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[ 11. Jun 2002 ]

Die wissenschaftliche Grundlage der Isolationshaft

Bevor die Geschichte der Isolationsforschung, und der mit dieser in engem Zusammenhang stehenden Psychochirurgie, erläutert wird, ist es wichtig die Zielsetzung dieser Wissenschaft zu kennen und gegen wen sie sich richtet.

 

Das primäre Ziel der Isolationshaft ist die Disziplinierung. Dies bedeutet die totale Unterwerfung gegenüber den vorgegebenen Regeln des Strafvollzuges und im weiteren Sinne des HERRschenden Gesellschaftssystems. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich deutlich, dass sich Isolationshaft vordergründig gegen politische Gefangene richtet.

Eingeführt wurde die Isolationsforschung aus der politischen Notwendigkeit das alte Gefängnissystem mit offener Folter zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen kann es sich ein Staat, der nach aussen hin demokratisch wirken will, nicht leisten in seinen Gefängnissen eine offene, für alle ersichtliche Folter zu praktizieren. Weiters hat sich die physische Folter, vor allem bei politischen Gefangenen, meist so ausgewirkt, dass der Widerstandswille durch die grausamen und sadistischen Praktiken noch stärker wurde.

Daher verfolgte das Konzept der modernen Isolationsforschung folgende Strategien:
Brechung der politischen Identität der Gefangenen. Isolation der Gefangenen von einander und von der aussenwelt. Steuerung und überwachung des Gefühlslebens der Gefangenen.

Das erste vollständig ausgearbeitete Programm für den Strafvollzug lieferte der amerikanische Psychologe Edgar H. Schein. Er entwickelte ein 24 Punkte System, welches als erstes im US Gefängnis Marion im Staat Illinois umgesetzt worden ist. Dieses 24 Punkte Programm ist auf Seite x im Detail nachzulesen. Zentraler Kern dieser Methodik ist den Gefangenen ihr altes, unerwünschtes Verhalten abzuerziehen und sie mit einem neuen, erwünschten Verhalten zu prÀgen.

An diesem Punkt kommt auch die Psychochirurgie zum Einsatz. Aufgabe dieses zweifelhaften Wissenschaftszweiges ist es, die für aggressives Verhalten verantwortlichen teile des Gehirns festzustellen und diese medizinisch zu beeinflussen. Da Terrorismus als eine Form des aggressiven Verhaltens psychologisiert wurde, wurden Methoden erforscht, den im Gehirn dafür verantwortlichen Bereich operativ zu entfernen. Im Zuge dessen wurden in den USA und in Europa eine Reihe von barbarischen Versuchen durchgeführt, wovon hier einer exemplarisch angeführt werden soll: Dr. Monitz hat 1935 einer Prostituierten Lücher in den SchÀdel gebohrt, Alkohol in das Stirnhirn gespritzt und ist danach mit einer Spachtel mehrere Zentimeter in ihr Gehirn eingedrungen, um es anzuheben. Er wollte damit möglichst viel Stirnhirn zersTüren, da dieses zum damaligen Stand der Forschung als AuslÃŒser des Aggressionsverhaltens galt. Dieses Verfahren reiht sich ein in Behandlungsmethoden wie Elektroschocks, Komatherapie und Psychopharmaka, welche nur ein Ziel haben. Die ZersTürung des menschlichen Geistes und die Erzeugung von lebenden Zombies.

Im modernen Strafvollzug bilden Isolationsforschung und Psychochirurgie eine Einheit. Durch diese Kombination sollen die Ziele der Isolationshaft noch schneller umgesetzt werden.


Die Geschichte der Isolationsforschung



Isolationshaft lässt sich in den USA bis in das Jahr 1821 zurückverfolgen. Damals wurden sogenannte Bußhäuser errichtet, die von Freidenkern und QuÀkern befürwortet, als Alternative zur körperlichen Bestrafung dienen sollten. Diese Bußhäuser wurden so konstruiert, dass alle Zellen und Aufgänge optimal überwacht werden konnten. Die Gefangenen wurden strengstens von einander isoliert und jeder Kontakt untereinander wurde verhindert. Besuch durften sie nur von Geistlichen erhalten und die einzige erlaubte LekTüre war die Bibel.

Schon 1842 verurteilte der britische Schriftsteller Charles Dickens diese Gefängnisform und bezeichnete sie als "weisse Folter", die schlussendlich viel schlimmere Auswirkungen auf die Gefangenen hat als jegliche Form der physischen Folter.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in den USA verstärkt Gefängnisse mit Hochsicherheitsisolationsabteilungen gebaut. Das berÃŒchtigtste Beispiel hierfür war das 1934 von einem Militärstraflager in ein ziviles Gefängnis umgebaute ALCATRAZ. Dorthin wurden Ausbruchsspezialisten und sogenannte Unruhestifter verlegt. Die brutalen Methoden die neben der Isolation gegen die Gefangenen angewandt wurden, waren weithin bekannt und wurden auch in zahlreichen Filmen dokumentiert.

