Im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes trafen sich von 11. - 13. Juli 2018 in Innsbruck die EU-Innen und Justizminister _innen zu einem informellen Treffen. Hier ein paar Meldungen dazu.
Inszenierung des Rassismus - das Treffen der EU-Innen und Justizminister_innen in Innsbruck (11. - 13. Juli 2018)
Herbert Kickl, Innenminister aus den Reihen der rechtsextremen FPÖ, trat erstmals als Gastgeber eines EU-Gipfeltreffens auf. Österreich hat am 1. Juli den Vorsitz der EU für ein halbes Jahr übernommen. Das Motto der österr. Ratspräsident_innenschaft lautet: "Ein Europa, das schützt!"
Ein Slogan, der zwar gut klingen mag, mit der Realität der am Gipfel besprochenen Veränderungen im europäischen Grenzregime hat dies aber nur wenig zu tun. Zwar geben Politiker_innen wie Bundeskanzler Sebastian Kurz immer wieder vor, sie würden eine restriktive Politik der Abschottung fahren, um damit "Menschenleben zu retten". Doch wie die vergangenen Wochen belegen, ist genau das Gegenteil der Fall. In Folge der Verbannung von Rettungsschiffen aus dem zentralen Mittelmeer ist die Anzahl der Todesopfer massiv gestiegen. Viele Menschen werden zudem auf See "aufgefangen" und zurück nach Libyen gebracht, wo sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem der zahlreichen Lager interniert werden.
Und genau dies ist die Absicht, die hinter der Politik der EU steckt: Die Menschen am besten in Lagern außerhalb der Schengengrenzen festzuhalten. Dort sollen dann die besten und jene die laut den Aussagen der Hetzer_innen "wirklichen Schutz" benötigen ausselektiert werden. Nur wenige Menschen, falls überhaupt, werden die Möglichkeit haben, von diesen Lagern aus nach Europa zu gelangen. Viel eher droht eine längerfristige Internierung oder die Zurück- bzw. Abschiebung in weitere Transit- oder Herkunftsländer. Und alles unter massiver Missachtung der Menschenrechte.
Den Gipfel hat das Zweiergespann aus Kurz und Kickl dazu genutzt, ihre Positionen, die sie als die "Position Österreichs" ausgaben, auf EU-Ebene zu präsentieren. Wie ein kurz zuvor bekannt gewordenes Papier aus den Wiener Innenministerium belegt, geht es um eine Aushöhlung bis hin zur Abschaffung des Asylrechts. Und dies alles zum angeblichen "Schutz der Bürger_innen", wie die rechtsextremen Polit-Eliten immer wieder vorgeben.
Wie dieser "Schutz" aussieht, und was dies für die Bürger_innen bedeutet, zeigte sich einmal mehr im Stadtbild. Während der informellen Gipfeltreffen (am 13. Juli tagen zusätzlich die Justizminister_innen) wurde Innsbruck in eine Festung verwandelt. 1.000 Polizist_innen sowie 1.000 Soldat_innen des Bundesheeres zeigten Präsenz. Die Bewegungsfreiheit war an diesen Tagen massiv eingeschränkt, viele öffentliche Verkehrsmittel waren betroffen und zahlreiche Plätze wurden (teilweise vorübergehend) zu Sperrzonen erklärt. Außerdem gab es im Zeitraum vom 9. bis 13. Juli an den Grenzübergängen Tirols zu Deutschland und Italien sowie am Flughafen Ibk Kontrollen.
Es gab auch Proteste gegen das Gipfeltreffen, diese fielen jedoch relativ klein aus. Dies hängt wohl damit zusammen, dass im Vorfeld nur sehr wenig über das Treffen bekannt war, wie u.a. aus einer :: Information der Plattform Bleiberecht hervorgeht:
"Stellt euch vor es gibt einen Sicherheitsgipfel und keine_r weiß davon. Die rechtsnationale Bundesregierung für die Reichen und gegen die Armen plant während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs auch einen Sicherheitsgipfel in Innsbruck abzuhalten. Über 50 Innen- und Justizminister_innen und 250 Delegationsmitglieder sollen demnach kommen. Mit dabei auch ein kolportiertes Polizeiaufgebot von 2.000 Uniformierten. Das ganze geht in rund 3 Wochen über die Bühne, zwischen 11. und 13. Juli.
Warum gibt es bis heute dazu keine Informationen? Weder von offizieller Seite (Polizei oder Innenministerium) noch durch Berichte von Medien gibt es etwas zu erfahren. Es kann doch wohl nicht sein, dass „message control“ (die Kontrolle über Berichterstattung) auch schon Österreich erfasst hat."
