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[ 14. Jun 2005 ]

Turbulenter Beginn im Verfahren

Plakat Lufthansa

Lufthansa gibt 8-minötigen Ausfall ihres Servers zu
Angeklagter (libertad.de) greift am ersten Prozesstag die Abschiebepraxis an und verteidigt die Demonstrationsfreiheit im Internet

 

Vor dem Amtsgericht Frankfurt (Main) wurde heute der Prozess gegen einen der Initiatoren der ersten Online-Demonstration in Deutschland eröffnet. Dem Angeklagten Andreas-Thomas Vogel, Domaininhaber der Website libertad.de, wird "Nötigung" und "Öffentlicher Aufruf zu Straftaten" vorgeworfen.

Am 20. Juni 2001 hatten sich, so die Frankfurter Staatsanwältin Heil, etwa 13.000 Personen an einer virtuellen Blockade des Lufthansa-Internetportals beteiligt, um gegen Abschiebungen zu demonstrieren. Die Initiative Libertad! hatte auf ihrer Website dazu aufgerufen. Im Mittelpunkt des Prozesses steht die Frage der Anwendbarkeit des Demonstrations- und Versammlungsrechts. Der Angeklagte und die Initiative Libertad! hatten eine Einstellung des Verfahrens gegen ein Schuldeingeständnis abgelehnt, weil sie auf dem Recht auf Internet-Demonstrationen beharren.

Der Prozess begann turbulent. Vor dem Gebäude hatten etwa hundert Abschiebegegner lautstark "Demonstrationsfreiheit im Internet" gefordert. Besucher wurden erst nach Leibesvisitationen in den Hochsicherheitssaal gelassen, in dem sonst Strafprozesse nach §129a stattfinden. Viele der Aktivisten, die den Angeklagten begleitet hatten, fanden keinen Platz mehr im Gerichtssaal. Mehrere Zuschauer wurden während des laufenden Verfahrens aufgrund zustimmenden Beifalls gewaltsam von Polizeibeamten aus dem Saal entfernt. Richterin Wild, die die Anordnung zur Räumung gab, wollte dieser Gewaltanwendung offenbar selbst nicht beiwohnen und verließ zuvor den Gerichtssaal.

Zum Auftakt des Prozesses stellte die Verteidigung mehrere Beweisanträge, in denen sie das Ausmaß der Abschiebepraxis in Europa und die Verwicklung der Lufthansa darin eindrucksvoll darlegten. Rechtsanwalt Thomas Scherzberg, der den Angeklagten vertritt, forderte das Gericht auf, die Legitimität des Anliegens der Demonstration zu würdigen.

Vor Gericht erklärte die von der Staatsanwaltschaft geladene Justiziarin der Lufthansa, Bettina Adenauer, dass es nicht nur eine minutenlange Verzügerung bei Aufruf der Lufthansa-Webseite gegeben habe, sondern dass diese zum Zeitpunkt der Demonstration sogar "8 Minuten lang weltweit nicht erreichbar war".

Der Beschuldigte Andreas-Thomas Vogel stellte in einer ausfÃŒhrlichen erklärung den Zusammenhang zwischen der Abschiebepraxis der Lufthansa und dem Anliegen Online-Demonstration her. für ihn war die Aktion "eine zutiefst demokratische und notwendige Angelegenheit", mit der nicht nur gegen die Abschiebeairline Lufthansa protestiert werden sollte, sonden mit der darüber hinaus für Demonostrationsfreiheit im Internet "der Freiheit eine Gasse geschlagen" werden sollte.

Der Prozess wurde auf den 1. Juli 2005 vertagt. Geladen u.a. ein Rechtsanwalt, den die Online-Demo-Aktivisten im Vorfeld juristisch konsulierten. Noch nicht entschieden wurde über Beweisanträge der Verteidigung, Personen des öffentlichen Lebens zu laden, die im Vorfeld der Online-Demo ihre Unterstützung und Beteiligung zugesagt hatten. Ebenso zurückgestellt wurden Anträge, die Lufthansa-IT-Experten zu laden, damit diese über den entstandenen Schaden Auskunft geben können.