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[ 02. Feb 2002 // letzte änderung: 02. Feb 2002 ]

Dem globalen Migrationsmanagement die Kontrolle entziehen!

Weltkarte

"Migrationspolitik ist nicht allein Migrations - Abwehr, sondern Migrations - Steuerung, sie sucht jene MigrantInnen abzuwehren, die nicht gewollt sind, und jene anzuwerben, die gebraucht werden."

 

Stichworte, wie "Festung Europa" dominierten in den letzten Jahren die Kritik an der Europäischen Zuwanderungspolitik. Aktuelle migrationspolitische Tendenzen einzig im Lichte einer Abwehrhaltung zu betrachten, wäre allerdings verkürzt. "Globales Migrationsmanagement" heisst das vermeintlich neue Zauberwort. Dahinter versteckt sich der Versuch, Migration im Zuge der Globalisierung weltweit (wieder) in den Griff zu bekommen. Den Ruf der Wirtschaft nach einem maßgeschneiderten Zugriff auf die globalen ArbeitsmÀrkte, gilt es mit dem "Schutz" der Wohlstandsinseln vor den Ansturm der "Unnützen" in Einklang zu bringen. So zeichnen sich vielfältige Bestrebungen ab, Migration global zu kontrollieren und entlang wirtschaftlicher und Bevölkerungspolitischer Interessen zu managen.

Im Rahmen des "Open Forum Davos" nahmen unter dem bezeichnenden Titel "Arbeitskräfte gesucht: Migration und ihre Folgen" einige promintente AkteurInnen und Think tanks dieser Bestrebungen an einer Veranstaltung teil. Angesichts der "wechselnden demografischen Trends" und dem Ruf der Wirtschaft nach einem erleichterten Zugriff auf die globalen ArbeitsmÀrkte werde der Umgang mit Migration zu einer grossen Herausforderung für alle Regierungen dieser Welt, hieß es unter anderem im Veranstaltungshinweis.

Im Zuge der Globalisierung gilt es nun auch die Migrationspolitik global zu reorganisieren. Um die Kontrolle über die weltweiten Wanderungsbewegungen
(wieder) zu erlangen, braucht es mehr als ein technisch hochgerüstetes Grenzregime gegen "irreguläre Migration" - wenngleich auch in diesem Bereich weiterhin nichts unversucht gelassen wird, wie beispielsweise das im Januar neu eingeführte Gesichtserkennungssystem am Flughafen in ZÃŒrich-Kloten zeigt. Eine Ausdehnung der Migrationspolitik auf die Herkunfts- und Transitländer von MigrantInnen wird auf verschiedenen Ebenen angestrebt, um Migration präventiv vor Ort bekämpfen zu können. So geht es vor allem darum, Migrations- und Flüchtlingsbewegungen bereits in der Herkunftsregion zurückzuhalten und am Weiterwandern Richtung Wohlstandsinseln zu hindern. Eindrücklichstes Beispiel dieser Politik war die Errichtung von stacheldrahtumzäunten Lagern nahe des Kriegsgeschehens während des Krieges in Jugoslawien.

Eine Abschiebemaschinerie, die das "Gebot rechtsstaatlicher mäßigung der staatlichen Strafgewalt" (Marc Spescha) lÀngst hinter sich gelassen hat, nimmt sich andererseits MigrantInnen und Flüchtlingen an, die es trotz allem lebendig nach Europa geschafft haben, hier aber unerwünscht sind. Angestrebt werden umfassende Rückführungsprogramme für Ausschaffungen im großen Stil. Indem beispielsweise Entwicklungshilfe oder Abschlüsse von Handelsabkommen an die Kooperation bei der Rückführung von MigrantInnen und Flüchtlingen geknüpft werden, wird massiv Druck auf die länder des südens ausgeübt. So schickt die Schweizer Regierung neuerdings Migrationsattach"©s durch die halbe Welt, um mit verschiedenen ländern Transit- und Rücknahmeabkommen auszuhandeln und schnelle Rückführungen - wenn nötig auch in Sammellagern in "sicheren Transitländern" wie zum Beispiel dem Senegal - zu gewährleisten. Das Schweizerische Rote Kreuz, Co-Organisatorin des Open Forum zu Migration in Davos und mit ihrem präsidenten Ren"© Rhinow auf dem Podium vertreten, spielt bei solchen Rückführungsprogrammen, wenn es darum geht, Flüchtlinge von einer "freiwilligen Rückkehr" zu überzeugen, allzu oft eine zwiespÀltige Rolle.

