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[ 20. Mar 2006 ]

Polizei entführt 3-Jährigen, um Mutter abzuschieben

Polizeiauto

Bei einem Polizeieinsatz wurde in Dresden ein Kind als Druckmittel für die Abschiebung der Mutter benutzt. Gegen die verantwortlichen PolizistInnen wird nun wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung und erpresserischen Menschenraubs ermittelt.

 

Es liest sich durchaus wie aus einem Drehbuch zu einem unterklassigen Fernseh-Krimi, was sich am 6. März im Dresdner Stadtteil Gorbitz abspielte. Das Szenario: Kurz nach 8 Uhr fahren zwei Streifenwagen im Limbacher Weg vor, zwei uniformierte Polizeibeamtinnen betreten die dortige Kindertagesstätte OUTLAW und verlangen die Herausgabe eines 3-jährigen Angolaners. Als Begründung stellt sich später heraus, dass man über das Kind der im April 2001 in die Bundesrepublik eingereisten Mutter habhaft werden wollte. Deren Asylantrag war im Oktober 2002, für ihren Sohn im Juni 2004, abgelehnt und vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2004 rechtskräftig beschieden worden, weil in den Augen des Amtes keine erkennbaren Abschiebehindernisse vorlagen.

Die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz (ZAB) kündigte im Juli 2005 die Abschiebung von Mutter und Sohn an. Angaben der ZAB zufolge sei die 31-jährige Mutter noch an jenem 6. März von der Polizei telefonisch aufgefordert worden, ihren Sohn aus der Kindertagesstätte abzuholen, dort aber nicht erschienen. Wann und ob dieser Kontakt zur Mutter überhaupt wirklich stattgefunden hat, konnte allerdings bisher nicht aufgeklärt werden. Unwidersprochen ist ebenfalls die Schilderung, der Mutter sei gedroht worden, ihr Kind notfalls auch alleine nach Angola abzuschieben.

Nach dem sich die ErzieherInnen des OUTLAW zunächst weigerten, den Jungen herauszugeben, wurde zusätzliche polizeiliche Verstärkung angefordert. Schließlich gestattete die Polizei wenigstens, dass eine Vertrauensperson den Jungen im Streifenwagen zum Kinder- und Jugendnotdienst begleiten darf. Stunden später wurde dann das Kind mit der lapidaren Bemerkung "Der hat jetzt Hunger" wieder in die Kindertagesstätte zurück gebracht. "Noch ist unklar, was tatsächlich in der Zwischenzeit passiert war", stellte die Sächsische Zeitung am nächsten Tag eine der offenen Fragen zu den Geschehnissen.

Vor dem Jugendhilfeausschuss des Dresdner Stadtrates verteidigte Oberbürgermeister Roßberg (FDP) den Einsatz der Polizei. Jugendamtsleiter Lippmann versprach eine Aufklärung der Vorgänge. Die sächsische Ausländerbeauftragte de Haas (CDU) erklärte gegenüber dem Online-Magazin Telepolis: "Die Menschenwürde ist ein unantastbares Gut und bestimmt jedes polizeiliche Handeln." Darüber hinaus, so de Haas weiter, müsse gerade bei Kindern im Zweifel das Interesse an einer schnellen Abschiebung hinter dem Kindeswohl zurückstehen. Mutter und Kind sind jedenfalls nach den Ereignissen erst einmal untergetaucht.

Die Staatsanwaltschaft untersucht nunmehr, ob sich die PolizeibeamtInnen und deren Vorgesetzte wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung oder auch erpresserischen Menschenraubs vor Gericht verantworten müssen. Die Grünen in Sachsen, die Dresdner AusländerInnenbeauftragte Marita Schieferdecker-Adolph und die Hilfsorganisation Pro Asyl verurteilen den Polizeieinsatz und sprechen von einer "Geiselhaft".

Quellen:
Telepolis
TAZ