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[ 25. Jan 2000 ]

65 Beschwerden nach Drogenrazzia in Traiskirchen

"Wir können mutmaßliche Verbrecher nicht mit Samthandschuhen anfassen. Jeder hat naTürlich das Recht, sich über die Exekutive zu beschweren." Dieser Empfehlung der Sicherheitsdirektion NiederÖsterreich folgen dieser Tage gleich 65 Menschen auf einmal.

 

"Wir können mutmaßliche Verbrecher nicht mit Samthandschuhen anfassen. Jeder hat naTürlich das Recht, sich über die Exekutive zu beschweren." Dieser Empfehlung der Sicherheitsdirektion NiederÖsterreich folgen dieser Tage gleich 65 Menschen auf einmal. Alle sind Asylwerber aus Afrika, die Montag vergangener Woche eine Drogenrazzia im Flüchtlingslager Traiskirchen miterlebt hatten. Wie DER STANDARD berichtete, behaupten Betroffene, dass einige der 130 eingesetzten Gendarmen äußerst brutal vorgegangen seien.

Bei der Razzia - Codename: "Streetrunner" - waren 80 Menschen überprüft, 15 davon wegen Verdachts auf Drogenhandel verhaftet worden. Der Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Rainer wird im Namen jener 65 Asylwerber, gegen die nichts Strafrechtliches vorliegt, eine Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat einbringen. Seine Mandanten, darunter auch alte und kranke Menschen, seien "vorsorglich" mit Plastikbändern gefesselt und dabei auch verletzt worden. Zudem habe es anale Leibesvisitationen ohne Handschuhwechsel im Beisein zahlreicher Personen gegeben.

Der Rechtsanwalt sieht in dem Vorgehen der Beamten eine Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des körpers und der Menschenwürde. Rainer zum STANDARD: "Egal, ob Verdächtiger oder nicht, jeder Mensch hat ein Recht auf menschenwürdige und korrekte Behandlung." Er überlege auch Strafanzeigen gegen einzelne Beamte.

Bei der federführenden Kriminalabteilung NiederÖsterreich spricht man hingegen von "Verleumdung" und "erfundenen Geschichten". Rektaluntersuchungen seien gar nicht üblich. "Wenn wir den Verdacht haben, dass jemand in KÃŒgelchen verpacktes Suchtgift im körper versteckt hat, warten wir, bis es von selbst zum Vorschein kommt", so ein Sprecher der Kriminalabteilung. Dafür gebe es spezielle Toiletten, die mit einem Sieb ausgestattet seien

NGOs als Beobachter

Die Razzia war vom Landesgericht Wiener Neustadt per Haussuchungsbefehl abgesegnet, doch die sichergestellte Menge Suchtgift mit 75 Gramm eher gering. "Da stellt sich für mich auch die Frage der verhältnismäßigkeit", meint Rechtsanwalt Rainer. Er fordert bei derartigen Amtshandlungen die Anwesenheit von RechtsanwÀlten. Was im Innenministerium "prinzipiell vorstellbar" ist; als unabhängige Beobachter seien aber nichtstaatliche Organisationen (NGOs) sinnvoller.

Artikel aus dem Standard vom 25.1.2000, von Michael Simoner