Zu dieser Zeit erlebte in Europa vor allem die Psychochirurgie einen Aufschwung. Im faschistischen Nazi - Regime, wo die Ärzteschaft keinen ethischen Schranken unterworfen war, wurden eine Reihe von grausamen Versuchen an Menschen durchgeführt. Einer dieser Versuche, der von Dr. Monitz, wurde schon weiter oben in diesem Artikel beschrieben. Insbesondere muss hier auch erwähnt werden, dass einer dieser Nazi - Ärzte, ein bestimmter Dr. Gross, dessen unmenschliche Versuche in der Dokumentation "Am Spiegelgrund" aufgezeigt wurden, nach dem Sturz des NS Regimes noch jahrzehntelang Leiter der forensischen Psychiatrie in Österreich war. Die Erkenntnisse aus den Forschungen der Nazis, wurden nach dem Ende ihrer HERRschaft in die internationale Forschung übernommen.

1966 begannen V. Mark, W. Sweet und F. Erwin ein Forschungsprojekt am Massachusetts General Hospital in Boston, die sich auf die These stützte, dass der Teil des Gehirns, welcher als Mandelkern bezeichnet wird, für das Aggressionsverhalten verantwortlich ist. Im Zuge dieses Projektes wurden "Terroristen, Flugzeugentführern, Schwerverbrechern, krankhaft renitenten Kindern und rabiaten Hausfrauen" Elektroden in den Mandelkern eingepflanzt und gereizt. Trat auf diese Prozedur hin ein aggressives Verhalten auf, wurden diese Menschen operiert. Diese Praxis wurde trotz lautstarker öffentlicher Proteste bis 1973 fortgesetzt.

Auch in Deutschland wurde die Psychochirurgie weiter vorangetrieben. Anfang der 70er Jahre plädierte der GÃŒttinger Neurochirurg Roeder für hirnchirurgische Operationen an Gewaltverbrechern. Auch heute noch setzt er sich für diese Methode ein und schlägt deren Anwendung auch gegen TerroristInnen vor.

Die Isolationsforschung erfuhr in den 50er Jahren in den USA einen neuen Höhepunkt. Grund dafür war, dass während und nach dem Koreakrieg sehr viele US Soldaten mit dem Feind kollaborierten. Der CIA ging damals davon aus, dass die realsozialistischen länder Methoden für die Gehirnwäsche besÀßen. Daher finanzierten und unterstützten sie bis 1964 Forscher in 80 Instituten, 44 Colleges und Universitäten, 15 Forschungsinstituten, 12 HospitÀler und 3 Gefängnissen. Weiters wurde 1951 für diese Forschungen ein Sondergesetz, das als Artikel 31B von Maryland bekannt wurde, verabschiedet, welches die Einweisung von sogenannten abnormen Rechtsbrechern in ein spezielles Institut regelt, wo sie einem speziellen psychischen Programm unterzogen werden.

Den nächsten großen Meilenstein in der Isolationsforschung brachte das schon anfangs erwähnte 24 Punkte Programm von Edgar H. Schein. Dieses wurde von 1968 - 69 von Dr. Martin Groder verfeinert. Er entwickelte ein Programm mit vier sich ergÀnzenden Techniken für das Marion Gefängnis, welches folgendermaßen aussah:
Dr. Edgar Scheins 24 Punkte Programm zur Gehirnwäsche.

Skinners Operantes Konditionieren (Bekräftigungslernen durch Privilegien).
Dr. Levinsons Konstruktion des Kontrollblocks (nach Erkenntnissen der sensorischen Deprivationsforschung)
Chemo- und Drogentherapie.

In Europa wurde die Isolationsforschung Ende der 60er Jahre, und zwar in Deutschland, massiv vorangetrieben. Ein tschechoslovakischer Arzt namens Gross, der auf diesem Gebiet schon Erfahrung gesammelt hatte, arbeitete mit seinen Forscherkollegen Kempe und Buchard im Sonderforschungsbereich 115 (SFB 115) in der psychiatrisch neurologischen Universitätsklinik von Hamburg. In den Jahren 73/74 wurde das Projekt von der Deutschen Forschungsgesellschaft mit 2,8 Millionen DM unterstützt. Gross und seine Kollegen erforschten zu dieser Zeit die Auswirkungen einer "camera silence" (ein schwingungsfrei aufgehangener, schalldichter und verdunkelter Faradeyscher KÀfig). Als Testpersonen wurden Bundeswehrsoldaten verpflichtet, die wenn sie nicht kooperierten, für Befehlsverweigerung bestraft worden sind. 1974 wurde das Projekt SFB 115 wegen öffentlicher Foltervorwürfe abgebrochen, jedoch zwei Jahre später unter der Leitung von Dr. Peter Kempe wieder fortgesetzt. Ziel dieses Projektes war es die Auswirkung von völligem Reizentzug auf die menschliche Psyche zu erforschen.

