Bereits zum 3. Mal organisiert "kein mensch ist illegal" ein Campen gegen Grenzen an der deutsch-polnischen Grenze. Ziel: das Grenzregime zu stören und Widerstand gegen die Europäische Abschottungspolitik zu organisieren. Eines der wichtigsten Ziele dabei ist die Selbstorganisation der TeilnehmerInnen, die zu einer ideenreichen Praxis und anregenden Begegnungen führen soll - am besten über räumliche und zeitliche Grenzen des Camps hinaus.
1. Bericht vom Camp ab Dienstag, 1.8.
2. Bericht vom antirassistischen Grenzcamp in Forst/Brandenburg
3. Bericht ueber dass fulminante ende des dritten antirassistischen granzcamps in forst
Zu den geplanten Atkionen heisst es im Aufruf von kein mensch ist illegal:
"In diesem Rahmen muten wir den lokalen Autoritäten, der Bevölkerung, dem BGS und den Institutionen von Wirtschaft und Politik erneut freches Auftreten, fantastische Forderungen und utopische Vorstellungen zu. Die heimeligen Natur- und KleinbürgerInnenidyllen werden wir auf ihren barbarischen Gehalt samt der stillschweigenden Duldung und Verharmlosung abklopfen. Wir warten fieberhaft auf die erklärung, warum in Gegenden, in denen kaum Menschen anderer Nationalität oder Hautfarbe leben, diese schuld sein sollen an Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Wir werden klarstellen, dass auch in den Gegenden, wo sie leben, die Verantwortung bei anderen liegt. Unser Kapital werden harte Fakten und der Fundus des linken Anti-Establishment sein. Sachliche AufKlärung korrespondiert mit hinterhältigem Schabernack. Die Campzeitung wird per Webjournal aller Weit zugänglich sein und dort ist auch das Geschehen vor Ort zu verfolgen. Video- und FotokünstlerInnen dokumentieren Szenen, die jeder Beschreibung spotten. RadiopiratInnen attackieren die Lufthoheit des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks im Äther. Menschenaufläufe blockieren Strassen, definieren den öffentlichen Verkehr neu und enthüllen den ganz eigenen Charme absurder Begegnungen. AktivistInnen schrecken vor keinem Experiment zurück, Vorurteile bloßzustellen. PolitstrategInnen nutzen jede Taktik, um dem BGS das Leben schwer zu machen. Und zu guter Letzt sind wir uns nicht zu schade, unseren eigenen Müll wegzuräumen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen."
1. Bericht vom antirassistischen Grenzcamp in Forst Brandenburg
Hier ein erster Live-Bericht vom Camp. über die ersten drei Tage (bis einschließlich Montag) informiert euch selbst auf der Homepage des Camps. Wir berichten ab Dienstag, 1.8. Auf nadir.org gibt`s auch Bilder von den Aktionen, auch schon von den heutigen.
Nach dem Verbot des ursprünglich vorgesehenen Platzes durch den bürgermeister von Forst Dr. Gerhard Reinfeld, wurde doch noch rechtzeitig vor Campbeginn im Industriegebiet ein Platz gefunden. Die Wasserwerke waren so freundlich, die Dusche anzuschließen. Seit Montag gibt`s auch Strom und Internetanschluß. Das Campradio sendet - leider mit geringer Reichweite - durchgehend. Zur Zeit (Donnerstag abend) befinden sich rund 800 Personen, vor allem aus Deutschland, am Camp. Bisher gab es einige Aktionen (siehe www.nadir.org ).
Nun zu den Aktionen:
In der Nacht von Montag auf Dienstag erfuhr das Camp über Funk von der polnischen Grenzpolizei, daß 10 Flüchtlinge illegal die Grenze passiert hatten. 2 wurden gleich verhaftet, worauf große Teile der CampteilnehmerInnen spontan nach Forst zur Ablenkung des BGS (Bundesgrenzschutz - paramilitärische Bulleneinheit) auszogen. Allerdings durften sie eher die zur Campüberwachung abgestellte Polizei beschäftigt haben, die ganz ihrer Deeskalationsstrategien folgend, trotz eingeschlagener Fensterscheiben bei der BGS-Station beim Bahnhof und zerstörten EXPO-Werbeträgern niemanden verhafteten sondern brav die Campkontaktpersonen angerufen hatten, um Sinn und Zweck der Aktion zu erfahren.
