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[ 18. Oct 2006 ]

Prozess wegen 'Amtshandlung' in Graz

justiz

Prozess gegen einen Mann aus Indien. Zeuginnen belasten PolizistInnen - und der Richter meint, Menschen hätten sich für etwaige Übergriffe der Polizei nicht zu interessieren.

 

Am Dienstag, 17. Oktober 2006, fand am Landesgericht Graz der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen einen aus Indien stammenden 29-jährigen Computerexperten und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Technischen Uni Graz wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" statt. Der Prozess wurde vertagt.

Herr J. hatte in der Nacht des 31. Juli 2006 im Rahmen einer Verkehrskontrolle ein Zusammentreffen mit zwei PolizeibeamtInnen, bei dem sein Fahrradlicht nicht funktionierte und ein Polizist ihn im Laufe der Amtshandlung mit Pfefferspray verletzte. Die Aussagen zum Ablauf der "Amtshandlung" gehen jedoch völlig auseinander. Sicher ist, dass ein Polizist Prashant J. Pfefferspray in die Augen sprühte.

Warum die Amtshandlung eskalierte, versuchen mehrere Behörden zu klären: Neben dem Landesgericht Graz auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS). Denn zwei unbeteiligte Zeuginnen haben den Vorfall deutlich anders wahrgenommen als die VertreterInnen der Exekutive.

Herr J. fuhr in dieser Nacht auf seinem Fahrrad nach Hause. Nach drei Bier, wie er selber sagt und ohne funktionierendes Licht, wie er ebenfalls angibt. Zwei PolizistInnen hielten den Mann an, wiesen auf die fehlende Beleuchtung hin und wollten schließlich einen Ausweis sehen.

Ab dann sind die Aussagen unterschiedlich. Herr J. habe seine Geldtasche mit Ausweisen auf den Boden geschmissen und lautstark protestiert, schildert die Exekutive in ihrer Stellungnahme an den UVS. "Weiters versuchten die Beamten durch Zureden auf die Person beruhigend einzuwirken. Dies hatte jedoch keine positive Auswirkung... Revlnsp S. wurde von der Person an der Schulter gepackt und erhielt gleichzeitig einen Faustschlag im Brustbereich und weitere Schläge am Körper", steht dort weiter.

Erst nach mehrmaliger Ankündigung sei der am Boden liegende Mann, der auch versucht haben soll den beteiligten Beamten die Hoden zu quetschen und seinen Ringfinger umzubiegen, mit dem Pfefferspray besprüht worden.

Was weder Herr J. noch zwei Passantinnen, die stehen geblieben waren um den Einsatz zu beobachten, so erlebt haben. Im Gegenteil, das Auftreten des männlichen Polizisten sei äußerst aggressiv gewesen, schilderten die Frauen bei der Verhandlung am 17.10. Der kontrollierte Radfahrer habe sich defensiv verhalten - zumindest bis der Beamte ohne Ankündigung das Pfefferspray zückte und abdrückte. Die Zeuginnen boten sich für eine Aussage an und drückten dem Verletzten einen Zettel mit einer Kontaktmöglichkeit in die Hand, bevor er ins Spital gebracht wurde. Die Frauen schickten dann von sich aus Berichte ans Büro für Innere Angelegenheiten im Innenministerium.

Die zwei Zeuginnen bestätigten die Aussagen von Herrn J, wonach er grundlos mit Pfefferspray zu Boden gebracht und gestoßen wurde. Diese Aussagen belasteten den männlichen Teil der beiden BeamtInnen schwer: nach ihren Angaben er sei mit einem "Schlagstock" (wie sich herausstellte eine Stablampe) auf den vor Angst zurückweichenden, viel kleineren Mann losgegangen, während sich J. "auf keinen Fall" irgendwann aggressiv gegenüber dem Polizisten oder der Polizistin verhalten hätte. Die Beamten hatten jedoch angegeben, von J. verletzt worden zu sein.

Die beiden aus Graz stammenden und in Frankfurt und Paris lebenden Zeuginnen, waren zufällig Zeuginnen des Vorfalls geworden, der sie "empörte". Von Richter Karl Buchgraber gefragt, warum man stehen bliebe, wenn man eine Amtshandlung sehe, antwortete eine der Zeuginnen, sie habe das Gefühl gehabt, bleiben zu müssen, um den englisch redenden Mann zu schützen.

Ein Verhalten, das Richter Karl Buchgraber vom Tisch wischt: "Es hat Sie nicht zu interessieren, was die Polizei macht", riet Buchgraber zur Verblüffung der zahlreich anwesenden ZuhörerInnen wörtlich.

Unter den ProzessbeobachterInnen war auch die Intendantin des steirischen herbstes, die Buchgraber wenig später darauf hinwies, dass er eine wichtige Aussage der zweiten Zeugin nicht ganz richtig protokolliert hatte: "Das hat sie nicht gesagt", rief sie spontan aus - und wurde des Saals verwiesen.

Quelle: derstandard.at