Im Zusammenhang mit dem globalen Migrationsregime haben weltweit agierende Institutionen und Agenturen - wie beispielsweise die International Organisation for Migration (IOM) mit Sitz in Genf - eine wichtige Rolle zugespielt bekommen. Nicht von ungefähr nahm denn auch der Generaldirektor der IOM Brunson Mc Kinley am Open Forum in Davos vom 27. Januar 2003 teil. Auf Initiative der USA zu Zeiten des Kalten Krieges 1951 gegründet, versteht sich die IOM inzwischen selbst als Dienstleistungsanbieterin und Politikentwicklerin in Sachen Migrationsmanagement, Kontrolle und Rückführungen im Dienste der 91 Mitgliedstaaten und der 31 länder mit Beobachtungsstatus. Die IOM basiert weder auf internationalem Recht, noch ist sie humanitären Prinzipien verpflichtet. Auch ist die Organisation - die sich damit brüstet, in die Geschicke von 11 Millionen MigrantInnen und Flüchtlingen eingegriffen zu haben - von keinem internationalen Gremium autorisiert worden. Einzig die Mitgliedstaaten und damit die GeldgeberInnen kontrollieren die Arbeit der IOM. Bezüglich der IOM sind noch viele Fragen offen, doch ist die IOM vermutlich bereits das bedeutendste Instrument globaler Bevölkerungspolitik und weltweiter sozialer Kontrolle.

Um gewisse SpezialistInnen und ExpertInnen ist auf dem weltweiten Arbeitsmarkt ein harter Konkurrenzkampf entbrannt. Gesuchte Fachkräfte anwerben zu können, wird als ein wichtiger "Schlüssel des Standortvorteils" angesehen. Einem Migrationsmanagement, das diese Erfordernisse miteinbezieht, waren die "ExpertInnen" auf dem Podium am 27. Januar in Davos in erster Linie verpflichtet. Die neuen GastarbeiterInnen, die unter prekärsten Bedingungen als Sans-papiers zu hunderttausenden in der Schweiz und weiteren Europäischen ländern leben und arbeiten, stellen die andere Seite dieser Politik dar, die sich dem Nützlichkeitsprinzip verschrieben hat. Ohne Zugang zu sozialen und politischen Rechten sind die Kosten dieser beliebig manÃŒvrier- und ausbeutbaren Arbeitskraft so niedrig wie nie. Die Reaktion auf die Bewegung der Sans-papiers der letzten beiden Jahre hat gezeigt, dass der Spielraum angesichts des lukrativen Zugriffs auf diese "modernen SklavInnen" für eine politische Lösung gleich null ist.

Es ist absehbar, dass das Management der Elitemigration einhergehen wird mit der verschärften Bekämpfung irregulärer Zuwanderung und der weiteren AushÃŒhlung des Asylrechts und des Flüchtlingsstatus. Doch Migrationspolitik - auch als globales Management im Dienste des Marktes - ist und bleibt ein Terrain sozialer Auseinandersetzungen. "Migration an sich stellt die globale Verteilung des Wohlstandes in Frage und fordert die sozialgeografische Zonierung der Welt in Arm und Reich heraus. Insbesondere selbstbestimmte Migration unterläuft die planerischen Vorstellungen und damit die sozialpolitische Hegemonie der Ersten Welt. In der "Autonomie der Migration" drückt sich eine soziale Form des Widerstandes gegen dieses Projekt aus. Sie verkörpert eine Form des Kampfes für globale Verteilungsgerechtigkeit. Migration repräsentiert den Anspruch auf das Recht, einen Ort zu verlassen, das Recht, woanders hinzugehen, einschließlich des Rechts, Grenzen zu überschreiten, und des Rechts, an einem bestimmten Ort zu bleiben."

Dieser Text wurde von Frank DÃŒvell (Mitarbeiter der Materialen für einen neuen Antiimperialismus) anlässlich des WEF-Gipfels in Davos zusammengestellt.