Am Mittwoch mittag gab's eine Aktion am Bahnhof in Cottbus gegen überwachung und rassistischen Kontrollen. Eine kontrollfreie Zone wurde eingerichtet, Redebeiträge zum rassistischen Überwachungsstaat gehalten, Transparente auf der Bahnhofsgalerie aufgehängt und Sprayereien im Bahnhofsdurchgang angebracht. außerdem wurden alle Fahrscheinautomaten mit "außer Kontrolle"-Aufklebern versehen, sowie der Bahnhof EXPO-Werbeträger-befreit. Die Bullen umstellten zwar den Bahnhof, unternahmen aber keine ernsthaften Versuche, Menschen zu verhaften (die Videoaufnahmen des vollüberwachten Bahnhofs haben sie zur Verfügung).
Abends gab es eine Aktion in Guben, ca. 30 km nördlich von Forst, wo am 12. Februar 1999 ein Asylwerber aus Algerien von Rechtsextremisten durch eine Glastüre gehetzt wurde. Es verblutete an seiner Verletzung. Am Gedenkstein für den Ermordeten hielten ca. 300 Leute eine Kundgebung ab. Der Ort des Geschehens war eine der Plattenbausiedlungen, in denen es linken Jugendlichen schwerfällt ohne Konflikten mit Nazis auszukommen. Nach Ende der offiziellen Kundgebung gab's noch eine Spontandemo gegen das tatenlose Zuschauen der AnrainerInnen bei rassistischen Angriffen. Die deutschen AnwohnerInnen, dem Österreichischen Publikum nicht unähnlich, beschwerte sich während der Kundgebung wegen Ruhestörung. Gegen die Schändung des Mahnmals hatten sie allerdings nichts unternommen.
Am Donnerstag, 3.8., wurde die BGS-Station in Jänschwalde-Ost blockiert. Auf der Zufahrtsstrasse wurden Baumbarrikaden errichtet, zwischen den Barrikaden wurde die Strasse aufgegraben und unbefahrbar gemacht. Der BGS unternahm verwunderlicherweise nichts, um Barrikadenbau und Zerstörung der Strasse zu unterbinden. Nach eineinhalb Stunden drängte der BGS die Leute ab, nahm aber niemenschen fest. Während der Aktionen heute war internationale Presse anwesend, die auch am Camp interviewten.
Am Abend fuhr ein Teil der CampteilnehmerInnen (ca. 250) nach Spremberg (ca. 30 km südwestlich von Forst), um dort vor einem Lokal zu demonstrieren, das als Nazi-Treff fungiert. Auch in Spremberg schikanieren Rechtsextreme auf der Strasse AusländerInnen und Linke. Nach der Kundgebung vor dem Lokal wurde durch den Ort demonstriert. Lobend erwähenenswert erscheint noch eine spontan solidarisierte Kundgebung Spremberger Schuldkinder, die mit Skateboard und Fahrrädern Geschützt als autonomer "fliegender" Block immer wieder die Polizeieskorte durchbrach und "Wir protestieren auf allen Vieren, weil wir wissen, Faschismus ist beschissen" skandierten.
o.k. Das war der erste brandheiße Live-Bericht, direkt vom Camp-Internetzelt geschickt.
Auf Widerstand - denn Widerstand heißt Angriff!