Die Ergebnisse des SFB 115 wurden als erstes architektonisch und psychologisch im Gefängnis von Köln - Ossendorf um- und eingesetzt, in dem Ulrike Meinhof und Astrid Proll gefangen waren. Sie wurden von der SFB 115 als erste Feldstudie für die Auswirkungen der "weissen Folter" verwendet.

Nach diesen Erfahrungen, welche in Deutschlang vor allem mit den Gefangenen der RAF und der Bewegung 2. Juni gemacht hat, wurde die Isolationshaft einer der größten deutschen Exportschlager. Sowohl in Spanien, in Chile, als auch in der Türkei wurde ein Isolationsgefängnissystem nach Vorbild der BRD entworfen und umgesetzt.


Um die Auswirkung von Isolationshaft und den wahren Charakter der in diesem Artikel beschriebenen Forschungen zu verstehen, gibt es wahrscheinlich keine klareren und eindeutigeren Worte als diese, die Ulrike Meinhof in einem Brief aus der Zelle in Köln - Ossendorf schrieb:

"das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die SchÀdeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) -
das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst,
das Gefühl, das Gehirn schrumpelte einem allmÀhlich zusammen, wie Backobst z.B. -
das Gefühl, man stünde ununterbrochen, unmerklich, unter Strom, man würde ferngesteuert -
das Gefühl, die Assoziationen würden einem weggehackt -
das Gefühl, man pisste sich die Seele aus dem Leib, wenn man das Wasser nicht halten kann -
das Gefühl, die Zelle fährt. Man wach auf, macht die Augen auf: die Zelle fährt; nachmittags, wenn die Sonne reinscheint, bleibt sie plötzlich stehen. Man kann das Gefühl des Fahrens nicht absetzen. Man kann nicht klären, ob man vor Fieber oder vor Kälte zittert -
man kann nicht klären, warum man zittert -
man friert.
Um in normaler Lautstärke zu sprechen, Anstrengungen, wie für lautes Sprechen, fast BrÃŒllen -
das Gefühl, man verstummt -
man kann die Bedeutung von Worten nicht mehr identifizieren, nur noch raten -
der Gebrach von Zisch-Lauten - s, ß, tz, z, sch - ist absolut unerträglich -
WÀrter, Besuch, Hof erscheint einem wie aus Zelluloid -
Kopfschmerzen -
flashs -
Satzbau, Grammatik, Syntax - nicht mehr zu kontrollieren. Beim Schreiben: zwei Zeilen - man kann am Ende der zweiten Zeile den Anfang der ersten nicht behalten-
Das Gefühl, innerlich auszubrennen -
das Gefühl, wenn man sagen würde, was los ist, wenn man das rauslassen würde, das wäre, wie dem anderen kochendes Wasser ins Gesicht zischen, wie z.B. kochendes Tankwasser, das den lebenslÀnglich verbrÃŒht, entstellt -
Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine überlebenschance hat; völliges Scheitern, das zu vermitteln; Besuche hinterlassen nicht. Eine halbe Stunde danach kann man nur noch mechanisch rekonstruieren, ob der Besuch heute oder vorige Woche war -
Einmal in der Woche baden dagegen bedeutet: einen Moment auftauen, erholen - hält auch für paar Stunden an -
Das Gefühl, Zeit und Raum sind ineinander verschachtelt -
das Gefühl, sich in einem Verzerrspiegel zu befinden -
torkeln -
Hinterher: fürchterliche Euphorie, dass man was hört - über den akustischen Tag-Nacht-Unterschied -
Das Gefühl, dass jetzt die Zeit abfließt, das Gehirn sich wieder ausdehnt, des Rückenmark wieder runtersackt -
über Wochen.
Das Gefühl, es sei einem die Haut abgezogen worden."

Dieser Brief drückt alles aus, was Isolationshaft ist. Isolationshaft bedeutet die permanente Folter jeden Tag, 24 Stunden land. Sie bedeutet die VerstÃŒmmelung dessen, was uns zu Menschen macht. Sie bedeutet Grausamkeit, die zur Wissenschaft und Vernichtungspolitik, die zum "sauberen" Strafvollzug geworden ist.

Text zur Verfügung gestellt von
Prison Watch International (PWI)
info (at) pwi.action.at
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