Demonstration am 19. Oktober 2013 in Büren.
Wenige Monate nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda entschied der Bürener Stadtrat, dass die ehemalige NATO-Kaserne im Wald vor Büren zu einem Abschiebegefängnis ausgebaut wird.
Die Stadt hätte sich auch für eine Erstaufnahmeeinrichtung entscheiden können, aber eingesperrte Menschen waren den Bürenern damals lieber als freie Asylbewerber*innen. Der Umbau dauerte nur wenige Monate, sodass bereits Anfang 1994, also vor rund 20 Jahren, die ersten Gefangenen in Büren eingesperrt wurden.
Nicht nur in Büren, in der ganzen BRD wurde das Abschieberegime zu dieser Zeit ausgebaut. Die Zahl der Abschiebegefangen stieg rasant an, ebenso wie die Zahl der Abschiebungen.
Seit einigen Jahren gehen die Zahlen wieder zurück, und Abschiebeknäste werden geschlossenen oder zurückgebaut. 2012 wurde der Frauenabschiebeknast in Neuss abgewickelt und die Frauen nach Büren verlegt. Die notwendige psychologische Hilfe, die viele von ihnen dringend benötigen, nachdem sie in ihren Herkunftsländern, auf der Flucht oder in der Illegalität Opfer sexualisierter und anderer Gewalt wurden, erhalten sie in keiner Weise. Ganz im Gegenteil: Deutsche Behörden und die Haft schreiben die Gewaltgeschichten fort. Auch in der Angst vor der Abschiebung in die unerträglichen Lebenssituationen, vor denen sie geflohen sind, werden die Menschen alleine gelassen.
Büren ist inzwischen der einzige Abschiebeknast in NRW, und mit 384 Haftplätzen der größte Deutschlands. Und während u.a. in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz laut über den Sinn von Abschiebehaft nachgedacht wird, machen die Ausländerbehörden hier regen Gebrauch davon. Kein anderes Bundesland nimmt so viele Menschen in Abschiebehaft wie NRW. In Büren sitzen so viele Gefangene wie in allen anderen Bundesländern zusammen.
Abschiebehaft, was bedeutet das?
Vom Gesetz her ist Abschiebehaft eigentlich nichts anderes als die Sicherstellung eines Verwaltungsaktes, nämlich der Abschiebung. Für die Betroffenen bedeutet dies aber, dass sie bis zu 18 Monate in Haft genommen werden, um ihre Abschiebung sicher zu stellen.
Immer wieder wird ihre Haft verlängert, da die Ausländerbehörde es doch nicht schafft, die Personen abzuschieben, da Papiere fehlen, oder gerade keine Flieger in die Zielländer gehen, weil der Flughafen zerbombt ist. Für die Gefangen bedeutet dies eine ständige Perspektivlosigkeit und Unsicherheit, da sie nie wissen was passiert. Sie könnten jeden Tag abgeschoben werden, oder ihre Haft wird um weitere 3 Monate verlängert. Die alltägliche Ungewissheit und das zermürbende Warten nehmen die meisten Betroffenen als stark belastend wahr. Nicht selten kommt es innerhalb der Haft zu (Re-)Traumatisierung.
Aus Furcht vor der bevorstehenden Abschiebung haben sich seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 mehr als 60 Menschen in deutschen Abschiebeknästen das Leben genommen. Die herrschende Abschiebepolitik hat diese und viele weitere Tote zu verantworten.
Am 30. August 1999 verbrannte Rachid Sbaai in einer Arrestzelle des Bürener Knastes. Er war nach einem Foulspiel auf dem Sportplatz in die Isolationshaft verlegt worden. Die genauen Umstände seines Todes lassen sich nicht mehr klären, Tatsache ist jedoch, dass Rashid kurz vor seinem Tod einen Notruf abgesetzt hat. Die Notrufzentrale war jedoch nicht besetzt, so dass jede Hilfe zu spät kam.
Die BRD arbeitet derweil daran, die Verantwortung für ankommende Asylsuchende an andere EU-Staaten abzuwälzen. Die DUBLIN II-Vereinbarung schreibt vor dass Asylgesuche in dem EU-Land gestellt werden müssen, das zuerst betreten wird. Die meisten Flüchtlinge reisen über Griechenland und Italien ein, die dortigen Aufnahmekapazitäten sind jedoch begrenzt und der Umgang mit Asylsuchenden beschränkt sich oft darauf, diese zu inhaftieren und anschließend in die Obdachlosigkeit zu entlassen.
Gleichzeitig wird die Grenzsicherung immer umfassender, während legale Migration an hohe Anforderungen gebunden ist. Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX operiert mittlerweile im gesamten Mittelmeerraum und an den östlichen EU-Außengrenzen, um irreguläre Migration zu unterbinden. Mit militärischer Technologie werden Flüchtlinge aufgespürt, zur Umkehr gezwungen oder illegal zurückgeschoben. Je schärfer die Kontrollen werden, umso gefährlichere Routen müssen die Menschen nehmen. Das europäische Grenzregime produziert so Leichen, um den Wohlstand ihrer Bürger*innen zu schützen. Das Mittelmeer ist zum Massengrab geworden, und die Verantwortlichen sitzen in Berlin und Brüssel.
Rassismus tötet!
Abschiebeknäste sind Ausdruck einer rassistischen Politik gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen. Sie selektieren ankommende Menschen nach Nützlichkeitskriterien und den Erfordernissen des Kapitals. Sie stellen außerdem sicher, dass Menschen die aus Angst und Not in die BRD geflohen sind, gegen ihren Willen in Elend, Folter und Tod abgeschoben werden.
Abschiebehaft gehört ersatzlos abgeschafft! Abschiebungen müssen verhindert werden und die Betroffen müssen ein bedingungsloses Bleiberecht bekommen!
Zu einer neuen Welle von selbstorganisierten Protesten ist es seit März 2012 gekommen, nach dem Selbstmord eines Iraners in einem Würzburger Lager. Mit mehreren Märschen quer durch Deutschland und Protestzeltlagern in den Innenstädten, mit Hungersteiks und einem öffentlichen Tribunal haben Geflüchtete seitdem gegen ihre Isolation in den Lagern, gegen die Residenzpflicht und für ein Bleiberecht protestiert. Viele dieser Aktionen dauern an, und die Verantwortlichen geraten zunehmend unter Druck. Auch verschiedene Protestaktionen gegen Abschiebungen gelangten in den letzten Wochen und Monaten in die Öffentlichkeit und zeigen erste Erfolge.
Wir werden uns nicht auf die Versprechungen von Politik und Verwaltung verlassen. So haben Grüne und SPD in NRW angekündigt die Haftbedingungen im Abschiebgefängnis Büren stark zu verbessern. Herausgekommen ist ein Koalitionsvertrag, der im Endeffekt besagt, dass man sich in Zukunft an geltende Gesetzte halten will.
Bleiberecht wird weiterhin von selbstorganierten Strukturen erkämpft werden müssen. Wir werden wiederkommen, bis auch der letzte Gefangene frei ist! Abschiebehaft abschaffen – Abschiebeknäste schließen!
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19. Oktober 2013
12 Uhr Marktplatz Büren (bei Paderborn)
Ein Shuttlebus von Paderborn wird eingerichtet