2. Live-Bericht vom antirassistischen Grenzcamp in Forst/Brandenburg ueber die Ohnmacht gegen die Abschiebemaschinerie
demo gegen die ZAST(zentrale abschiebestelle) in eisenhuettenstadt (brandenburg teutschland) am 4.8.2000 im rahmen des antirassistischen grenzcamps in forst:
circa 300 menschen fanden sich gestern zur demo gegen die zast in eisenhuettenstadt (bis 1956 stalinstadt), einer nach dem 2. weltkrieg am reissbrett entworfenen, zum groessten teil aus plattenbauten bestehenden stadt, im osten deutschlands, unmittelbar an der polnischen grenze, ein.
dort steht die zentrale abschiebebehoerde brandenburgs, eine aus einem, von meterhohen zaun umgebenen fluechtlingsghetto fuer 800 (!) menschen und einer nach mehren ausbruechen und einer gefangenenrevolte 1997, neugebauten hochsicherheitsabschiebegefaengnis, bestehenden anlage. hierhin werden die fluechtlinge nach aufgreifung zur ersten datenaufnahme und zum ersten verhoer gebracht. menschen die z.b. nicht genug deutsch sprechen, um die gezielt irrefuehrend gestellten fragen zu fluchtgruenden und fluchtweg zu ihrem besten zu beantworten, werden nach moeglichkeit aus sogenannnten gruenden wie "einreise ueber sichere drittstaaten" oder "offensichtlich unbegruendeter flucht", gleich wie in oesterreich sofort abgeschoben. wenn nicht, werden sie an andere orte deutschlands an fluechtlingsheime nach quoten aufgeteilt. in diesen angekommen duerfen sie nach deutschem gesetz, der "residenzpflicht fuer fluechtlinge", nur unter groebstem buerokratischen aufwand weg. um auch nur in die naechste stadt zu gelangen, bedarf es eines urlaubsscheins, u.s.w.
bis dahin bleiben sie allerdings am rande eisenhuettenstadts im ghetto. die demo, die nur durch einen trick die geforderte demonstrationsteilnehmerInnenausweiskontrolle, verweigern konnte und sich vom sammelpunkt wegbewegen, zog eine stunde, vom paramilitaerischen BGS (bundesgrenzschutz) - in rugbyverschalung mit schlagstoecken und kameras bewaffnet - begleitet, zum schubhaefn. zu tun hatte der BGS am weg allerdings nur mit klassischen skinheads, wie sie in den forstumliegenden staedten ueberall zu finden sind, die die demo angreifen wollten.
vier menschen wurden schon im vorfeld der demo verhaftet, als sie ein riesiges "kein mensch ist illegal"-transparent an das baugeruest des in verschoenerung befindlichen plattenbaus gegenueber des ZAST anbrachten. sie wurden erst nach demonstrationsende drei stunden spaeter wieder freigelassen.
waehrenddessen zog die demo zuerst an die rueckseite des "fluechtlingsverwaltunsgelaendes", um den internierten mehrsprachige grussbotschaften zu uebermitteln. aus den in der ferne sichtbaren zellenfenstern winkten gefangene mit t-shirts und riefen ,"freiheit", "freedom", "liberte`". der bgs war streng mit der bewachung des zauns zur anlage hin beschaeftigt. als dann mehrere fluechtlinge aus dem heim hinter dem zaun auftauchten, und die demo mit ihnen kontakt aufzunehmen versuchte, kletterten ein paar kinder, die ungewohnte abwechslung im internierten alltag sichtlich geniessend, an der innenseite des zaunes hinauf. dem anblick der kinder im lager hilflos ausgeliefert, versuchten einige demonstrantInnen luftballons ueber den zaun zu werfen. was der bgs in symbolisch grausiger weise aber durch aufgreifen und zerstoeren der luftballone verhinderte. als immer mehr polizei auf beiden seiten des zaunes aufzog, ging die demonstration zum haupteingang des gebaeudes weiter, wo sie schon eine menge fluechtlinge erwartete, die sich aber vom bgs grossaufgebot verschreckt, zum groesstenteil nicht heraustrauten. nach langem hin und her wurde dann eine zehn-menschen- delegation hineingelassen. Diese vereinbarte einen neuerlichen besuch fuer heute samstag. am rueckweg der demo zum ausgangspunkt, wurde neuerlich mehrmals von neonazis versucht die demo anzugreifen. die anwohnerInnen winkten der demo keineswegs mit roten fahnen aus den fenstern zu, sondern vor allem zum filmen und fotografieren am fenster und kamen teilweise aus dem haeusern um die demo mit hitlergruss zu "begruessen" und dazugehoerige scheisse von sich zu geben. die campteilnehmerInnen fuhren unter zilvilpolizeibegleitung und hubschrauberobservation die 60km zurueck ins camp. die fluechtlinge bleiben im lager. und alles hat seine ordnung.
