no-racism.net logo
 
 

[ 20. Jun 2000 ]

Michel Kabongo verurteilt mangels an beweisen

Der angebliche Drogendealer Michel Kabongo (20) aus Kongo - Brazzaville sitzt seit 22. Oktober 1999 im Wiener Landesgericht, angeklagt des Verkaufs von mindestens 1.5 kg Kokain und Heroin, verurteilt ohne Beweise einzig auf die Aussage eines anonymen und maskierten Zeugen aus der Drogenszene. Gleich nach dem erstinstanzlichen Urteil am 15. 12. 1999, das schuldig und vier Jahre Haft lautete, legte Kabongo Berufung gegen das Urteil ein. Jetzt wurde die Haftstrafe von vier auf fünf Jahre erhöht.

 

Der Prozess:

Der angebliche Drogendealer Michel Kabongo (20) alias Aba Fofana aus Kongo - Brazzaville sitzt seit 22. Oktober 1999 im Wiener Landesgericht, angeklagt des Verkaufs von mindestens 1.5 kg Kokain und Heroin, verurteilt ohne Beweise einzig auf die Aussage eines anonymen und maskierten Zeugen aus der Drogenszene. Gleich nach dem erstinstanzlichen Urteil am 15. 12. 1999, das schuldig und vier Jahre Haft lautete, legte Kabongo Nichtigkeits-beschwerde und Berufung gegen das Urteil ein, zugleich legte der Staatsanwalt Berufung ein, weil ihm das Urteil zu milde erschien. Jetzt wurde die Haftstrafe von vier auf fünf Jahre erhöht.

Voraussetzungen

Die Nichtigkeitsbeschwerde, die die BeweisFührung des Gerichts in Frage stellte und damit die Unschuld des Angeklagten hätte aufzeigen können, wurde bereits am 30. März ohne öffentliche Verhandlung abgelehnt. Damit wurde also Michels Schuld für die Österreichische Justiz fest-geschrieben.

Am Montag, den 5.Juni 2000, fand im Wiener Oberlandes-gericht die Berufungs-verhandlung statt. Darin ging es nur mehr um die StrafhÃŒhe, nicht mehr um die Schuldfrage. Wieder konnte sich der Staats-anwalt gegen die Verteidigung durchsetzen: die Strafe wurde von vier auf fünf Jahre Freiheitsentzug hinaufgesetzt. Die angeblich begangenen Verbrechen waren für das Gericht so schwer-wiegend, daß ihm die Erhöhung der ursprünglich verhängten Strafe angebracht erschien.

Nun soll hier nicht das Problem, das Drogen für unsere Jugend darstellen können, verharmlost werden, und um es in den Griff zu bekommen, sind alle sinnvollen und zielführenden Anstrengungen angebracht. Aber was z.B. in diesem Fall geschehen ist, ist keins von beiden. Es ging dem Gericht offenbar gar nicht darum, die Wahrheit über Schuld oder Unschuld herauszufinden. Dafür ist die in diesem und vielen anderen ähnlichen fällen zu Hilfe genommene "kleine Kronzeugen Regelung" in Verbindung mit Anonymisierung des Zeugen in der verwendeten Form ungeeignet.

Anklage

Wohl haben andere länder auch Kron-zeugen-regelungen und anonymisierte Zeugen, aber es gibt zu diesem Thema sehr genaue und ausfÃŒhrliche Richt-linien des Europäischen Ministerkomitees, die die gemeinsame über-zeugung der Mitgliedstaaten des Europarates zum Aus-druck bringen. Nach diesen Richtlinien haben die Strafverfolgungs- und Anklagebehörden zu verhindern, "eine Anklage aus-schließlich oder hauptsächlich auf eine einzige belastende Aussage eines solchen Zeugen abzustützen".

Genau das ist aber in diesem Fall geschehen: es steht die Aussage des Angeklagten gegen die Aussage des anonymen Zeugen aus der Drogenszene, der gerade deswegen für die Justiz besonders glaub-würdig ist: "Die Angaben dieses Zeugen gewinnen insoweit besondere Bedeutung und Glaubwürdigkeit, als dieser selbst im schwarzafrikanischen Drogenhändlermilieu tätig war und selbst Verkäufe durchführte." über Unstimmig-keiten in seinen Aussagen wird elegant hinweg-gegangen, z.B. wenn er in mehreren Prozessen die jeweiligen Angeklagten zu derselben Zeit an verschiedenen Orten beobachtet haben will.

Gegen den Angeklagten liegen hingegen keinerlei Beweise vor: keine Funde der betroffenen Drogen oder großer Geldmengen an ihm, sowohl Käufer als auch Verkäufer bei den angeblichen Transaktionen sind dem Gericht unbekannt, die angegebene Menge von je 750 g Heroin und Kokain setzt sich aus Hochrechnungen von Angaben des Zeugen und der "forensischen Erfahrung im Strassenhandel von Schwarz-afrikanern" zusammen. Als Motiv wird sein "relativ geringfügiges Einkommen" gesehen, während die Beweisanträge der Verteidigung, Zeugen zu laden, die sein ausreichendes Einkommen bestätigen könnten, als "aus rechtlichen ErwÀgungen entbehrlich" abgewiesen werden (Zitate aus der Urteils-begründung).

Konsequenz

Wenn man dann aus dem Mund des Staatsanwaltes als Begründung für die Erhöhung der Haftstrafe hört, daß "die schwarzafrikanischen Dealer überhand nehmen und den Suchtgiftmarkt in Österreich kontrollieren", erkennt man das bekannte Klischee Afrikaner = Drogendealer als Feindbild unabhängig von dafür vorhandenen Beweisen, dem bedenkenlos auch eine menschliche Existenz für einen Schein-erfolg im Drogenkampf geopfert wird.

So bleibt nur noch zu hoffen, daß der Fall neu aufgerollt wird. In Österreich ist der Instanzenweg ausgeschÃŒpft, nur neue Beweise oder der EuropäischeMenschenrechtsgerichtshof könnten eine Neuaufnahme erzwingen. Wenn das aber gelingt und der Fall Michel Kabongo und andere ähnliche ohne Einbeziehung von Zeugen der Art des "AZ 1" nur unter Verwendung der wirklichen Beweise neu aufgerollt werden, dann würden, mÌßten die Ergebnisse anders ausschauen.

AZ 1

Ob und wie anonymisierte Zeugen zu einem Verfahren zugelassen werden, liegt in der Macht der/des jeweiligen Richterin/s. Zur Zeit werden in Österreich Menschen allein aufgrund der Aussage eines voll maskierten Zeugen verurteilt.

Die zugrunde liegenden Gesetze verbieten das keineswegs. Sie öffnen einen Weg, den die Strafverfolgunsbehörden ausreizen. Viele, auch die Grüne Abg.z.NR Theresia Stoisits, vertrauten auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Nun sind alle von der Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte überrascht.

Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht and er Universität Wien, bestätigte dem Falter (Ausgabe 26/00) die Unduldbarkeit solcher Verfahren: "Der Beschuldigte kennt seinen Namen nicht, er kann nicht darauf hinweisen,d ass etwa der Zeuge mit ihm persönlichv erfeindet ist oder dass der Zeuge schon mehrfach gelogen hat."

Helmut Fuchs meinte weiters: "Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber die anonymen Zeugen so geplant hat, wie sie in der Praxis gehandhabt werden."