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[ 18. Jun 2012 ]

Des Gfrett mit da Hack'n

arbeitserlaubnis: yeah! arbeitszwang: no!

(Undoku- mentierte) Arbeit von Asylwerber_ innen in Österreich

 

Das De-facto-Arbeitsverbot für Asylwerber_innen und ihre nach wie vor unzureichende Existenzsicherung über die Grundversorgung bedingen, dass viele auf der Suche nach (ergänzenden) Einkommensquellen in die sogenannte "Schattenwirtschaft" ausweichen (müssen). Die hier lokalisierten Formen undokumentierter Arbeit sind mithin (vermeintlich) unbeabsichtigte Effekte staatlicher Reglementierung. Zugleich jedoch blieb die Verteidigung fundamentaler Arbeits- und Sozialrechte lange Zeit alleinige Sache der Betroffenen. Erst seit Kurzem scheint hier etwas in Bewegung zu geraten: aufseiten des Gesetzgebers durch die EUropäische Sanktionsrichtlinie von 2009; aufseiten der zuständigen Interessenvertretungen durch einen - hoffentlich nachhaltigen - Bewusstseinswandel.

"Irregularisierung" per Gesetz

Die rechtliche Situation von Asylwerber_innen ist durch einen scheinbaren Widerspruch gekennzeichnet: Während sie für die Dauer ihres Asylverfahrens zwar zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, ist ihnen der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt de facto versperrt.

Im Bereich der unselbstständigen Erwerbstätigkeit müssen sie gemäß den Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) über eine Beschäftigungsbewilligung verfügen, die seitens der Arbeitgeber_innen zu beantragen ist. Die Erteilung einer solchen Bewilligung ist jedoch an eine ganze Reihe von Voraussetzungen geknüpft und entsprechend schwierig. Weiter eingeschränkt wurde diese Möglichkeit im Jahr 2004 durch einen Durchführungserlass des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit - nach dem damaligen Minister als "Bartenstein-Erlass" bekannt -, durch den dieser Zugang zum Arbeitsmarkt auf Kontingente für Saisonbeschäftigung begrenzt wurde. Auch im Bereich der selbstständigen Erwerbstätigkeit werden Asylwerber_innen durch Sonderregelungen diskriminiert. Praktisch von Relevanz ist in besagtem Bereich aber ohnedies vor allem die sogenannte "Neue Selbstständigkeit", in deren Rahmen sie sich als Werkvertragsnehmer_innen in Branchen wie der Zeitungskolportage oder der Sexarbeit verdingen können. Neben diesen hochgradig prekären Erwerbstätigkeiten steht ihnen noch die in den Grundversorgungsgesetzen verankerte Option offen, beispielsweise für öffentliche Körperschaften Hilfstätigkeiten "gemeinnütziger Art" zu verrichten. Diese werden jedoch nicht entlohnt, sondern allenfalls "entschädigt" und begründen mithin kein reguläres Dienstverhältnis.

Nachdem die bestehende Rechtslage Asylwerber_innen eine über den Arbeitsmarkt vermittelte Sicherung ihrer Existenz also faktisch verunmöglicht, können sie diese in legaler Form einzig über staatliche Fürsorgeleistungen bewerkstelligen. Seit 2004 passiert dies über die Grundversorgung, die auf der Basis eines Gliedstaatsvertrags zwischen Bund und Ländern unter anderem die Unterbringung und Verpflegung sogenannter "hilfs- und schutzbedürftiger Fremder" regelt. Diese brachte für die Betroffenen zwar zum Teil beträchtliche Verbesserungen mit sich, waren viele Asylwerber_innen bis dahin doch zur Gänze auf "private Wohltätigkeit" angewiesen. Wie aus der am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien durchgeführten Studie "Asylpolitik in Österreich" von 2010 jedoch hervorgeht, verunmöglicht auch das System der Grundversorgung den Betroffenen weitgehend eine autonome Form der Lebensgestaltung. Dafür verantwortlich zeichnen etwa das niedrige Niveau der Transferleistungen sowie die mit ihnen verbundenen Kontroll- und Disziplinarmechanismen.

Durch diese rechtliche Situation werden Prozesse der "Irregularisierung" in Gestalt undokumentierter Arbeit staatlicherseits gefördert. Oder wie Bettina Haidinger von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) es ausdrückt: "Was die Produktion von 'Irregularität' anbelangt, ist der semi-dokumentierte Status von Asylwerber_innen - regulärer Aufenthaltsstatus ohne Arbeitserlaubnis - ein typisches Beispiel, haben diese häufig doch keine andere Möglichkeit, als durch informelle Arbeit zu überleben."

