shutka frage, erklärt sie, wie schwierig es jeden Monat ist, über die Runde zu kommen und Geldeinkommen zu finden. Die beiden Familien mieten derzeit ein Haus, aber sind nirgendwo Eigentümer_innen. Und da sie mehrere Monaten in Deutschland waren und nicht mehr bei dem Sozialamt registriert sind, haben sie kein Recht mehr auf finanzielle Hilfe des Staates und zwar während vieler Monate. Als sie anfängt, über ihre Kinder zu reden, bricht L. in Tränen aus. Sie erzählt, dass sie nicht in der Schule gehen können, weil sie im Laufe des Jahres zurückgekommen sind. Sie hofft dennoch, dass sie im September die Schule wieder besuchen können.

Wir schreiben Namen auf, Telefonnummer und versprechen uns gegenseitig, in Kontakt zu bleiben. Die Adresse des Anwalts in Deutschland ist ebenfalls notiert. Wir gehen in der Hitze wieder fort, ganz schön erschüttert durch die Geschichten, die wir gerade gehört haben. Wir fühlen uns machtlos, wütend. Z. gibt ihrer Puppe die Flasche und die anderen, mit Papieren in den Armen, gucken wie wir uns langsam entfernen.

Artikel bearbeitet übernommen von :: bizegranice.wordpress.com, 31. Aug 2011.