Mit ziemlicher Sicherheit wird es dagegen am 20. September 2018 in Salzburg Proteste "Gegen den Gipfel der Abschottung und sozialen Kontrolle!" geben. Für eine bessere Zukunft für alle!
Mehr zu den Protesten gegen den EU-Gipfel in Salzburg auf :: summit-salzburg.mobi :: Aufruf auf no-racism.net
eure sicherheit tötet - Sicherheitsgipfel verunsichern!
Aufruf gegen das Treffen der EU Innen- und Justizminister_innen in Innsbruck von 11.-13. Juli 2018
Vom 11. bis 13. Juli 2018 treffen sich die EU Innen- und Justizminister_innen zu einem informellen Gipfel in Innsbruck, wo unter Ausschluss der Öffentlichkeit Themen wie “Innere Sicherheit”, “Extremismusbekämpfung” und der „Schutz der EU-Außengrenzen“ besprochen werden.
Doch um welche Sicherheit und welchen Schutz geht es eigentlich? Es geht um den Schutz eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das Menschen global ausbeutet und vielerorts zur Flucht zwingt, um Sicherheit in Form von Kontrolle und Überwachung. Ziel ist also der Schutz von Gewaltverhältnissen, die Ausbeutung, soziale Ungleichheit, Unterdrückung und den Tod von Menschen in Kauf nehmen. Diese „Sicherheit“ bedeutet eine Militarisierung und Abschottung nach außen und eine autoritäre Überwachung (Vorratsdatenspeicherung, Abhören, Bespitzeln) nach innen.
Die Brutalität des Grenzregimes zeigt sich in der Folterung und Versklavung von flüchtenden Menschen in Libyen, dem Ertrinken von jährlich tausenden Menschen im Mittelmeer oder dem Schulterschluss mit der menschenverachtenden Erdogan-Diktatur mit dem Ziel, die Mauern der Festung Europa nach außen zu verlagern. Das herrschende Verständnis von „Innerer Sicherheit“ führt zu einer immer weiteren Verschärfung der Repression – vom neuen Polizeiaufgabenaufgabengesetz (PAG) in Bayern bis hin zur absurd aufwändigen Überwachung des Rapoldiparks in Innsbruck.
Sind dies tatsächlich die Sicherheit und der Schutz, die menschenwürdiges Leben ermöglichen? Wo bleibt die soziale Sicherheit, die Sicherheit von flüchtenden Menschen? Der Schutz der Umwelt, der Schutz vor Ausbeutung und Unterdrückung?
Gegen die Festung Europa! Kämpfen wir für unsere Freiheit! Für eine Gesellschaft, die für jeden Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht und nicht nur für wenige! Für eine Gesellschaft ohne Grenzen, die soziale Sicherheit für alle bietet!
Aufruf von :: nosigi.blackblogs.org (02. Jul 2018)
Neben einigen Informations- und Diskussionsveranstaltungen sowie Kino im Vorfeld wird zu folgenden Protesten aufgerufen:
Mi, 11. Juli, 15:00 – 21:00 Uhr, Vogelweide / Waltherpark: INFOPARK - Treffpunkt, Vorträge, Diskussion, Infotische, veganes Essen, DJs
Do, 12. Juli, 18.00 Uhr, Annasäule: Demonstration durch die Innenstadt - "Sicherheitsgipfel verunsichern!"
Zum Nachhören:
:: Eure Sicherheit tötet: Auslagerung der europäischen Migrationsabwehr - - Sondersendung von FREIRAD zu "nosigi" (26. Jun 2018)
:: Eure Sicherheit Tötet: Der aktuelle Stand zu Überwachung und Netzpolitik - Sondersendung von FREIRAD zu "nosigi" (05. Jul 2018)
Europa schützt Grenzen statt Flüchtlinge (12. Juli 2018)
Beim Innenminister*innentreffen in Innsbruck am 12. Juli diskutierten die Hardliner aus Deutschland, Österreich und Italien über härteren Grenzschutz und »Ausschiffungsplattformen« für im Mittelmeer gerettete Schiffbrüchige. Einigkeit besteht bei der negativen Utopie, dass Europa seine Außengrenzen vor Flüchtlingen so »schützt«, dass es in der EU bestenfalls keine Asylantragsmöglichkeiten mehr gibt.
Deals und Kooperationen sollen Flüchtlinge fernhalten. Vorangegangen war der »Gipfel der Inhumanität« der Staats- und Regierungschefs der EU am 29. Juni in Brüssel, dessen Ergebnisse den Fundamenten eines Europas der Menschenrechte und des Flüchtlingsschutzes diametral entgegenstehen: Ausbau von Deals mit Drittstaaten, die Menschen auf der Flucht vor den Toren Europas festhalten sollen, Ausbau der Kooperation mit der libyschen Küstenwache, die Bootsflüchtlinge aufgreifen und zurück in Lager nach Libyen verschiffen soll.