Die Un-/Möglichkeit einer politischen Neuregelung

Vorschläge für eine politische Neuregelung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber_innen stehen seit Langem bereits auf der Agenda antirassistischer Aktivist_innen und asylpolitisch tätiger NGOs. Exemplarisch verwiesen sei hier auf eine am 1. Mai dieses Jahres von SOS Mitmensch und dem Integrationshaus initiierte Kampagne unter dem Label "Machen wir uns stark". Diese fordert neben Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung - insbesondere in Form der Lehrlingsausbildung für Jugendliche - einen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Asylwerber_innen, deren Verfahren bereits länger als ein halbes Jahr andauert.

Und wenngleich am sogenannten "Ersatzkraftverfahren", das österreichischen Arbeitssuchenden den Vorrang vor Nicht-Staatsangehörigen einräumt, festgehalten wird, sind sich in dieser Frage selbst die Sozialpartner weitgehend einig: Asylwerber_innen soll der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht weiterhin verwehrt bleiben. Zu Beginn waren es vor allem die Wirtschaftskammer (WKÖ) und die Industriellenvereinigung (IV), die öffentlich Stellung bezogen. In den Presseaussendungen und Stellungnahmen wurde meist die "ökonomische Sinnhaftigkeit" betont: Asylwerber_innen sollen nicht untätig sein, sondern den Unternehmen als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Um ihre Forderung zu untermauern, hat die IV beim Meinungsforschungsinstitut Fessel & GfK eine Studie in Auftrag gegeben, die ergab, dass sich 56 Prozent der Befragten für einen Arbeitsmarktzugang während eines laufenden Asylverfahrens aussprechen. Beim letzten ÖGB-Bundeskongress 2009 beschloss dann auch die Gewerkschaftsseite die Forderung nach einer - wie es im Leitantrag heißt - "Erleichterung" des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber_innen. Die Arbeiterkammer Wien zog mit einem Beschluss der Vollversammlung ein Jahr später nach.

Am ÖGB-Beschluss wirkte auch die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) mit. An deren ehemaligem Vorsitzenden und heutigem Sozialminister, Rudolf Hundstorfer, würde es zum aktuellen Zeitpunkt liegen, den erwähnten Bartenstein-Erlass aufzuheben. Doch Hundstorfer stellt sich quer - und damit auf eine Linie mit den zurzeit im Parlament vertretenen Parteien, die sich - mit Ausnahme der Grünen - gegen eine Aufhebung des De-facto-Arbeitsverbots ausgesprochen haben bzw. sich (wie im Fall der SPÖ) bislang nicht dazu durchringen konnten, eine Aufhebung des Bartenstein-Erlasses zu fordern. Herbert Langthaler von der asylkoordination österreich sieht dabei bereits in der Rede vom "Bartenstein-Erlass" einen Versuch, "von der Verantwortung des aktuellen Sozialministers abzulenken". Zugleich gibt er im MALMOE-Interview jedoch zu bedenken, dass in Österreich zurzeit "in erster Linie das Innenministerium dahinter ist, dass es keinen Arbeitsmarktzugang gibt". Und auch auf EU-Ebene werde hier alles unternommen, um jede Besserstellung von Asylwerber_innen zu hintertreiben.

(Keine) Rechte durch Sanktionen

Während es in den vergangenen Jahren immer wieder Bestrebungen der EU-Kommission zur Vereinheitlichung und punktuellen Liberalisierung der Aufnahmebedingungen von Asylwerber_innen gab, stellt sich eine Mehrheit der Innenminister_innen konsequent dagegen. So wurden auch die Bestrebungen, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber_innen mittels Änderung der sogenannten "Aufnahmerichtlinie" zu erleichtern, bislang abgelehnt. Besagte Richtlinie, die Österreich 2004 mit der dargestellten Grundversorgungsvereinbarung in nationales Recht umsetzte, liefert jedoch den Beweis dafür, dass dieses zwecks Harmonisierung der Asylpolitik der Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene etablierte Politik-Instrument mitunter durchaus positive Effekte zeitigen kann.

In Bezug auf die eingangs erwähnte "Sanktionsrichtlinie", deren übergeordnetes Ziel die Bekämpfung dessen ist, was sie als "illegale Beschäftigung von Drittstaats­angehörigen ohne rechtmäßigen Aufenthalt" fasst, ist das Bild hingegen uneinheitlich: Einerseits wurden jene Mindestbestimmungen bereits in österreichisches Recht umgesetzt, die auf Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber_innen abzielen. Andererseits lassen sich jedoch im Hinblick auf die "Stärkung der Rechte von Migrant_innen" - wie es seitens der Kommission heißt - keine vergleichbaren Umsetzungsschritte ausmachen. Gemäß der Richtlinie sollen die Mitgliedsstaaten in diesem Zusammenhang flankierende Mechanismen einrichten, die sicherstellen, dass undokumentiert Arbeitende ihre Ansprüche geltend machen und gerichtlich durchsetzen können. Darüber hinaus müsse gewährleistet werden, dass ihnen die Unterstützung Dritter (als Beispiele werden NGOs und Gewerkschaften genannt) zur Verfügung steht. Dazu gehört die "systematische und objektive Information" über eben diese Rechte. Letzteres wurde in Österreich mit einem Informationsblatt "umgesetzt", das die Fremdenpolizei in der Schubhaft an Betroffene aushändigt.

