Ein Beitrag zur Diskussion zwischen der African Community und SOS Mitmensch
von Ljubomir Bratic
Wer hat folgende Wortmeldungen nicht schon einmal gehört: "Wir machen antirassistische Arbeit", "Gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit". SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer hat am 9. Mai d. J. "einer Partei" in der jetzigen Österreichischen Regierung "teilweisen Rassismus" vorgeworfen usw.
Man erinnere sich nur an die suggestive Gestik, die hinter diesen Aussagen steht, als hätten wir mit einer PflichtlekTüre in der Schule zu tun. Die Projekte, die diesen Gütesiegel auf den Deckel bekommen haben, spielen in den folgenden AusFührungen keine Rolle. Es handelt sich bei ihnen in der Regel nicht um antirassistische Projekte, sondern um Rechtfertigungsmechanismen einer durch und durch rassistischen Gesellschaft. Es sind PR-Tricks, die dahinter stehen.
Denn erstens, und damit fange ich mit meinen Thesen an: Antirassismus wird nicht ohne die Betroffenen "gemacht". Während sich die früher bürgerliche, jetzt zivile Elite in schönen, hegemoniellen, MigrantInnen auschließende Traditionen erdreist, die gute Seite der Gesellschaft zu repräsentieren und für diese einen fast kanonischen Zugang zu den Aktionen entwickelt, sollte der Antirassismus einem republikanischen Prinzip folgen: MigrantInnen müssen ihre VertreterInnen im Repräsentationshaus haben. Bei allen großen Demonstrationen gegen Rassismus in Österreich bisher war das nicht der Fall. Da können die gutbürgerlichen Söhne (Töchter natürlich auch) ihre Treffen hinter hundert verschlossenen Türe halten, ihre Stimme hat nicht mehr Gewicht als jene der VertreterInnen der MigrantInnen, die nur eines in Kopf haben: Ausbruch aus der hegemoniellen Bevormundung.
So kommen wir zur zweiten These. In antirassistische Auseinandersetzungen entscheiden nicht die Größe der NGO-s, ihre korporatistischen Schlagpotentiale, sondern allein die Abnahme der rassistischen überfälle. Und diese sind im exponentiellen Steigen, falls ich mich nicht irre: Dies trotz der "Lichtermeere" und "Demokratischen Offensiven". Das nenne ich den maßstab des Antirassismus.
Dritte These: Antirassismus braucht Zeit. Bei den ersten Auftritten wird er nicht selten als aggressiv und kontroversiell bespuckt oder ausgestoßen ? oder auch, aufgrund der enormen Machtkluft, gar nicht wahrgenommen. Unter Umständen auch, weil das Publikum ihre privilegierten Stellungen nicht mit jemand anderem teilen will. Mann/Frau will halt unter sich bleiben, wie in den Vorständen von vielen NGO-s, die sich angeblich der antirassistischen Arbeit verschrieben haben.
Die "Demokratische Offensive" und "SOS-Mitmensch" zum Beispiel schloss uns während der Vorbereitungsplena für die erste Demo am 12. Oktober 1999 (bei der zweiten Demo gab es keine Vorbereitungstreffen mehr) aus ? sie hatten damals Wichtigeres zu tun als den MigrantInnen zuzuhören, die lautstark ihre Positionen im verrauchten Raum des Republikanischen Klubs verkündeten. Nicht nur das ? Mehrere dieser Herren wollten uns rauschmeißen und steigerten mit Rufen wie "Raus hier!" die Hitze der Diskussion noch mehr. Nun haben wir uns woanders eingenistet, und von hier aus finden wir auch langsam Gehör. Wann wird man uns wirklich miteinbeziehen? Diese Frage wage ich nicht zu beantworten, aber wir verschaffen uns langsam selber unseren Platz. Bisweilen brauchen wir Jahre, bis wir ein Büchlein wie das von John Patillo-Hess (1986) über den "Zerfall der Masse zur Hetzmeute?" entdecken, aber dieses und ähnliche Bücher zeigen, daß unsere Stimme immer da gewesen ist.
These Nummer vier: Antirassismus ist eine Handlung, die das Herz der nationalstaatlich organisierten Gesellschaften trifft. Da liegt das Geheimnis der Teilnahmeverweigerung. Mann/Frau spricht in diesem Zusammenhang gern von konsequenter Verweigerung dem Machtapparat gegenüber.
These fünf: Antirassismus als Handlung hat einen gesellschaftlich relevanten Charakter in jedem Staat. Antirassistische Handlungen bilden EntwicklungsMöglichkeiten für jede Gesellschaft, es trifft den Puls der Zeit und versucht damit etwas anzufangen, indem er versucht, ihn zu verändern. Der Antirassismus schafft auf diese Weise eine Identifikationspotential, das seine weitere Tradierung, auch unter anderen Umständen, ermöglicht und fürdert.
Deshalb lässt sich ? These sechs ? die Wirkung einer antirassistischen Handlung nicht nur aus der unmittelbaren Wirkung derselben ableiten. Beim Antirassismus spielt die unmittelbare Wirkung nur die Rolle eines Wegweisers in eine von c befreite Gesellschaft. Es geht hier mehr um das utopische Fundament, das im Antirassismus als Ideologie auf jeden Fall c ist als im Alltag. Das ist der Grund, daß auch die HelferInnen (siehe widerst@nd -MUND vom 23. 4. 2000) sich als AntirassistInnen bezeichnen und fühlen. Sie wollen auch etwas von diesem Hauch der Befreiung mitbekommen. Ihre Machtpositionen aber wollen sie am liebsten behalten, und wenn es geht auch ausbauen. In diesem Punkt geraten sie in Konflikt mit Antirassismus.
Die letzte und siebte These lautet: Jede(r) versteht unter Antirassismus etwas anderes. Solche amorphen Begriffe lassen sich in der wissenschaftlicher Sprache nicht leicht übersetzen und zergliedern. Trotzdem habe ich diesen Versuch unternommen. Vielleicht deswegen, weil wir in dieser und nicht in einer anderen Zeit leben und agieren.
Es geht um "etwas tun", nicht um "über etwas nachdenken", das können wir als Orientierungsidee anbieten.