:: Pro Asyl (13. Jul 2018)
Siehe dazu auch den Hintergrundartikel :: Déjà-vu der Schande: Evian, Juli 1938 – Brüssel, Juni 2018
Während die europäischen Regierungen die humanitäre Hilfe blockieren, ertrinken immer mehr Menschen (12. Juli 2018)
Einen Monat nachdem Italien das von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen betriebene Such- und Rettungsschiff „Aquarius“ davon abgehalten hat, 630 auf See gerettete Menschen an Land gehen zu lassen, ist die Zahl der Toten im zentralen Mittelmeerraum in die Höhe geschossen. Allein in den letzten vier Wochen sind laut der Migrationsbehörde der Vereinten Nationen (IOM) mehr als 600 Menschen, darunter auch Babys und Kleinkinder, ertrunken. Das bedeutet, dass sich die Hälfte aller bisherigen Tode im Jahr 2018 zu einer Zeit ereignete, als kein einziges NGO-Rettungsschiff im zentralen Mittelmeerraum aktiv war.
„Die politischen Entscheidungen der EU-Staaten der vergangenen Wochen haben tödliche Folgen. Es war eine kaltblütige Entscheidung, Männer, Frauen und Kinder im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Das ist unfassbar und inakzeptabel“, sagt Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin bei Ärzte ohne Grenzen. „Statt absichtlich lebensrettende medizinische und humanitäre Hilfe für Menschen in Seenot zu behindern, müssen die europäischen Regierungen besser selbst gezielte Such- und Rettungsaktivitäten starten.“
Die NGO-Schiffe, die in den internationalen Gewässern zwischen Malta, Italien und Libyen im Einsatz waren, wurden beschuldigt, ein Pull-Faktor zu sein. Die letzten Entwicklungen am Mittelmeer, zeigen jedoch, dass die Menschen so verzweifelt sind aus Libyen zu fliehen, unabhängig davon, ob Such- und Rettungsschiffe vor Ort sind oder nicht. Gewalt, Armut und der Konflikt drängen die Menschen zu dieser Entscheidung, ihr Leben und das ihrer Kinder auf hoher See zu riskieren.
Komplette Aussendung von Ärzte ohne Grenzen auf :: aerzte-ohne-grenzen.at
Siehe auch die Pressemitteilung von SOS MEDITERRANEE vom 12. Juli 2018 auf :: sosmediterranee.de und :: no-racism.net
Aufruf Seebrücke Protest zum Treffen der EU-Innenminister*innen in Innsbruck
"Ganz Europa schaut heute nach Innsbruck. Dort verhandeln die EU-Innenminister*innen über die Schließung der Fluchtwege über die Südroute im Mittelmeer. Diese Aufmerksamkeit sollten wir nutzen!
Wenn alle mitmachen, sieht Seehofers Social-Media-Team in diesen Tagen nur noch orange – die Farbe der Seenotrettung! Mach jetzt mit :: seebruecke.org/wp/innsbruck/
FARBE BEKENNEN!
WIR ALLE SIND DIE SEEBRÜCKE!"
Die Leute werden aufgerufen, via Twitter und Facebook gegen die Innenminister*innen zu protestieren. Folgende Messages sollen an den deutschen Horst Seehofer geschickt werden:
Twitter: Herr #Seehofer, setzen Sie sich in #Innsbruck für wahre Humanität ein. Wir fordern: Keine Zurückweisung Asylsuchender an europäischen Grenzen! Rettungsschiffe freigeben! Häfen für alle Rettungsschiffe öffnen! Stoppen Sie das Sterben im Mittelmeer! #Seebrücke @bmi_bund
Facebook: Herr Seehofer, Tausende haben letztes Wochenende für die Seenotrettung Farbe bekannt. Setzen Sie sich in Innsbruck für wahre Humanität ein. Bestehen Sie darauf, dass Herr Salvini Italiens Häfen wieder für alle Rettungsschiffe öffnet und alle zivilen Rettungsschiffe ausfahren lässt. Sehen Sie von der Zurückweisung und Rückführung Asylsuchender an europäischen Grenzen ab und sorgen Sie für sichere Fluchtwege. Ich fordere Sie auf: Tun Sie das einzig Richtige und setzten Sie dem Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende.
Mehr dazu auf :: seebruecke.org/wp/innsbruck/
Diese Meldungen wurden bereits im :: Teil 5 der Ereignisse im und ums Mittelmeer veröffentlicht. Hier sind sie zur Dokumentation der Aktivitäten rund um den EU-Ratsvorsitzes durch die österreichische Bundesregierung noch mal zusammen gefasst.