Kommentar anlässlich der jüngst von der SPÖ Wien veröffent- lichten 'Wiener Positionen zum Zusammenleben'.
Die Argumentationen gegen den von der SPÖ vorgetragenen öffentlichen Bekenntniszwang zur deutschen Sprache verlaufen großteils in einer verstehenden sie entschuldigenden Richtung - indem ihr unterstellt wird, dass sie den Wahlkampf gegen die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) zwecks der Entfremdung deren Wählerschaft bei den bevorstehenden Wahlen betreibt. Warum diese Kommentatoren hinter der Vorhand in die Tiefenpsychologie der Parteistrategen blicken können, ist mir ein Rätsel. Um eine Aussage zu verstehen, ist wichtig, sich an das zu halten, was tatsächlich geschrieben wurde. Alles andere produziert Gespenster, die man nicht mehr los wird.
So ein Gespenst ist der seit 30 Jahren diskursiv sehr wirksame Glaubenssatz, dass alle Zwangsmaßnahmen, die seitens der SPÖ initiiert, vergesetzlicht und durchgeführt werden, deswegen gemacht werden, weil die SPÖ seitens der FPÖ dazu gezwungen wurde. Aus dem oberen Satz 'Wer hier leben will, muss Deutsch können!' spricht eine Sprache des Befehls. Es gibt da jemanden, der befiehlt, und jemanden, dem befohlen wird.
Die Rechtfertigung für diesen Satz kam am 13.02.2012 in einer Presseaussendung. Dort steht, dass es darum geht, die 'Grundwerte' wie 'Demokratie und Rechtsstaat', Laizismus, Gewaltfreiheit, Geschlechtergleichheit und Menschenrechte, durch diesen Befehl verteidigt werden sollen.
Wir können uns da fragen, welche und wessen Demokratie, wenn in Österreich Millionen von Menschen von den Wahlen ausgeschlossen werden, welcher und wessen Rechtsstaat, wenn die Gefängnisse voll mit 'Ausländern' sind und wir durchaus von einer 'Rassenjustiz' sprechen können, welcher Laizismus, wenn Stephansdom in das offizielle Wiener Logo Eingang gefunden hat, welche und wessen Gewaltfreiheit, wenn diese Gewalt in Form der Diskriminierung in allen Lebensbereichen die Realität der MigrantInnen bildet, welche und wessen Geschlechtergleichheit, wenn die Männer nach wie vor die Chefspositionen bekleiden.
Nicht zuletzt welche und wessen Menschenrechte, wenn jährlich tausende und abertausende Menschen an Europas Grenzen umgebracht werden. Die Rechtfertigung mit den Grundwerten versucht eben den Blick von diesen Tatsachen abzuwenden, es versucht nur die Realitäten durch Fiktionalitäten zu ersetzen. In diesem Sinne wären diese Illusionisten, im Sinne von Meister der Verblendung, als erstes in die Realität zu integrieren.
Aber, was wir noch dazu lernen sollen, ist, dass die Argumente, die wir gegen die befehlenden Grundwerte hervorbringen, selber ein Teil des Spieles der Hochsprache sind. Eines Spieles, das sich auf der Herrschaftsebene abspielt. Die Hochsprache hat gegenüber den Beherrschten nur eine Ausrichtung, sie sollen beherrscht bleiben.
Erstveröffentlichung eines Kommentars von Ljubomir Bratic mit freundlicher Genehmigung des Autors.