Obwohl die Europäische Kommission ein auf die mangelhafte Umsetzung der Sanktionsrichtlinie bezogenes Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich mittlerweile eingestellt hat, sehen Expert_innen dennoch Handlungsbedarf. "Es reicht nicht, den Betroffenen einen Zettel in die Hand zu drücken. Die Information muss systematisch erfolgen. Da muss sich der österreichische Staat mehr einfallen lassen", so der Fremdenrechtsexperte Johannes Peyrl gegenüber MALMOE. "Das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, ist bereits in der Charta der Grundrechte der EU festgelegt. In der Sanktionsrichtlinie ist darüber hinaus verankert, dass undokumentiert beschäftigte Drittstaatsangehörige ihre Rechte wirksam einfordern, d. h. auch durchsetzen können müssen. Dafür braucht es mehr als nur eine schriftliche Information von der Fremdenpolizei in der Schubhaft. Es braucht zumindest kompetente Ansprechpersonen bzw. Anlaufstellen, die im konkreten Fall individuelle Unterstützung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen und eine Begleitung vor Gericht gewährleisten können."

Damit undokumentiert Arbeitende jedoch überhaupt eine wirksame Beschwerde einreichen können, müssten sie freilich vor Abschiebung geschützt werden und einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten - zumindest für die Dauer eines etwaigen Verfahrens gegen den_die Arbeitgeber_in vor dem Arbeits- und Sozialgericht. Die Möglichkeit, einen befristeten Aufenthaltstitel zu gewähren, sieht die Richtlinie in Anlehnung an Bestimmungen im Fall von "Menschenhandel" allerdings nur bei - wie es heißt - "besonders ausbeuterischen Arbeitsbedingungen" und im Fall der "illegalen Beschäftigung von Minderjährigen" vor. Doch nicht einmal Letzteres wurde in Österreich bislang umgesetzt.

Was nottut...

Aus der dargestellten (Rechts-)Lage von Asylwerber_innen ergibt sich ein mindestens zweifacher Handlungsbedarf. Vor dem Hintergrund der prekären Arbeits- und Lebenssituation von undokumentiert arbeitenden Asylwerber_innen, die von Arbeitgeber_innen systematisch ausgenützt wird, um Lohndumping zu betreiben, besteht zum einen Handlungsbedarf aufseiten der zuständigen Interessenvertretungen, also Gewerkschaften und Arbeiterkammer. Das heißt, Sanktionen gegen Arbeitgeber_innen reichen nicht aus. Nicht zuletzt eine vollständige Umsetzung der Sanktionsrichtlinie würde eine systematische Information über bestehende Rechte von undokumentiert Arbeitenden wie beispielsweise Asylwerber_innen erfordern. Dafür bräuchte es entsprechende Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, damit diese ihre Rechte einfordern und auch durchsetzen können. Der Fall des ehemaligen Asylwerbers Z., der vor Kurzem mit Unterstützung der Gewerkschaft Bau-Holz auf gerichtlichem Weg sein Recht erkämpfte (siehe Interview), könnte hier einen Weg weisen.

Zum anderen ist es hoch an der Zeit, für Asylwerber_innen Brücken in die formellen Sektoren des Arbeitsmarkts zu bauen. Dazu müsste in einem ersten Schritt der Bartenstein-Erlass aufgehoben werden. Mittelfristig muss das Ziel aber insofern der freie Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Asylwerber_innen sein, als dieser nicht bloß eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition am Arbeitsmarkt, sondern auch einen Zuwachs an autonomer Lebensgestaltung garantieren würde. Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, sieht mit Blick auf die Kampagne "Machen wir uns stark" aktuell gute Chancen für eine Umsetzung dieser Forderungen: "Wir denken, dass es jetzt - bevor der nächste Nationalratswahlkampf auf Touren kommt - ein Zeitfenster gäbe, in dem sich auf sinnvolle und sachliche Weise eine positive Dynamik erzeugen ließe, damit Asylsuchende nicht mehr vom Arbeitsmarkt ausgesperrt sind." Ob ein solches Vertrauen auf die rationale Einsicht der politisch Verantwortlichen realistisch ist, wird sich zeigen. Dass eine Erhöhung des Drucks vonseiten antirassistischer Bewegungen diesen Prozess befördern würde, steht aber wohl außer Zweifel.

Dieser Artikel erschien in der MALMOE 59 und wurde von no-racism.net mit freundlicher Genehmigung der Redaktion (geringfügig überarbeitet) übernommen.