Nachlese zur internationalen Fachtagung von ZEBRA, die am 23. September 2015 in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz statt fand.
"Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Arbeitsmarkt. Was lässt sich aus internationalen good practice Beispielen für die Situation in Österreich lernen?" Unter diesem Motto lud ZEBRA am 23. September 2015 zur internationalen Fachtagung. Die VeranstalterInnen hatten dafür internationale ReferentInnen eingeladen, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten.
Zur Eröffnung der Konferenz sprachen Cornelia Schweiner (Landtagsabgeordnete; in Vertretung von Landesrätin für Soziales, Arbeit und Integration Doris Kampus), Albert Kaufmann (Leiter der AK-Bildungsabteilung; in Vertretung von Präsident der Arbeiterkammer Steiermark Josef Pesserl) sowie Karl Heinz Snobe (Landesgeschäftsführer AMS Steiermark) begrüßende Worte.
Im ersten Vortrag stellte Thomas Huddleston von der Migration Policy Group die Ergebnisse der vor kurzem erschienenen vierten Auflage des Migrant Integration Policy Index (MIPEX) vor. In der ländervergleichenden Studie wird die Integrationspolitik in verschiedenen EU und Nicht-EU-Staaten anhand feststehender Kriterien bewertet. In seinem Beitrag ging er vor allem auf arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen und Maßnahmen im Kontext von Anerkennungsfragen in Österreich ein und verglich sie mit internationalen Trends und good practice Beispielen. Als Empfehlungen für Österreich nannte er u.a. weitere Maßnahmen, um die Zahl der Anträge für die Anerkennung der aus dem Ausland erworbenen Qualifikationen zu erhöhen. Weiters hielt Huddleston es für notwendig, Programme für die schnellere Requalifizierung zu schaffen, u.a. durch branchenspezifische Kurse, Mentoring Systeme und Praktika. Ebenso schlug er basierend auf good practice Ergebnissen die Ausweitung von berufsspefizischen Sprachkursen vor sowie die Einführung von Stipendien für berufliche Fortbildung in Verbindung mit der Möglichkeit berufliche Erfahrungen in der Privatwirtschaft zu machen. Als einen weiteren wichtigen Aspekt nannte er die Schärfung der bereits bestehenden Antidiskriminierungsmaßnahmen. In seinem Vortrag ging er des Weiteren spezifisch auf die Situation von Flüchtlingen und AsylwerberInnen ein. Hier hält er u.a. einen raschen Arbeitsmarktzugang für diejenigen mit guten Aussichten auf eine Anerkennung als Asylberechtige für erforderlich sowie die Anerkennung von Fertigkeiten und Qualifikationen so schnell als möglich bereits während des Asylverfahrens.
Im anschließenden Beitrag stellte Ilka Sommer von der Humboldt-Universität zu Berlin die Ergebnisse ihrer sozialwissenschaftlichen Studie vor. Sie beschäftige sich darin mit den Anerkennungspraxen in Behörden und Kammern, die Gleichwertigkeitsprüfungen durchführen. Hier stellte sie u.a. die Vorgangsweisen dar, welche die Umwandlung eines ausländischen Bildungstitels in einen deutschen Bildungstitel begleiten. Anschaulich arbeitete sie die unsichtbaren Selektionsmechanismen heraus, die der Anerkennungspraxis von im Ausland erworbenen Bildungstiteln in Deutschland zugrunde liegen. Die Chancen auf Anerkennung sind abhängig von miteinander verflochtenen globalen Machtkonstellationen wie den Beziehungen zwischen den Ausbildungsstaaten, dem qualifikationsbezogenen Spannungsfeld der liberalen und protektionistischen Marktinteressen und der Spirale institutionalisierter Unverantwortlichkeit.
Durch den Beitrag von Stina Petersson vom schwedischen Arbeitsmarktservice erhielten die TeilnehmerInnen spannende Einblicke in konkrete Maßnahmen zur Integration von in Schweden anerkannten Flüchtlingen. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Schweden spielen verschiedene AkteurInnen eine Rolle, neben dem Arbeitsmarktservice (AMS) auch die schwedische Migrationsbehörde sowie die regionalen Verwaltungsbehörden. Der "Swedisch Introduction Act" weist seit 2010 der "Arbetsförmedlingen" / dem schwedischen AMS eine wichtige Rolle bei der Integration von NeuzuwanderInnen zu. So liegt die Koordination von verschiedenen Integrationsmaßnahmen in der Verantwortung des AMS. Herzstück ist ein sogenannter "Einführungsplan", in dem die Kompetenzen, Erfahrungen und Ziele der Asylberechtigten erhoben werden. Darauf basierend können verschiedene Integrationsmaßnahmen maßgeschneidert auf die Bedürfnisse des jeweiligen Individuums entwickelt werden. Diese Aktivitäten sollen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.
Auf viel Interesse beim Publikum stießen auch die Ausführungen von Norbert Bichl vom Beratungszentrum für MigrantInnen - Koordination der AST Anlaufstellen, in denen er die aktuellen Entwicklungen in der österreichischen Anerkennungslandschaft darlegte. Nach einem Überblick über die Anerkennung von formalen Bildungsabschlüssen aus dem Ausland in Österreich ging er auf aktuelle Entwicklungen in den rechtlichen, arbeitsmarkt- und anerkennungspolitischen Feldern ein. Laut Regierungsklausur vom März 2015 soll bis Herbst 2015 auf Bundesebene ein Beschluss des Anerkennungsgesetzes erfolgen. Aus seiner Perspektive wäre es wünschenswert, dass u.a. folgende Punkte darin berücksichtigt werden: Die Grundsätze der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie sollen für alle Anerkennungsverfahren gelten, unabhängig von der Herkunft bzw. Herkunft des Qualifikationsnachweises. Weiters sollte in Zukunft ein Recht auf Begleit- und Stützmaßnahmen, wie Anerkennungsberatung, Anpassungs-, Brücken- und integrative arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gegeben sein.
Im Tagungstitel wurde die Frage aufgeworfen "Was lässt sich aus internationalen good practice Beispielen für die Situation in Österreich lernen?" Im abschließenden Teil "Lessons learned" fassten einige der TagungsteilnehmerInnen die Erkenntnisse zusammen, die sie aus der Tagung gewonnen hatten, und setzten sie in Bezug zu ihren beruflichen Tätigkeitsfeldern. Stefan Börger, Leiter des Referats Europa und Außenbeziehungen, Land Steiermark stellte fest dass es auf den Ebenen EU - Bund - Länder mehr Transparenz und Vereinfachung bedarf. Michael Kern von der Antidiskriminierungsstelle Steiermark trat für eine Schärfung des Gleichbehandlungsgesetzes und der Weiterentwicklung der Rechtssprechung ein, v.a. um institutionelle Diskriminierung abzubauen. Margarete Dorner, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark forderte eine entwicklungsfördernde statt einer regulierenden Perspektive. Des Weiteren hob sie die Wichtigkeit der KundInnenorientierung hervor. Thomas Hraba von der Arbeiterkammer, Abteilung Bildung, Jugend und Betriebssport plädierte für eine schnellere und exaktere Erfassung von erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen. Auch die weiteren TeilnehmerInnen verließen mit vielen neuen Ideen, Impulsen und Denkanstößen aus verschiedenen europäischen Ländern die Veranstaltung.
Artikel zuerst veröffentlicht am 07. Oct 2015 auf [urlext http://zebra.or.at/cms/cms.php?pageName=2&detailId=12]zebra.or.at[urlext].