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[ 25. Jan 2007 ]

Read my Lips!

Es ist nichts Neues, aber trotzdem funktioniert es immer wieder: WählerInnen mit laut getrommelten Wahlversprechen zu ködern und diese dann dumm-dreist lächelnd zu verarschen. Dazu ein Text der Rosa Antifa Wien.

 

Versprechungen, für höhere Bildungsstandards zu sorgen, die sozial Schwächeren zu entlasten oder schlicht ein besseres Leben zu ermöglichen, werden gerne gemacht - gehalten werden sie nie. Es liegt in der Natur der Parteipolitik so zu handeln, denn es geht nie um die beste Lebensqualität von Menschen, sondern immer um persönliches Prestige von PolitikerInnen und um den Profit von FörderInnen und Seilschaften und selbstverständlich um die Verwaltung des Elends!

Freier Zugang zu Bildung


Wir fordern einen freien Zugang zu Bildung. Für alle! Egal, wie alt, welcher sozialen Herkunft. Es muss ebenso egal sein, welche Ziele StudentInnen mit einem Studium verfolgen, denn es darf bei Wissen und Bildung nicht um "Verwertbarkeit" gehen. Wissen und Bildung - egal aus welchen Bereichen - muss allen Menschen offen stehen!

Studierende hatten in Österreich nie einen guten Ruf. Ständig wurden StudentInnen als faul diskreditiert - vor allem wenn es darum ging, Geld aus dem universitären Bildungsbereich abzuziehen, um es anderen Ministerien (ein paar Panzerchen hier, ein paar Steuergeschenke für UnternehmerInnen dort) zuzuführen. In Österreich gilt etwas zu lernen nicht als Arbeit, weil im allgemeinen Wertebild nur als Arbeit angesehen wird, was für UnternehmerInnen als produktiv genug gilt. Was vollkommen ignoriert wird, ist die Tatsache, dass Wissensaneignung immer mit einem Zeit-, Ressourcen- und Energieaufwand verbunden ist - und somit Arbeit ist.

Nicht nur Lohnarbeit ist Arbeit!


Es ist nicht im Interesse von ÖVP, FPÖ oder BZÖ, allen Menschen in diesem Scheiß-Land einen freien Zugang zu Bildung zu bieten, denn die wollen nur ihre eigenen Eliten durch die Universitäten in die Gerichte, Ministerien oder in die (Privat-)Wirtschaft schleusen, während die SPÖ so sehr ihrem antiquierten Arbeitsfetisch verhaftet ist, dass sie Bildung schlicht und ergreifend als geradezu unnötigen "Luxus" ansieht. Die SPÖ (und auch der ÖGB) vertritt nach wie vor ein Arbeitsbild, das Arbeit mit Schweiß, Männern und Fabriken verbindet.

Was allzu gerne vergessen wird: Spätestens seit 1996 hat die SPÖ - damals ebenfalls als Regierungspartei - die Situation von Studierenden durch "Sparpakete" (also kreative Geldumlagerung in andere Ressorts) massiv verschlechtert.

So kann es uns nicht verwundern, wenn jetzt selbst (oder eher gerade) der große Vorsitzende der "sozial"-"demokratischen" Partei wieder für StudentInnen eine kleine "Überraschung" hat: Die Studiengebühren dürfen zukünftig abgearbeitet werden - zum Beispiel "im Rahmen neuer Herausforderungen (Hospiz-Bewegung u.ä.)", wie es im Regierungsübereinkommen wörtlich heißt. Es gibt also einen 60 Stunden Lohn-Dumping-Dienst für jene, die sich die Studiengebühren nicht leisten können! Das dann auch noch als soziale Maßnahme zu verkaufen, ist an Perfidie kaum mehr zu überbieten.

Ohne Lobby


Was in den gesamten Protesten vollkommen untergeht, sind alle anderen Schweinereien, die im neuem Regierungsprogramm geplant sind. So ist zum Beispiel im Kapitel zu Frauenhandel zu lesen: "Krankenhilfe für Betroffene des Frauenhandels bis zur Klärung des Aufenthaltsstatus", oder im Klartext: Pflaster drauf und Abschieben! So stellen sie sich den Schutz von Opfern vor.

Und für Menschen ohne Lohnarbeit wird vorgesehen: "Beschäftigung bei privaten und gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassern forcieren." Das kann wohl nur heißen, dass bislang illegale Praktiken des AMS legalisiert werden sollen. Auch die sogenannten "Zumutbarkeitsbestimmungen" sollen erneut verschärft werden. Offensichtlich hat die neue Regierung ein "Herz für Zwangsarbeit". Noch deutlicher wird dies bei der allenthalben als Maßnahme gegen Armut verkauften Vereinheitlichung der Sozialhilfe: Die "bedarfsorientierte Mindestsicherung" wird auch BezieherInnen niedriger Arbeitslosengelder und NotstandshilfeempfängerInnen dem Vermögenstest zuführen: Schließlich steigt der Bedarf an Habenichtsen, die für praktisch keinen Lohn hackeln gehen müssen, seit Jahren - ohne Aussicht auf Besserung. Und wer nichts mehr hat, ist - eh klar - leichter zu zwingen.