Samstag, 5.8. nachmittags gab`s in Forst noch eine Strassentheateraktion gegen die neue "green-card" regelung in deutschland. griechInnen gingen mit einem schild "demokratie geht uns alle an" durch die forster innenstadt. versteigert wurde zuerst eine fachkraft mit computerkenntnissen (mit computer unter dem arm). die anderen sklavInnen, die zwar als dumm aber billig angepriesen wurden, wurden um nicht einmal 5 euro verkauft.
Am abend (zur zeit) findet eine abschlussparty im camp statt mit band und elektrokonserve. die polizei führt ausweiskontrollen ums camp durch. offizielle begründung dafür: naziangriffe seien zu erwarten weil angekündigt. mal sehen.
konfrontative grösse aus forst und widerstand heisst angriff!
3. bericht ueber dass fulminante ende des dritten antirassistischen granzcamps in forst
nach den letzten aktionen samstags in der forster "innenstadt" wurden in einem mehrstuendigen schlussplenum wichtige stellungnahmen der arbeitsgruppen des camps gegen rassismus und sexismus, sowie eine klarstellung zu einem schon lange schwelenden konflikt innerhalb deutscher linker gruppen um diese themen verlesen. auf die verschaerften aussenbedingungen keine ruecksicht nehmend wurde danach, unter der ueblichen polizeibewachung, von denen, die noch nicht nach dem abschlusssplenum abgereist waren, ein langes kummunikationsintensives fest gefeiert. die hamburger puttklubband beehrte unsere sinne mit einem grossartigen, schraegen, vielstimmigen open air konzert und mit auflegerei, in einem der grossen zelte wurden politische filme an die wand geworfen. das fest dauerte bis in den fruehen morgen. als um neun uhr die verbliebenen vom campschutz die schlafenden per megaphon weckten, war eine huntertschaft BGS und polizei im anmarsch. in kuerezester zeit bildetete der grossteil der campleute menschenketten um das zelt, auf das hundert schwergepanzerte bullen "zustuermten". Sie hatten den auftrag das papierlose, illegal sendende campradio, gegen dass seit campbeginn ein haftbefehl vorlag, festzunehmen. was ihnen, trotz durchbrechens der kette mit einer, den schwarzen robocopfiguren der wiener WEGA nicht unaehnlichen, einsatzgruppe, nicht gelang, da sie sich im falschen zelt befanden. nach laengerer pause, in der trommel- und dudelsackkonzerte das fruehstueck ersetzten, wurde unter den schaulustigen augen des forster buergermeisters und eigens zum grenzcamp nach forst mobilisierten neonazis, noch ein lkw untersucht, in dem auch kein radio zu finden war, woraufhin kurzerhand ein cb-funkgeraet beschlagnahmt wurde.
in zwischenzeit hatten sich mehrere ketten um wichtige campeinrichtungen gebildet, und die polizei wurde mit "ohne-uns-waert-ihr-alle-arbeitslos"-gesaengen, und der versicherung, dass sie gewiss kein campradio nicht mehr finden werde, zum "haut ab"-rueckzug gezwungen. uebrig blieben einzig und allein die hubschrauber von BGS und polizei, die sich wie immer vor den ploetzlich ueber das camp fliegenden feuerwerksraketen fuerchteten und ihre kreise in sicherem abstand zogen. in einem fruehstueckskrisenplenum wurde noch beschlossen die presseerklaerung zum angriff aufs camp kurz vor der abfahrt ueber das piratenradio zu verlesen, was aus technischen gruenden dann leider nicht moeglich war, und gemeinsam in der nun schon wohlbekannten auto-riesenschlange noch ueber forst zu fahren und anschliessend das dritte antirassistische camp in heimreisekolonnen aufzuloesen.
die neonazis sind weiterhin auch in forst anzutreffen, die fluechtlinge in heimen und haefen, und alles hat seine ordnung. widerstand heisst angriff!