Wer den Unklarheiten in der öffentlichen Diskussion aufgesessen ist und zumindest eine Annäherung an ein bedingungsloses existenzsicherndes Grundeinkommen erhofft hat, wird also durch das Regierungsübereinkommen recht unzweideutig auf den Boden der Realität geholt. Der bestimmende Arbeitsfetisch der SPÖ wird hier nur konsequent reaktionär weitergedacht. Wer nix hackelt, ist nix wert, so einfach ist das im sozialdemokratischen Weltbild.

Dass dieses Weltbild auch in sich schon immer verlogen war, wird nicht zuletzt am neuen Frauenministerium sichtbar: Wenn schon Haus- und Reproduktionsarbeit kaum wo bezahlt wird und für alle sichtbar fast ausschließlich von Frauen erledigt wird, wieso sollte ein Frauenministerium dann ein eigenes Budget bekommen. Betteln gehen heißt wohl die Devise.

Roter Rassismus


Natürlich können sich Menschen ohne österreichischen oder europäischen Pass auf etwas gefasst machen, denn auch der Rassismus ist in der SPÖ fest verankert. Vielleicht nicht ganz so plakativ wie bei der FPÖ, an der menschenverachtenden Migrationspolitik von FPÖ/BZÖ/ÖVP hatte man aber bereits in den letzten Jahren kaum etwas auszusetzen. Und es sei erinnert: Marcus Omofuma wurde von Polizisten unter einem rotem Innenminister ermordet. Dieser wusste von der gängigen Praxis, sogenannte "Schubhäftlinge" zu fesseln und zu knebeln. Ein Rücktritt wurde nie in Betracht gezogen, stattdessen bekam er beinahe unisono Rückendeckung aus der eigenen Partei!

Entsprechend wird es niemanden verwundern, dass das Regierungsprogramm in diesem Punkt einschlägige Worte findet: Als zentrale Aufgabe sieht man "schärfstes Vorgehen gegen illegale Migration", konkret will man "Modelle für Schubhaftzentren (...) entwickeln" und ein "Asylgericht" schaffen, das vor allem ein Ziel hat: Abschiebungen zu beschleunigen. Mit welch menschenverachtender Kälte solche Pläne entworfen werden, zeigt ein weiteres Zitat: Es bedürfe "einer strategischen Gesamtsteuerung im Asyl- und Fremdenwesen und einer Optimierung der Abschiebungspraxis", formulieren SPÖ und ÖVP ihr Verständnis von Migrationspolitik recht unmissverständlich.

Scheuklappen ablegen! Solidarisieren!


Es reicht nicht zu versuchen, nur die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen! So beschissen die Situation für StudentInnen ohne finanziell potentes Elternhaus auch sein mag, es sind auch andere Menschen von den unsozialen Plänen der neuen Regierung betroffen. Ein Blick in das Koalitionspaket genügt um zu sehen, dass die unfassbar rassistische Migrationspolitik der letzten Jahre mit der neuen Regierung weder ein Ende gefunden, noch ihren Höhepunkt erreicht hat. Auch arbeitslose Menschen werden nichts zu lachen haben, denn was die Regierung der Bevölkerung als Grundsicherung verkauft, ist nichts anderes als ein Zwangsarbeitspaket.

Es hat keinen Sinn nur für die eigenen Interessen einzutreten und darauf zu warten, ob im Zuge eines kleinen "Reförmchens" ein paar Brotkrumen für einEn selbst abfallen. Es hat auch keinen Sinn, kleinlaut reformistische Forderungen zu stellen, die vielleicht gerade mal die größten sozialen Härten ein wenig abschwächen würden.

Seien wir vernünftig - fordern wir das Unmögliche!


Denn unmöglich ist es nicht! Wir sind der Meinung: Wir leben nicht um zu arbeiten, und wir sollten auch alle nicht arbeiten müssen, um leben zu können! Es ist nicht unser Lebenszweck, Reiche noch reicher zu machen! Es ist auch ganz sicher nicht unser Lebensinhalt, als brave BürgerInnen diesem oder irgend einem Staat zu dienen!

Wir wollen unser Leben genießen und Spaß haben! - Hier und jetzt!
Wer hat euch verraten? Sozialdemokraten!**
Wer verrät uns nie? Die Anarchie!

* Das vollständige Zitat lautet: "Read my Lips: No new taxes" und stammt von George Bush sen. Es ist zu einem Synonym für gebrochene Wahlversprechen geworden, nachdem Bush dies im US-Präsidentschaftswahlkampf 1988 zu einem zentralen Thema seiner Kampagne gemacht hatte und das Versprechen in der darauf folgenden Amtszeit gebrochen hat. Auch die SPÖ hat das Bush-Zitat in Wahlspots gegen den damaligen Kanzler Schüssel zum Einsatz gebracht.

**gemeint sind natürlich auch Sozialdemokratinnen, ÖVPlerInnen, FPlerInnen, BZÖlerInnen und ALLE anderen Parteien.